Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

untersuchen, aber meine Reise verfolgte andere Zwecke, und Briren
hat für langem Aufenthalt wenig Annehmliches, als etwa die drei¬
hundert Sorten Weintrauben, welche der Fürstbischof in seinem über
alle Beschreibung fruchtbaren Garten baut: mich aber zog die Sehn¬
sucht, je näher, desto stärker nach Süden.

Hinzufügen will ich noch, daß jene Erzählung der Bergbewoh¬
ner mir auch von Städtern, jedoch mit leiser Stimme und vorsichti¬
ger Verwahrung, bestätigt wurde. Vielleicht aber fühlt sich nur der
gerechte Stolz des tapfern Volkes gekränkt, daß man, nachdem es
zweimal -- 1703 und 18W -- solche leuchtende Beweise seiner
Heldcnkraft und Treue gegeben, für die Vertheidigung von Tvrol ein
anderes Bollwerk sucht, als die Brust seiner Bewohner.
"

"Sackerl! sagte Einer, ein prächtiger Bursch von hohem Wuchs,
mit rothen Backen und gutmüthigen braunen Augen. "Wollen'S denn
von den welschen Consinien bis hierher alteriren?" (retiriren.)

Ueber die Schilderhebung von I8V9 wurden mir in Salurn
noch einige nicht uninteressante Mittheilungen, die ich, soweit die
Discretion gegen die Erzähler gestattet, vielleicht ein andermal brin¬
Bernb von Guseck. gen werde.


VI.
Ein deutscher Krieger" von Vaucrnfeld,
auf der Leipziger Bühne.

"Dies also ist -- das Ereignis?? Dies ist der deutsche Krieger,
von dessen kühnem Schritt die Bretter des Burgtheaters in Wien
erzitterten? Armes, glückliches, kindliches Wien!" -- Mit so unschmei-
chelhaftcr Verwunderung äußerte man sich hier nach der ersten Auf¬
führung des deutschen Kriegers, der in Wien so große Sensation ge¬
macht hatte. Die Verwunderung galt nicht dem Drama selbst, denn
dieses war auch von Wien aus als eine der schwächern Productionen
Bauernseld's angekündigt worden; *) sie galt der Gesinnungsmanifesta¬
tion, die man erwartet hatte. Eben die Tendenz, welche in Wien
die Schwächen des Stückes verdeckte, konnte man hier nicht entdecken;
und als man sie entdeckte, fand man sie so unschuldig, daß die Ver¬
wunderung von Neuem begann. Wer Wien nicht naher kennt, kann
allerdings die Bedeutung nicht ahnen, welche schon die blasse Färbung



Trotzdem hat es hier in vielen Einzelnheiten sehr freundlich angespro¬
chen; und es hätte einen entschiedenern Erfolg gehabt, wären die beiden Haupt¬
rollen: der deutsche Krieger und Frau von La Roche eben so gut gespielt
worden, wie die komische Nebenrolle des Hans von Herrn Meirner und der
Kurfürst Johann Georg von Herrn Marr gespielt ward. Der deutsche Krie¬
ger war nicht passend besetzt und die Rolle der de la Roche wurde von Frau
Dessoir sehr vernachläßigr.
GrenMcn, 1842. l. gg

untersuchen, aber meine Reise verfolgte andere Zwecke, und Briren
hat für langem Aufenthalt wenig Annehmliches, als etwa die drei¬
hundert Sorten Weintrauben, welche der Fürstbischof in seinem über
alle Beschreibung fruchtbaren Garten baut: mich aber zog die Sehn¬
sucht, je näher, desto stärker nach Süden.

Hinzufügen will ich noch, daß jene Erzählung der Bergbewoh¬
ner mir auch von Städtern, jedoch mit leiser Stimme und vorsichti¬
ger Verwahrung, bestätigt wurde. Vielleicht aber fühlt sich nur der
gerechte Stolz des tapfern Volkes gekränkt, daß man, nachdem es
zweimal — 1703 und 18W — solche leuchtende Beweise seiner
Heldcnkraft und Treue gegeben, für die Vertheidigung von Tvrol ein
anderes Bollwerk sucht, als die Brust seiner Bewohner.
"

„Sackerl! sagte Einer, ein prächtiger Bursch von hohem Wuchs,
mit rothen Backen und gutmüthigen braunen Augen. „Wollen'S denn
von den welschen Consinien bis hierher alteriren?" (retiriren.)

Ueber die Schilderhebung von I8V9 wurden mir in Salurn
noch einige nicht uninteressante Mittheilungen, die ich, soweit die
Discretion gegen die Erzähler gestattet, vielleicht ein andermal brin¬
Bernb von Guseck. gen werde.


VI.
Ein deutscher Krieger» von Vaucrnfeld,
auf der Leipziger Bühne.

„Dies also ist — das Ereignis?? Dies ist der deutsche Krieger,
von dessen kühnem Schritt die Bretter des Burgtheaters in Wien
erzitterten? Armes, glückliches, kindliches Wien!" — Mit so unschmei-
chelhaftcr Verwunderung äußerte man sich hier nach der ersten Auf¬
führung des deutschen Kriegers, der in Wien so große Sensation ge¬
macht hatte. Die Verwunderung galt nicht dem Drama selbst, denn
dieses war auch von Wien aus als eine der schwächern Productionen
Bauernseld's angekündigt worden; *) sie galt der Gesinnungsmanifesta¬
tion, die man erwartet hatte. Eben die Tendenz, welche in Wien
die Schwächen des Stückes verdeckte, konnte man hier nicht entdecken;
und als man sie entdeckte, fand man sie so unschuldig, daß die Ver¬
wunderung von Neuem begann. Wer Wien nicht naher kennt, kann
allerdings die Bedeutung nicht ahnen, welche schon die blasse Färbung



Trotzdem hat es hier in vielen Einzelnheiten sehr freundlich angespro¬
chen; und es hätte einen entschiedenern Erfolg gehabt, wären die beiden Haupt¬
rollen: der deutsche Krieger und Frau von La Roche eben so gut gespielt
worden, wie die komische Nebenrolle des Hans von Herrn Meirner und der
Kurfürst Johann Georg von Herrn Marr gespielt ward. Der deutsche Krie¬
ger war nicht passend besetzt und die Rolle der de la Roche wurde von Frau
Dessoir sehr vernachläßigr.
GrenMcn, 1842. l. gg
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0631" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270046"/>
            <p xml:id="ID_1772" prev="#ID_1771"> untersuchen, aber meine Reise verfolgte andere Zwecke, und Briren<lb/>
hat für langem Aufenthalt wenig Annehmliches, als etwa die drei¬<lb/>
hundert Sorten Weintrauben, welche der Fürstbischof in seinem über<lb/>
alle Beschreibung fruchtbaren Garten baut: mich aber zog die Sehn¬<lb/>
sucht, je näher, desto stärker nach Süden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1773"> Hinzufügen will ich noch, daß jene Erzählung der Bergbewoh¬<lb/>
ner mir auch von Städtern, jedoch mit leiser Stimme und vorsichti¬<lb/>
ger Verwahrung, bestätigt wurde. Vielleicht aber fühlt sich nur der<lb/>
gerechte Stolz des tapfern Volkes gekränkt, daß man, nachdem es<lb/>
zweimal &#x2014; 1703 und 18W &#x2014; solche leuchtende Beweise seiner<lb/>
Heldcnkraft und Treue gegeben, für die Vertheidigung von Tvrol ein<lb/>
anderes Bollwerk sucht, als die Brust seiner Bewohner.<lb/>
"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1774"> &#x201E;Sackerl! sagte Einer, ein prächtiger Bursch von hohem Wuchs,<lb/>
mit rothen Backen und gutmüthigen braunen Augen. &#x201E;Wollen'S denn<lb/>
von den welschen Consinien bis hierher alteriren?" (retiriren.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1775"> Ueber die Schilderhebung von I8V9 wurden mir in Salurn<lb/>
noch einige nicht uninteressante Mittheilungen, die ich, soweit die<lb/>
Discretion gegen die Erzähler gestattet, vielleicht ein andermal brin¬<lb/><note type="byline"> Bernb von Guseck.</note> gen werde. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> VI.<lb/>
Ein deutscher Krieger» von Vaucrnfeld,<lb/>
auf der Leipziger Bühne.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1776" next="#ID_1777"> &#x201E;Dies also ist &#x2014; das Ereignis?? Dies ist der deutsche Krieger,<lb/>
von dessen kühnem Schritt die Bretter des Burgtheaters in Wien<lb/>
erzitterten? Armes, glückliches, kindliches Wien!" &#x2014; Mit so unschmei-<lb/>
chelhaftcr Verwunderung äußerte man sich hier nach der ersten Auf¬<lb/>
führung des deutschen Kriegers, der in Wien so große Sensation ge¬<lb/>
macht hatte. Die Verwunderung galt nicht dem Drama selbst, denn<lb/>
dieses war auch von Wien aus als eine der schwächern Productionen<lb/>
Bauernseld's angekündigt worden; *) sie galt der Gesinnungsmanifesta¬<lb/>
tion, die man erwartet hatte. Eben die Tendenz, welche in Wien<lb/>
die Schwächen des Stückes verdeckte, konnte man hier nicht entdecken;<lb/>
und als man sie entdeckte, fand man sie so unschuldig, daß die Ver¬<lb/>
wunderung von Neuem begann. Wer Wien nicht naher kennt, kann<lb/>
allerdings die Bedeutung nicht ahnen, welche schon die blasse Färbung</p><lb/>
            <note xml:id="FID_65" place="foot"> Trotzdem hat es hier in vielen Einzelnheiten sehr freundlich angespro¬<lb/>
chen; und es hätte einen entschiedenern Erfolg gehabt, wären die beiden Haupt¬<lb/>
rollen: der deutsche Krieger und Frau von La Roche eben so gut gespielt<lb/>
worden, wie die komische Nebenrolle des Hans von Herrn Meirner und der<lb/>
Kurfürst Johann Georg von Herrn Marr gespielt ward. Der deutsche Krie¬<lb/>
ger war nicht passend besetzt und die Rolle der de la Roche wurde von Frau<lb/>
Dessoir sehr vernachläßigr.</note><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> GrenMcn, 1842.  l. gg</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0631] untersuchen, aber meine Reise verfolgte andere Zwecke, und Briren hat für langem Aufenthalt wenig Annehmliches, als etwa die drei¬ hundert Sorten Weintrauben, welche der Fürstbischof in seinem über alle Beschreibung fruchtbaren Garten baut: mich aber zog die Sehn¬ sucht, je näher, desto stärker nach Süden. Hinzufügen will ich noch, daß jene Erzählung der Bergbewoh¬ ner mir auch von Städtern, jedoch mit leiser Stimme und vorsichti¬ ger Verwahrung, bestätigt wurde. Vielleicht aber fühlt sich nur der gerechte Stolz des tapfern Volkes gekränkt, daß man, nachdem es zweimal — 1703 und 18W — solche leuchtende Beweise seiner Heldcnkraft und Treue gegeben, für die Vertheidigung von Tvrol ein anderes Bollwerk sucht, als die Brust seiner Bewohner. " „Sackerl! sagte Einer, ein prächtiger Bursch von hohem Wuchs, mit rothen Backen und gutmüthigen braunen Augen. „Wollen'S denn von den welschen Consinien bis hierher alteriren?" (retiriren.) Ueber die Schilderhebung von I8V9 wurden mir in Salurn noch einige nicht uninteressante Mittheilungen, die ich, soweit die Discretion gegen die Erzähler gestattet, vielleicht ein andermal brin¬ Bernb von Guseck. gen werde. VI. Ein deutscher Krieger» von Vaucrnfeld, auf der Leipziger Bühne. „Dies also ist — das Ereignis?? Dies ist der deutsche Krieger, von dessen kühnem Schritt die Bretter des Burgtheaters in Wien erzitterten? Armes, glückliches, kindliches Wien!" — Mit so unschmei- chelhaftcr Verwunderung äußerte man sich hier nach der ersten Auf¬ führung des deutschen Kriegers, der in Wien so große Sensation ge¬ macht hatte. Die Verwunderung galt nicht dem Drama selbst, denn dieses war auch von Wien aus als eine der schwächern Productionen Bauernseld's angekündigt worden; *) sie galt der Gesinnungsmanifesta¬ tion, die man erwartet hatte. Eben die Tendenz, welche in Wien die Schwächen des Stückes verdeckte, konnte man hier nicht entdecken; und als man sie entdeckte, fand man sie so unschuldig, daß die Ver¬ wunderung von Neuem begann. Wer Wien nicht naher kennt, kann allerdings die Bedeutung nicht ahnen, welche schon die blasse Färbung Trotzdem hat es hier in vielen Einzelnheiten sehr freundlich angespro¬ chen; und es hätte einen entschiedenern Erfolg gehabt, wären die beiden Haupt¬ rollen: der deutsche Krieger und Frau von La Roche eben so gut gespielt worden, wie die komische Nebenrolle des Hans von Herrn Meirner und der Kurfürst Johann Georg von Herrn Marr gespielt ward. Der deutsche Krie¬ ger war nicht passend besetzt und die Rolle der de la Roche wurde von Frau Dessoir sehr vernachläßigr. GrenMcn, 1842. l. gg

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/631
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/631>, abgerufen am 06.05.2024.