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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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so Laube in den "Drei Königsstädten." Gutzkow gab den dritten
Band seiner dramatischen Werke und beginnt die Sammlung seiner
gesammten Schriften -- warum so früh? -- Die ziemlich erwachsende
Memoirenliteratur gibt in ihren Erscheinungen die Pragmatik unserer
Zeit. Varnhagen gibt den zweiten Band seiner "Biographischen Denk¬
mäler," Dorow "Erlebtes," Arndt "Schriften für und an seine lie¬
ben Deutschen," der Pseudonyme Stephan Thurm Memoiren "Aus
der Kaserne" u. s. f. -- Aber auf allen, allen Seiren des Katalogs
stellt sich doch immer wieder die Rongeliteratur in den Vordergrund.
Es ist ein Drängen und Treiben dieser theologischen Welt, als eri-
stire außer ihr kein weiteres Interesse und kein wichtiger Punkt, dem
wir unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden hätten. Noch ist die Preßfrei¬
heit nur wenige Linien vorwärts gerückt! Noch ist dem Gerichts¬
verfahren weder die Kürze des mündlichen Wortes, noch die Garantie
der öffentlichen Verhandlung erobert. Noch ist so unendlich viel zu thun
für gegenseitige Annäherung und Vereinung der deutschen Stämme!
Die Eonfesston steht in dieser Hinsicht machtlos und das Geschrei der
theologischen Spaltung fördert am allerwenigsten die Einigkeit des
B. deutschen Volks!


II.
Die Aufhebung der Divisionsschulen in Preußen.

Die preußischen Schulen haben seit einer Reihe von Jahren viele
Lehrmethoden prüfen müssen. Vieles ist wieder aufgegeben, aber auch
manches Gute beibehalten worden. Der Versuch, welcher jetzt auch
mit den höheren Militärschulcn angestellt werden soll, kann jedenfalls
eine Reihe guter Folgen nach sich ziehen.

Mancher allerdings wird den Kopf schütteln, wenn er liest, daß
die, welche Offiziere werden wollen, fortan nicht mehr in besonderen
Divisionsschulen, sondern aus Gymnasien gebildet werden, daß
solche Individuen nur dann zu einem Offizier befähigt sein sollen,
wenn sie die geistige Reife eines Primaners auf einem Gymnasium
erlangt haben. Mancher wird auch im Geiste denken, daß dies ein
Triumph der Philologie sei und wird sich fragen, ob einem Offizier
all' der Kram, der auf Gymnasien gelehrt wird, insbesondere aber das
verhaßte Sprachstudium der Alten, nöthig sei. Mancher, der sich dem
Militärstande widmen will, wird über diese gesteigerten Forderungen
erschrecken und manchen Offizier hört man bereits sagen: das braucht
ein Soldat nicht, die größten Feldherrn dienten vom gemeinen Sol¬
daten auf, hatten wenig oder gar keine Bildung, im Felde sind die
Wissenschaften eine unnütze Bagage. Indessen wollen wir daran erin¬
nern, daß diese Maßregel bedeutende Motive für sich hat.

Als vergangenen Herbst der Hofrath Thiersch aus München


Grenzboten I84S, II. 30

so Laube in den „Drei Königsstädten." Gutzkow gab den dritten
Band seiner dramatischen Werke und beginnt die Sammlung seiner
gesammten Schriften — warum so früh? — Die ziemlich erwachsende
Memoirenliteratur gibt in ihren Erscheinungen die Pragmatik unserer
Zeit. Varnhagen gibt den zweiten Band seiner „Biographischen Denk¬
mäler," Dorow „Erlebtes," Arndt „Schriften für und an seine lie¬
ben Deutschen," der Pseudonyme Stephan Thurm Memoiren „Aus
der Kaserne" u. s. f. — Aber auf allen, allen Seiren des Katalogs
stellt sich doch immer wieder die Rongeliteratur in den Vordergrund.
Es ist ein Drängen und Treiben dieser theologischen Welt, als eri-
stire außer ihr kein weiteres Interesse und kein wichtiger Punkt, dem
wir unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden hätten. Noch ist die Preßfrei¬
heit nur wenige Linien vorwärts gerückt! Noch ist dem Gerichts¬
verfahren weder die Kürze des mündlichen Wortes, noch die Garantie
der öffentlichen Verhandlung erobert. Noch ist so unendlich viel zu thun
für gegenseitige Annäherung und Vereinung der deutschen Stämme!
Die Eonfesston steht in dieser Hinsicht machtlos und das Geschrei der
theologischen Spaltung fördert am allerwenigsten die Einigkeit des
B. deutschen Volks!


II.
Die Aufhebung der Divisionsschulen in Preußen.

Die preußischen Schulen haben seit einer Reihe von Jahren viele
Lehrmethoden prüfen müssen. Vieles ist wieder aufgegeben, aber auch
manches Gute beibehalten worden. Der Versuch, welcher jetzt auch
mit den höheren Militärschulcn angestellt werden soll, kann jedenfalls
eine Reihe guter Folgen nach sich ziehen.

Mancher allerdings wird den Kopf schütteln, wenn er liest, daß
die, welche Offiziere werden wollen, fortan nicht mehr in besonderen
Divisionsschulen, sondern aus Gymnasien gebildet werden, daß
solche Individuen nur dann zu einem Offizier befähigt sein sollen,
wenn sie die geistige Reife eines Primaners auf einem Gymnasium
erlangt haben. Mancher wird auch im Geiste denken, daß dies ein
Triumph der Philologie sei und wird sich fragen, ob einem Offizier
all' der Kram, der auf Gymnasien gelehrt wird, insbesondere aber das
verhaßte Sprachstudium der Alten, nöthig sei. Mancher, der sich dem
Militärstande widmen will, wird über diese gesteigerten Forderungen
erschrecken und manchen Offizier hört man bereits sagen: das braucht
ein Soldat nicht, die größten Feldherrn dienten vom gemeinen Sol¬
daten auf, hatten wenig oder gar keine Bildung, im Felde sind die
Wissenschaften eine unnütze Bagage. Indessen wollen wir daran erin¬
nern, daß diese Maßregel bedeutende Motive für sich hat.

Als vergangenen Herbst der Hofrath Thiersch aus München


Grenzboten I84S, II. 30
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[0233] so Laube in den „Drei Königsstädten." Gutzkow gab den dritten Band seiner dramatischen Werke und beginnt die Sammlung seiner gesammten Schriften — warum so früh? — Die ziemlich erwachsende Memoirenliteratur gibt in ihren Erscheinungen die Pragmatik unserer Zeit. Varnhagen gibt den zweiten Band seiner „Biographischen Denk¬ mäler," Dorow „Erlebtes," Arndt „Schriften für und an seine lie¬ ben Deutschen," der Pseudonyme Stephan Thurm Memoiren „Aus der Kaserne" u. s. f. — Aber auf allen, allen Seiren des Katalogs stellt sich doch immer wieder die Rongeliteratur in den Vordergrund. Es ist ein Drängen und Treiben dieser theologischen Welt, als eri- stire außer ihr kein weiteres Interesse und kein wichtiger Punkt, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden hätten. Noch ist die Preßfrei¬ heit nur wenige Linien vorwärts gerückt! Noch ist dem Gerichts¬ verfahren weder die Kürze des mündlichen Wortes, noch die Garantie der öffentlichen Verhandlung erobert. Noch ist so unendlich viel zu thun für gegenseitige Annäherung und Vereinung der deutschen Stämme! Die Eonfesston steht in dieser Hinsicht machtlos und das Geschrei der theologischen Spaltung fördert am allerwenigsten die Einigkeit des B. deutschen Volks! II. Die Aufhebung der Divisionsschulen in Preußen. Die preußischen Schulen haben seit einer Reihe von Jahren viele Lehrmethoden prüfen müssen. Vieles ist wieder aufgegeben, aber auch manches Gute beibehalten worden. Der Versuch, welcher jetzt auch mit den höheren Militärschulcn angestellt werden soll, kann jedenfalls eine Reihe guter Folgen nach sich ziehen. Mancher allerdings wird den Kopf schütteln, wenn er liest, daß die, welche Offiziere werden wollen, fortan nicht mehr in besonderen Divisionsschulen, sondern aus Gymnasien gebildet werden, daß solche Individuen nur dann zu einem Offizier befähigt sein sollen, wenn sie die geistige Reife eines Primaners auf einem Gymnasium erlangt haben. Mancher wird auch im Geiste denken, daß dies ein Triumph der Philologie sei und wird sich fragen, ob einem Offizier all' der Kram, der auf Gymnasien gelehrt wird, insbesondere aber das verhaßte Sprachstudium der Alten, nöthig sei. Mancher, der sich dem Militärstande widmen will, wird über diese gesteigerten Forderungen erschrecken und manchen Offizier hört man bereits sagen: das braucht ein Soldat nicht, die größten Feldherrn dienten vom gemeinen Sol¬ daten auf, hatten wenig oder gar keine Bildung, im Felde sind die Wissenschaften eine unnütze Bagage. Indessen wollen wir daran erin¬ nern, daß diese Maßregel bedeutende Motive für sich hat. Als vergangenen Herbst der Hofrath Thiersch aus München Grenzboten I84S, II. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/233>, abgerufen am 27.04.2024.