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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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und ein halb proceutigeS Anlehen von I50M0 Fi. E.-Mze., wel¬
ches die Stadt Prag vor Kurzem mit diesem Banquicrhause mgozirte.

Die Versammlungen wegen Verth eilung der eingelaufenen
Beiträge finden fast täglich unter dem Vorsitze des Erzherzogs Ste¬
phans statt, der in diesen trüben Tagen erst recht der Mann des
Volkes wurde. Sämmtliche Kreishauptleute waren diese Woche hier
und berathschlagten gleich unter Vorsitz des Erzherzogs über die geeig¬
R. v. W. netsten Maßregeln.


VI.
Ans Düsseldorf.
Lessing's "Huß" und Hübners zweites Bild die "schlesischen Wehe,-."

Eine interessante neue Erscheinung hatten wir dieser Tage vor
Augen: Lessing hat seinen "Huß" zum zweiten Male gemalt, und
zwar mit einigen nicht unwesentlichen Veränderungen. Die Composi-
tion blieb natürlich dieselbe, wie auf dem Bilde im Städel'schen In¬
stitute zu Frankfurt, aber der Meister hat die Wirkung des Ganzen
durch verstärkte Charakteristik der meisten Köpfe bedeutend gehoben.
Durch feinere Ausführung der Züge ist der Ausdruck des Fanatismus,
der Intoleranz, des pflegmatifchen Jndifferentismus und der Verstockt¬
heit auf der einen Seite, sowie der aufmerksamen Theilnahme und des
Mitleidens auf der andern Seite in den Köpfen der Richter weit schär¬
fer hervorgetreten. Huß selbst trägt mehr das Gepräge der innern
Ueberzeugung und Begeisterung auf der Stirn, während in dem ersten
Bilde mehr Gram und körperliche Schwache auf feinem Gesichte zu
lesen ist. Wer, wie Referent, das erste Gemälde in allen Einzelheiten
genau betrachtet hatte, konnte sich bei dem Anblick dieses zweiten Ori¬
ginals ganz in den Geist des Künstlers hineindenken, wo es denn klar
ersichtlich war, daß die Ereignisse der neuesten Zeit viel zu der verän¬
derten Ausfassung beigetragen haben. Dem gegenwärtigen Bilde ver¬
leiht außer den Veränderungen auch die weit größere Wirkung der
Farbe einen besondern Reiz.

Es ist das erste Mal, daß Lessing ein Kunstwerk wiederholt, --
diesmal war es nöthig, um die längst erwartete Vervielfältigung mög¬
lich zu machen. Die Verlagshandlung von Buddeus läßt nach diesem
zweiten Bilde vom Lithographen Wilde in Berlin eine Steinzeichnung
machen, und bis Ende dieses Jahres werden wir eins der schönsten
Kunstwerke neuerer Zeit in den Zimmern aller Freunde der Kunst und
Aufklärung wiederfinden.

Unser Carl Hübner hat so eben ein zweites Bild aus der Ge¬
schichte der schlesischen Weber vollendet; diesmal das Innere einer
Hütte, den Aufenthalt des Elends, darstellend. Frost und Hunger
herrschen darin, die beiden furchtbarsten Feinde des Lebens. Der große


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und ein halb proceutigeS Anlehen von I50M0 Fi. E.-Mze., wel¬
ches die Stadt Prag vor Kurzem mit diesem Banquicrhause mgozirte.

Die Versammlungen wegen Verth eilung der eingelaufenen
Beiträge finden fast täglich unter dem Vorsitze des Erzherzogs Ste¬
phans statt, der in diesen trüben Tagen erst recht der Mann des
Volkes wurde. Sämmtliche Kreishauptleute waren diese Woche hier
und berathschlagten gleich unter Vorsitz des Erzherzogs über die geeig¬
R. v. W. netsten Maßregeln.


VI.
Ans Düsseldorf.
Lessing's „Huß" und Hübners zweites Bild die „schlesischen Wehe,-."

Eine interessante neue Erscheinung hatten wir dieser Tage vor
Augen: Lessing hat seinen „Huß" zum zweiten Male gemalt, und
zwar mit einigen nicht unwesentlichen Veränderungen. Die Composi-
tion blieb natürlich dieselbe, wie auf dem Bilde im Städel'schen In¬
stitute zu Frankfurt, aber der Meister hat die Wirkung des Ganzen
durch verstärkte Charakteristik der meisten Köpfe bedeutend gehoben.
Durch feinere Ausführung der Züge ist der Ausdruck des Fanatismus,
der Intoleranz, des pflegmatifchen Jndifferentismus und der Verstockt¬
heit auf der einen Seite, sowie der aufmerksamen Theilnahme und des
Mitleidens auf der andern Seite in den Köpfen der Richter weit schär¬
fer hervorgetreten. Huß selbst trägt mehr das Gepräge der innern
Ueberzeugung und Begeisterung auf der Stirn, während in dem ersten
Bilde mehr Gram und körperliche Schwache auf feinem Gesichte zu
lesen ist. Wer, wie Referent, das erste Gemälde in allen Einzelheiten
genau betrachtet hatte, konnte sich bei dem Anblick dieses zweiten Ori¬
ginals ganz in den Geist des Künstlers hineindenken, wo es denn klar
ersichtlich war, daß die Ereignisse der neuesten Zeit viel zu der verän¬
derten Ausfassung beigetragen haben. Dem gegenwärtigen Bilde ver¬
leiht außer den Veränderungen auch die weit größere Wirkung der
Farbe einen besondern Reiz.

Es ist das erste Mal, daß Lessing ein Kunstwerk wiederholt, —
diesmal war es nöthig, um die längst erwartete Vervielfältigung mög¬
lich zu machen. Die Verlagshandlung von Buddeus läßt nach diesem
zweiten Bilde vom Lithographen Wilde in Berlin eine Steinzeichnung
machen, und bis Ende dieses Jahres werden wir eins der schönsten
Kunstwerke neuerer Zeit in den Zimmern aller Freunde der Kunst und
Aufklärung wiederfinden.

Unser Carl Hübner hat so eben ein zweites Bild aus der Ge¬
schichte der schlesischen Weber vollendet; diesmal das Innere einer
Hütte, den Aufenthalt des Elends, darstellend. Frost und Hunger
herrschen darin, die beiden furchtbarsten Feinde des Lebens. Der große


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[0243] und ein halb proceutigeS Anlehen von I50M0 Fi. E.-Mze., wel¬ ches die Stadt Prag vor Kurzem mit diesem Banquicrhause mgozirte. Die Versammlungen wegen Verth eilung der eingelaufenen Beiträge finden fast täglich unter dem Vorsitze des Erzherzogs Ste¬ phans statt, der in diesen trüben Tagen erst recht der Mann des Volkes wurde. Sämmtliche Kreishauptleute waren diese Woche hier und berathschlagten gleich unter Vorsitz des Erzherzogs über die geeig¬ R. v. W. netsten Maßregeln. VI. Ans Düsseldorf. Lessing's „Huß" und Hübners zweites Bild die „schlesischen Wehe,-." Eine interessante neue Erscheinung hatten wir dieser Tage vor Augen: Lessing hat seinen „Huß" zum zweiten Male gemalt, und zwar mit einigen nicht unwesentlichen Veränderungen. Die Composi- tion blieb natürlich dieselbe, wie auf dem Bilde im Städel'schen In¬ stitute zu Frankfurt, aber der Meister hat die Wirkung des Ganzen durch verstärkte Charakteristik der meisten Köpfe bedeutend gehoben. Durch feinere Ausführung der Züge ist der Ausdruck des Fanatismus, der Intoleranz, des pflegmatifchen Jndifferentismus und der Verstockt¬ heit auf der einen Seite, sowie der aufmerksamen Theilnahme und des Mitleidens auf der andern Seite in den Köpfen der Richter weit schär¬ fer hervorgetreten. Huß selbst trägt mehr das Gepräge der innern Ueberzeugung und Begeisterung auf der Stirn, während in dem ersten Bilde mehr Gram und körperliche Schwache auf feinem Gesichte zu lesen ist. Wer, wie Referent, das erste Gemälde in allen Einzelheiten genau betrachtet hatte, konnte sich bei dem Anblick dieses zweiten Ori¬ ginals ganz in den Geist des Künstlers hineindenken, wo es denn klar ersichtlich war, daß die Ereignisse der neuesten Zeit viel zu der verän¬ derten Ausfassung beigetragen haben. Dem gegenwärtigen Bilde ver¬ leiht außer den Veränderungen auch die weit größere Wirkung der Farbe einen besondern Reiz. Es ist das erste Mal, daß Lessing ein Kunstwerk wiederholt, — diesmal war es nöthig, um die längst erwartete Vervielfältigung mög¬ lich zu machen. Die Verlagshandlung von Buddeus läßt nach diesem zweiten Bilde vom Lithographen Wilde in Berlin eine Steinzeichnung machen, und bis Ende dieses Jahres werden wir eins der schönsten Kunstwerke neuerer Zeit in den Zimmern aller Freunde der Kunst und Aufklärung wiederfinden. Unser Carl Hübner hat so eben ein zweites Bild aus der Ge¬ schichte der schlesischen Weber vollendet; diesmal das Innere einer Hütte, den Aufenthalt des Elends, darstellend. Frost und Hunger herrschen darin, die beiden furchtbarsten Feinde des Lebens. Der große 31 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/243>, abgerufen am 27.04.2024.