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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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von Sardinien, welche auf demselben Prinzip wie die österreichische
fußt und sich dieselbe häusig zum Vorbilde nimmt, wie dies erst neu¬
lich wieder in Bezug auf die Eisenbahnen geschehen, hat mindestens
in den Zeitungen dem Gerüchte widersprochen, als habe sie eine außer¬
gewöhnliche Grenzbewachung an der Schweizer Grenze angeordnet, da
solche dem lebhaften Verkehr ihrer Unterthanen mit den Bewohnern
des Schwcizerlandes sehr schädlich sein wurde. Auch in Vorarlberg
hat die Anhäufung bedeutender Streitkräfte den Preis aller Lebens¬
mittel schnell in die Höhe getrieben und das Pfund Fleisch, welches
schon früher 10 Kreuzer R. W. kostete, kostet jetzt 14 Kreuzer. Die
übrigen Lebensmittel folgen im Verhältniß, und Niemand wird bei
der Sache gewinnen, als die Kornwucherer und bairischen Spekulan¬
ten, die das menschenreiche Vorarlberg mit dem nöthigen Bedarf ver-
s --e-- orgen.


11.
Gutzkow's gesammelte Schriften.

Gutzkow gibt seine "Gesammelte Werke" heraus, welche im
Verlage der literarischen Anstalt in Frankfurt am Main erscheinen, Sie
werden mit Ausnahme der Theater, von denen ohnehin eine Gesammt-
ausgabe (bei Weber in Leipzig) erscheint, 12 Bande bilden. Die
Wally ist in diesen Gesammtwerken übergangen worden. Das Pro¬
gramm zu den gesammelten Werken hat Gutzkow selbst unterzeichnet.
Es ist gewissermaßen eine literarische Thronrede. Gutzkow spricht
darin von den kriegerischen und friedlichen Literaturbcwegungen seit
1830. "Erst jetzt --- sagt Gutzkow -- möchte die Zeit eingetreten
sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem beruhig¬
term Standpunkte zu überschauen." Diese Meinung können wir
nicht theilen. Wir glauben, die Zeit, wo das junge Deutschland gegen
Menzel und endlich gegen einander selbst kämpfte, ist bei weitem nicht
so unruhig gewesen, als die jetzige, wo politische Poeten und poetische
Politiker, Socialisten und Philosophen in tausend Schattirungen das
literarische Schlachtfeld zerstampfen. Nie waren die Leidenschaften
aufgeregter, die Kämpfe stürmischer, die Standpunkte mehr durch ein¬
ander geworfen, als gerade jetzt. Gutzkow selbst ist noch zu jung, zu
productiv, zu streitesmuthig, als daß wir glauben sollten, er stände
bereits mit dem einen Fuße in der Vergangenheit. Er selbst erklärt
sich hierüber mit folgenden Worten: "Erst jetzt möchte die Aelt ein¬
getreten sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem
beruhigterm Standpunkte zu überschauen. Mit dem geringen Antheil
seines eignen Lebens an dieser Vergangenheit versuchte diese Ueberschau
der Unterzeichnete. Er erschrack, als er die Zeugen seines Fleißes, seiner
Hingebung an das allgemeine Wohl, seines hier und dort nicht ohne


von Sardinien, welche auf demselben Prinzip wie die österreichische
fußt und sich dieselbe häusig zum Vorbilde nimmt, wie dies erst neu¬
lich wieder in Bezug auf die Eisenbahnen geschehen, hat mindestens
in den Zeitungen dem Gerüchte widersprochen, als habe sie eine außer¬
gewöhnliche Grenzbewachung an der Schweizer Grenze angeordnet, da
solche dem lebhaften Verkehr ihrer Unterthanen mit den Bewohnern
des Schwcizerlandes sehr schädlich sein wurde. Auch in Vorarlberg
hat die Anhäufung bedeutender Streitkräfte den Preis aller Lebens¬
mittel schnell in die Höhe getrieben und das Pfund Fleisch, welches
schon früher 10 Kreuzer R. W. kostete, kostet jetzt 14 Kreuzer. Die
übrigen Lebensmittel folgen im Verhältniß, und Niemand wird bei
der Sache gewinnen, als die Kornwucherer und bairischen Spekulan¬
ten, die das menschenreiche Vorarlberg mit dem nöthigen Bedarf ver-
s —e— orgen.


11.
Gutzkow's gesammelte Schriften.

Gutzkow gibt seine „Gesammelte Werke" heraus, welche im
Verlage der literarischen Anstalt in Frankfurt am Main erscheinen, Sie
werden mit Ausnahme der Theater, von denen ohnehin eine Gesammt-
ausgabe (bei Weber in Leipzig) erscheint, 12 Bande bilden. Die
Wally ist in diesen Gesammtwerken übergangen worden. Das Pro¬
gramm zu den gesammelten Werken hat Gutzkow selbst unterzeichnet.
Es ist gewissermaßen eine literarische Thronrede. Gutzkow spricht
darin von den kriegerischen und friedlichen Literaturbcwegungen seit
1830. „Erst jetzt -— sagt Gutzkow — möchte die Zeit eingetreten
sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem beruhig¬
term Standpunkte zu überschauen." Diese Meinung können wir
nicht theilen. Wir glauben, die Zeit, wo das junge Deutschland gegen
Menzel und endlich gegen einander selbst kämpfte, ist bei weitem nicht
so unruhig gewesen, als die jetzige, wo politische Poeten und poetische
Politiker, Socialisten und Philosophen in tausend Schattirungen das
literarische Schlachtfeld zerstampfen. Nie waren die Leidenschaften
aufgeregter, die Kämpfe stürmischer, die Standpunkte mehr durch ein¬
ander geworfen, als gerade jetzt. Gutzkow selbst ist noch zu jung, zu
productiv, zu streitesmuthig, als daß wir glauben sollten, er stände
bereits mit dem einen Fuße in der Vergangenheit. Er selbst erklärt
sich hierüber mit folgenden Worten: „Erst jetzt möchte die Aelt ein¬
getreten sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem
beruhigterm Standpunkte zu überschauen. Mit dem geringen Antheil
seines eignen Lebens an dieser Vergangenheit versuchte diese Ueberschau
der Unterzeichnete. Er erschrack, als er die Zeugen seines Fleißes, seiner
Hingebung an das allgemeine Wohl, seines hier und dort nicht ohne


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[0184] von Sardinien, welche auf demselben Prinzip wie die österreichische fußt und sich dieselbe häusig zum Vorbilde nimmt, wie dies erst neu¬ lich wieder in Bezug auf die Eisenbahnen geschehen, hat mindestens in den Zeitungen dem Gerüchte widersprochen, als habe sie eine außer¬ gewöhnliche Grenzbewachung an der Schweizer Grenze angeordnet, da solche dem lebhaften Verkehr ihrer Unterthanen mit den Bewohnern des Schwcizerlandes sehr schädlich sein wurde. Auch in Vorarlberg hat die Anhäufung bedeutender Streitkräfte den Preis aller Lebens¬ mittel schnell in die Höhe getrieben und das Pfund Fleisch, welches schon früher 10 Kreuzer R. W. kostete, kostet jetzt 14 Kreuzer. Die übrigen Lebensmittel folgen im Verhältniß, und Niemand wird bei der Sache gewinnen, als die Kornwucherer und bairischen Spekulan¬ ten, die das menschenreiche Vorarlberg mit dem nöthigen Bedarf ver- s —e— orgen. 11. Gutzkow's gesammelte Schriften. Gutzkow gibt seine „Gesammelte Werke" heraus, welche im Verlage der literarischen Anstalt in Frankfurt am Main erscheinen, Sie werden mit Ausnahme der Theater, von denen ohnehin eine Gesammt- ausgabe (bei Weber in Leipzig) erscheint, 12 Bande bilden. Die Wally ist in diesen Gesammtwerken übergangen worden. Das Pro¬ gramm zu den gesammelten Werken hat Gutzkow selbst unterzeichnet. Es ist gewissermaßen eine literarische Thronrede. Gutzkow spricht darin von den kriegerischen und friedlichen Literaturbcwegungen seit 1830. „Erst jetzt -— sagt Gutzkow — möchte die Zeit eingetreten sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem beruhig¬ term Standpunkte zu überschauen." Diese Meinung können wir nicht theilen. Wir glauben, die Zeit, wo das junge Deutschland gegen Menzel und endlich gegen einander selbst kämpfte, ist bei weitem nicht so unruhig gewesen, als die jetzige, wo politische Poeten und poetische Politiker, Socialisten und Philosophen in tausend Schattirungen das literarische Schlachtfeld zerstampfen. Nie waren die Leidenschaften aufgeregter, die Kämpfe stürmischer, die Standpunkte mehr durch ein¬ ander geworfen, als gerade jetzt. Gutzkow selbst ist noch zu jung, zu productiv, zu streitesmuthig, als daß wir glauben sollten, er stände bereits mit dem einen Fuße in der Vergangenheit. Er selbst erklärt sich hierüber mit folgenden Worten: „Erst jetzt möchte die Aelt ein¬ getreten sein, die Geschichte dieser jüngsten Vergangenheit von einem beruhigterm Standpunkte zu überschauen. Mit dem geringen Antheil seines eignen Lebens an dieser Vergangenheit versuchte diese Ueberschau der Unterzeichnete. Er erschrack, als er die Zeugen seines Fleißes, seiner Hingebung an das allgemeine Wohl, seines hier und dort nicht ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/184>, abgerufen am 27.04.2024.