Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.Conservator Gigner in Augsburg. Aus dem Reisetagebuche einer Süddeutschen. Das schweigende ernste Augsburg mit seinen stolzen Giebeln Conservator Gigner in Augsburg. Aus dem Reisetagebuche einer Süddeutschen. Das schweigende ernste Augsburg mit seinen stolzen Giebeln <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270083"/> </div> <div n="1"> <head> Conservator Gigner in Augsburg.<lb/><note type="byline"> Aus dem Reisetagebuche einer Süddeutschen.</note></head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_36" next="#ID_37"> Das schweigende ernste Augsburg mit seinen stolzen Giebeln<lb/> wahrt einen Schatz, an dem man meist ahnungslos vorübergeht: das<lb/> ehemalige Kloster, jetzt Gemäldegalerie, in welchem der Conservator<lb/> Eigner sein Wesen treibt. Er hat das Genie seines Handwerks —,<lb/> man darf ihm nur in die gescheidten großen braunen Augen sehen.<lb/> Das Aufzährende, Thätige gibt sich gleich kund. Alles Hai er aus<lb/> sich herausgelernt. Sein Geburtsort ist Amberg. Er muß doch in<lb/> einer besondern Verwandtschaft mit der Kunst stehen, dieser Conser¬<lb/> vator oder Inspektor, wie sie ihn nennen. Sein Leben mit und un¬<lb/> ter den alten Bildern hat etwas ganz Eigenthümliches, für mich fast<lb/> Mystisches. Es ist eine Art Verhältniß, in welchem er sich zu<lb/> ihnen befindet, eine Liebe zu einander, denn solches Verstehen ist im¬<lb/> mer Liebe. Wie wunderbar dieser geistige Funken, diese tiefe Sym¬<lb/> pathie mit dem Ideale, diese ahnungsvolle Treue für die Schönheit,<lb/> in die Seele eines Kindes gesenkt, das in dunkler kümmerlicher Um¬<lb/> gebung, in einem nördlich nüchternen Städtlein geboren, mit dem<lb/> ganzen Himmel des Morgenlands in der Seele, und von der Wiege<lb/> an durch geheime Feengabe schon bestimmt war, der Schildknappe<lb/> so hoher Meister zu sein, welche Jahrhunderte vor ihm lebten! Wie<lb/> freudig das Genie in seiner Schöpferherrlichkeit! Wie rührend aber,<lb/> wenn es einmal, sich selbst unbewußt, ganz Liebe und Demuth, selbst-<lb/> verläugnend kommt, sich nur an fremde Größe zu schmiegen, ihr zu<lb/> dienen, die aber zuletzt doch immer die eigne bleibt; denn aller Genius</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Conservator Gigner in Augsburg.
Aus dem Reisetagebuche einer Süddeutschen.
Das schweigende ernste Augsburg mit seinen stolzen Giebeln
wahrt einen Schatz, an dem man meist ahnungslos vorübergeht: das
ehemalige Kloster, jetzt Gemäldegalerie, in welchem der Conservator
Eigner sein Wesen treibt. Er hat das Genie seines Handwerks —,
man darf ihm nur in die gescheidten großen braunen Augen sehen.
Das Aufzährende, Thätige gibt sich gleich kund. Alles Hai er aus
sich herausgelernt. Sein Geburtsort ist Amberg. Er muß doch in
einer besondern Verwandtschaft mit der Kunst stehen, dieser Conser¬
vator oder Inspektor, wie sie ihn nennen. Sein Leben mit und un¬
ter den alten Bildern hat etwas ganz Eigenthümliches, für mich fast
Mystisches. Es ist eine Art Verhältniß, in welchem er sich zu
ihnen befindet, eine Liebe zu einander, denn solches Verstehen ist im¬
mer Liebe. Wie wunderbar dieser geistige Funken, diese tiefe Sym¬
pathie mit dem Ideale, diese ahnungsvolle Treue für die Schönheit,
in die Seele eines Kindes gesenkt, das in dunkler kümmerlicher Um¬
gebung, in einem nördlich nüchternen Städtlein geboren, mit dem
ganzen Himmel des Morgenlands in der Seele, und von der Wiege
an durch geheime Feengabe schon bestimmt war, der Schildknappe
so hoher Meister zu sein, welche Jahrhunderte vor ihm lebten! Wie
freudig das Genie in seiner Schöpferherrlichkeit! Wie rührend aber,
wenn es einmal, sich selbst unbewußt, ganz Liebe und Demuth, selbst-
verläugnend kommt, sich nur an fremde Größe zu schmiegen, ihr zu
dienen, die aber zuletzt doch immer die eigne bleibt; denn aller Genius
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |