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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Baltische Schildereien.
Von Ao. B§.



!.
Wie Nordspihc Knrlando.

I" etwa sechshundert Bezirke zerfallt ganz Kurland und fünf¬
hundert fünfzehn derselben sind Erbeigenthum der Jndigenas kurischer
Ritterschaft. In buntesten Gemisch erblicken wir diese als Majorate,
als Mannes- und Weiberlehen, als Pfandgüter; und in ihrer Größe
wechseln sie eben so sehr, als in feudalistischen Range. Den nörd¬
lichsten Theil jener Nordspitze Kurlands, welche scharfeckig zwischen
Ostsee und Rigischcm Meerbusen in das Wasser gen Schweden hin¬
ausragt, nimmt das weitläufigste Privatbesitzthum ein. Es ist ein
Majorat derer von Sacken, übersteigt das Herzogthum Anhalt-Köthen
um zwei Quadratmeilen an Größe und führt den Namen Dondan¬
gen. Aber auf dieser ungeheuern Herrschaft wohnen nur etwa sechs¬
tausend Menschen. Dem Praktiker und dem Nativimlökonomen um¬
faßt sie auch einen ganz unwichtigen Landstrich. Dem Wanderer aber
ist's eine neue, wie außereuropäische Welt. Kurland scheint inDon-
dangens Wäldern zu enden und das lettische Volk nur zaghaft des¬
sen südlichste Grenzbreite zu überschreiten. -- Dort oben findet man,
was im übrigen Lande eine Halbcultur unangenehm abplattete und
verwischte, -- alle Ursprünglichkeit baltischer Natur und baltischer
Menschen. Eine dreißig Quadratmeilen weite Einsamkeit liegt dort
vor uns gebreitet; dort steht noch manches Waldstück unberührt, wie's
seit Jahrtausenden aufwuchs; dort dehnen sich langgestreckte Seen
einsam inmitten der Wildniß; dort lärmt keine Stadt, kein Flecken,
kein Dorf. Nur einzelne verstreute Hütten schlummern im Dunkel


Baltische Schildereien.
Von Ao. B§.



!.
Wie Nordspihc Knrlando.

I» etwa sechshundert Bezirke zerfallt ganz Kurland und fünf¬
hundert fünfzehn derselben sind Erbeigenthum der Jndigenas kurischer
Ritterschaft. In buntesten Gemisch erblicken wir diese als Majorate,
als Mannes- und Weiberlehen, als Pfandgüter; und in ihrer Größe
wechseln sie eben so sehr, als in feudalistischen Range. Den nörd¬
lichsten Theil jener Nordspitze Kurlands, welche scharfeckig zwischen
Ostsee und Rigischcm Meerbusen in das Wasser gen Schweden hin¬
ausragt, nimmt das weitläufigste Privatbesitzthum ein. Es ist ein
Majorat derer von Sacken, übersteigt das Herzogthum Anhalt-Köthen
um zwei Quadratmeilen an Größe und führt den Namen Dondan¬
gen. Aber auf dieser ungeheuern Herrschaft wohnen nur etwa sechs¬
tausend Menschen. Dem Praktiker und dem Nativimlökonomen um¬
faßt sie auch einen ganz unwichtigen Landstrich. Dem Wanderer aber
ist's eine neue, wie außereuropäische Welt. Kurland scheint inDon-
dangens Wäldern zu enden und das lettische Volk nur zaghaft des¬
sen südlichste Grenzbreite zu überschreiten. — Dort oben findet man,
was im übrigen Lande eine Halbcultur unangenehm abplattete und
verwischte, — alle Ursprünglichkeit baltischer Natur und baltischer
Menschen. Eine dreißig Quadratmeilen weite Einsamkeit liegt dort
vor uns gebreitet; dort steht noch manches Waldstück unberührt, wie's
seit Jahrtausenden aufwuchs; dort dehnen sich langgestreckte Seen
einsam inmitten der Wildniß; dort lärmt keine Stadt, kein Flecken,
kein Dorf. Nur einzelne verstreute Hütten schlummern im Dunkel


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[0462] Baltische Schildereien. Von Ao. B§. !. Wie Nordspihc Knrlando. I» etwa sechshundert Bezirke zerfallt ganz Kurland und fünf¬ hundert fünfzehn derselben sind Erbeigenthum der Jndigenas kurischer Ritterschaft. In buntesten Gemisch erblicken wir diese als Majorate, als Mannes- und Weiberlehen, als Pfandgüter; und in ihrer Größe wechseln sie eben so sehr, als in feudalistischen Range. Den nörd¬ lichsten Theil jener Nordspitze Kurlands, welche scharfeckig zwischen Ostsee und Rigischcm Meerbusen in das Wasser gen Schweden hin¬ ausragt, nimmt das weitläufigste Privatbesitzthum ein. Es ist ein Majorat derer von Sacken, übersteigt das Herzogthum Anhalt-Köthen um zwei Quadratmeilen an Größe und führt den Namen Dondan¬ gen. Aber auf dieser ungeheuern Herrschaft wohnen nur etwa sechs¬ tausend Menschen. Dem Praktiker und dem Nativimlökonomen um¬ faßt sie auch einen ganz unwichtigen Landstrich. Dem Wanderer aber ist's eine neue, wie außereuropäische Welt. Kurland scheint inDon- dangens Wäldern zu enden und das lettische Volk nur zaghaft des¬ sen südlichste Grenzbreite zu überschreiten. — Dort oben findet man, was im übrigen Lande eine Halbcultur unangenehm abplattete und verwischte, — alle Ursprünglichkeit baltischer Natur und baltischer Menschen. Eine dreißig Quadratmeilen weite Einsamkeit liegt dort vor uns gebreitet; dort steht noch manches Waldstück unberührt, wie's seit Jahrtausenden aufwuchs; dort dehnen sich langgestreckte Seen einsam inmitten der Wildniß; dort lärmt keine Stadt, kein Flecken, kein Dorf. Nur einzelne verstreute Hütten schlummern im Dunkel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/462>, abgerufen am 05.05.2024.