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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Zur Geschichte deutschen Gerichtswesens
(Mittheilung?" aus den Protokollen eines oberschwäbischen Klosters.)
Von Sigmund Schott.



Dritte und letzte Abtheilung.

Daß pas M'sche Militär durch den Stock regiert wurde, versteht
sich von selbst. Auch das Reiten auf einem hölzernen Esel ist ein Straf¬
mittel. 1792 wird eilt Contingentsreiter, "weil er Hand an sein Ge¬
wehr gelegt, sohin sein Schnupftuch zerrissen, die Hälfte davon sei¬
nem Kameraden Ströbeln mit dem Ausdruck: hier will ich Dir zei¬
gen, was bei Soldaten der Brauch ist! hingeboten und also da¬
durch ihm ein Herausforderungszeichcn gegeben hat," verurtheilt,
eine Stunde lang den Sattel zu tragen. Schon oben haben wir
übrigens gesehen, daß das M'sche Militair zugleich als Gensd'ar-
merie dient, um z. B. die Leute aus den Wirthshäusern in die
Kirche zu schaffen. Auf gewisse Regeln deS Auslandes hielt man
steif und fest. Schon die Sprache der Protokolle weist darauf hin.
Besonders mit dem Worte Salon, venin, trieb man ordentlich Lurus;
z. B. s. v. Kuh, s. v. Füße, s. v. Hemd. Bereits 1703 wird die
anstößige Rede eines Injurianten dahin umschrieben, er habe "der
ganzen Gemainde eine nicht allerdings saubere Arbevth andictieren
wollen." Ueberall wimmelt es von Merkmalen, wie sehr man ans
formelle Ehrbarkeit hielt. Wirklich belustigend aber wird dieser
Comment im Zunftwesen, auf das wir überhaupt jetzt übergehen
wollen. Dasselbe scheint eine besonders üppige Blüthe in den 1720er
Jahren gehabt zu haben. Die Zunftmeister setzten für jede Kleinig¬
keit bedeutende Geldstrafen und zu deren Vertrinkung blaue Montage
an. Als es gar zu arg wurde, schritt die Herrschaft ein; die Hand¬
werker protestirten aber; an ihrer Spitze krakeelte besonders ein
Schmiedegcselle: "die Pfaffenzunft habe ihrer Zunft nichts zu befeh-


Zur Geschichte deutschen Gerichtswesens
(Mittheilung?» aus den Protokollen eines oberschwäbischen Klosters.)
Von Sigmund Schott.



Dritte und letzte Abtheilung.

Daß pas M'sche Militär durch den Stock regiert wurde, versteht
sich von selbst. Auch das Reiten auf einem hölzernen Esel ist ein Straf¬
mittel. 1792 wird eilt Contingentsreiter, „weil er Hand an sein Ge¬
wehr gelegt, sohin sein Schnupftuch zerrissen, die Hälfte davon sei¬
nem Kameraden Ströbeln mit dem Ausdruck: hier will ich Dir zei¬
gen, was bei Soldaten der Brauch ist! hingeboten und also da¬
durch ihm ein Herausforderungszeichcn gegeben hat," verurtheilt,
eine Stunde lang den Sattel zu tragen. Schon oben haben wir
übrigens gesehen, daß das M'sche Militair zugleich als Gensd'ar-
merie dient, um z. B. die Leute aus den Wirthshäusern in die
Kirche zu schaffen. Auf gewisse Regeln deS Auslandes hielt man
steif und fest. Schon die Sprache der Protokolle weist darauf hin.
Besonders mit dem Worte Salon, venin, trieb man ordentlich Lurus;
z. B. s. v. Kuh, s. v. Füße, s. v. Hemd. Bereits 1703 wird die
anstößige Rede eines Injurianten dahin umschrieben, er habe „der
ganzen Gemainde eine nicht allerdings saubere Arbevth andictieren
wollen." Ueberall wimmelt es von Merkmalen, wie sehr man ans
formelle Ehrbarkeit hielt. Wirklich belustigend aber wird dieser
Comment im Zunftwesen, auf das wir überhaupt jetzt übergehen
wollen. Dasselbe scheint eine besonders üppige Blüthe in den 1720er
Jahren gehabt zu haben. Die Zunftmeister setzten für jede Kleinig¬
keit bedeutende Geldstrafen und zu deren Vertrinkung blaue Montage
an. Als es gar zu arg wurde, schritt die Herrschaft ein; die Hand¬
werker protestirten aber; an ihrer Spitze krakeelte besonders ein
Schmiedegcselle: „die Pfaffenzunft habe ihrer Zunft nichts zu befeh-


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[0256] Zur Geschichte deutschen Gerichtswesens (Mittheilung?» aus den Protokollen eines oberschwäbischen Klosters.) Von Sigmund Schott. Dritte und letzte Abtheilung. Daß pas M'sche Militär durch den Stock regiert wurde, versteht sich von selbst. Auch das Reiten auf einem hölzernen Esel ist ein Straf¬ mittel. 1792 wird eilt Contingentsreiter, „weil er Hand an sein Ge¬ wehr gelegt, sohin sein Schnupftuch zerrissen, die Hälfte davon sei¬ nem Kameraden Ströbeln mit dem Ausdruck: hier will ich Dir zei¬ gen, was bei Soldaten der Brauch ist! hingeboten und also da¬ durch ihm ein Herausforderungszeichcn gegeben hat," verurtheilt, eine Stunde lang den Sattel zu tragen. Schon oben haben wir übrigens gesehen, daß das M'sche Militair zugleich als Gensd'ar- merie dient, um z. B. die Leute aus den Wirthshäusern in die Kirche zu schaffen. Auf gewisse Regeln deS Auslandes hielt man steif und fest. Schon die Sprache der Protokolle weist darauf hin. Besonders mit dem Worte Salon, venin, trieb man ordentlich Lurus; z. B. s. v. Kuh, s. v. Füße, s. v. Hemd. Bereits 1703 wird die anstößige Rede eines Injurianten dahin umschrieben, er habe „der ganzen Gemainde eine nicht allerdings saubere Arbevth andictieren wollen." Ueberall wimmelt es von Merkmalen, wie sehr man ans formelle Ehrbarkeit hielt. Wirklich belustigend aber wird dieser Comment im Zunftwesen, auf das wir überhaupt jetzt übergehen wollen. Dasselbe scheint eine besonders üppige Blüthe in den 1720er Jahren gehabt zu haben. Die Zunftmeister setzten für jede Kleinig¬ keit bedeutende Geldstrafen und zu deren Vertrinkung blaue Montage an. Als es gar zu arg wurde, schritt die Herrschaft ein; die Hand¬ werker protestirten aber; an ihrer Spitze krakeelte besonders ein Schmiedegcselle: „die Pfaffenzunft habe ihrer Zunft nichts zu befeh-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/256>, abgerufen am 27.04.2024.