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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Ich hätte um noch den dritten Punkt auszuführen, indem ich
zeige, daß die Schriftsteller über den Jesuitismus das Volk irre lei¬
ten. Da ich aber nur schon zu vielen Raum in Anspruch genommen
habe, und Jever aus dem Obigen sich leicht selbst die Elemente zu
dieser Erörterung wird herausnehmen können, so will ich nur noch
Eines bemerken.

Man will das Volk aufklären, zur Erkenntniß der Wahrheit
anleiten und man macht ihm weiß, Alle, welche die Lehren der rö¬
mischen Kirche unbedingt annehmen, müßten Dummköpfe und Wahn¬
sinnige, oder Heuchler und Schurken sein (z. B. auch Schuselka).
Man will Einheit, Duldsamkeit und Verträglichkeit stiften, und man
appellirt an die Leidenschaften des Volkes. Man will Bildung,
Selbstbeherrschung, Einsicht verbreiten, und man wirft mit den albern¬
sten Märchen, mit den abscheulichsten Lügen, mit den phantastischsten
Einfällen, mit den maßlosesten Verdächtigungen und Wuthausbrüchen
um sich.

Hütet euch, ihr Herren. Die Waffe kann sich morgen umkeh¬
ren. Der Feind kann über Nacht Unkraut unter euern Wciizen säen.
Und der Pöbel, den ihr heute gegen die Jesuiten hetzt, kann morgen
von den Jesuiten gegen euch gehetzt werden.

vixi et Lillvilvi imimum meiun.


Gustav Julius.


Anmerkung der Redaction.

Man wird hoffentlich den vorstehenden Aufsatz nicht von einem falschen
Standpunkte auffassen. Der (protestantische) Verfasser desselben, Herr G.
Julius, der als früherer Redacteur der Leipziger allgemeinen Zeitung und als
Hauptmitarbeiter der Wigand'schen Vierteljahresschrift seine Richtung docu-
mentirt hat, ist so eben mit der Herausgabe einer Geschichte des Jesuitenor¬
dens beschäftigt. Die beiden ersten Hefte, die bereits erschienen sind (Leipzig,
bei Naumburg), tragen den Stempel langer Vorstudien an sich. Seine Mei¬
nung über die neueste Jesuitenliteratur erscheint daher von doppelter Wichtig¬
keit, sowohl als Urtheil eines mit dem Gegenstande tief vertrauten Autors, wie
als Auffassungsweise eines Stimmführers der philosophisch - radikalen Schule.
Wir sehen voraus, daß dieser Aufsatz, der einige unserer rührigsten Publi-
cisten angreift, mannigfache heftige Entgegnungen finden wird. Wir werden
uns aber nur freuen, dieselben angeregt zu haben, da eine Polemik im Interesse
der Wissenschaft und der geschichtlichen Wahrheit einer jeden guten Sache nur
zur Forderung gereichen kann.




Grenzliotcn 1845. II.3!1

Ich hätte um noch den dritten Punkt auszuführen, indem ich
zeige, daß die Schriftsteller über den Jesuitismus das Volk irre lei¬
ten. Da ich aber nur schon zu vielen Raum in Anspruch genommen
habe, und Jever aus dem Obigen sich leicht selbst die Elemente zu
dieser Erörterung wird herausnehmen können, so will ich nur noch
Eines bemerken.

Man will das Volk aufklären, zur Erkenntniß der Wahrheit
anleiten und man macht ihm weiß, Alle, welche die Lehren der rö¬
mischen Kirche unbedingt annehmen, müßten Dummköpfe und Wahn¬
sinnige, oder Heuchler und Schurken sein (z. B. auch Schuselka).
Man will Einheit, Duldsamkeit und Verträglichkeit stiften, und man
appellirt an die Leidenschaften des Volkes. Man will Bildung,
Selbstbeherrschung, Einsicht verbreiten, und man wirft mit den albern¬
sten Märchen, mit den abscheulichsten Lügen, mit den phantastischsten
Einfällen, mit den maßlosesten Verdächtigungen und Wuthausbrüchen
um sich.

Hütet euch, ihr Herren. Die Waffe kann sich morgen umkeh¬
ren. Der Feind kann über Nacht Unkraut unter euern Wciizen säen.
Und der Pöbel, den ihr heute gegen die Jesuiten hetzt, kann morgen
von den Jesuiten gegen euch gehetzt werden.

vixi et Lillvilvi imimum meiun.


Gustav Julius.


Anmerkung der Redaction.

Man wird hoffentlich den vorstehenden Aufsatz nicht von einem falschen
Standpunkte auffassen. Der (protestantische) Verfasser desselben, Herr G.
Julius, der als früherer Redacteur der Leipziger allgemeinen Zeitung und als
Hauptmitarbeiter der Wigand'schen Vierteljahresschrift seine Richtung docu-
mentirt hat, ist so eben mit der Herausgabe einer Geschichte des Jesuitenor¬
dens beschäftigt. Die beiden ersten Hefte, die bereits erschienen sind (Leipzig,
bei Naumburg), tragen den Stempel langer Vorstudien an sich. Seine Mei¬
nung über die neueste Jesuitenliteratur erscheint daher von doppelter Wichtig¬
keit, sowohl als Urtheil eines mit dem Gegenstande tief vertrauten Autors, wie
als Auffassungsweise eines Stimmführers der philosophisch - radikalen Schule.
Wir sehen voraus, daß dieser Aufsatz, der einige unserer rührigsten Publi-
cisten angreift, mannigfache heftige Entgegnungen finden wird. Wir werden
uns aber nur freuen, dieselben angeregt zu haben, da eine Polemik im Interesse
der Wissenschaft und der geschichtlichen Wahrheit einer jeden guten Sache nur
zur Forderung gereichen kann.




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[0305] Ich hätte um noch den dritten Punkt auszuführen, indem ich zeige, daß die Schriftsteller über den Jesuitismus das Volk irre lei¬ ten. Da ich aber nur schon zu vielen Raum in Anspruch genommen habe, und Jever aus dem Obigen sich leicht selbst die Elemente zu dieser Erörterung wird herausnehmen können, so will ich nur noch Eines bemerken. Man will das Volk aufklären, zur Erkenntniß der Wahrheit anleiten und man macht ihm weiß, Alle, welche die Lehren der rö¬ mischen Kirche unbedingt annehmen, müßten Dummköpfe und Wahn¬ sinnige, oder Heuchler und Schurken sein (z. B. auch Schuselka). Man will Einheit, Duldsamkeit und Verträglichkeit stiften, und man appellirt an die Leidenschaften des Volkes. Man will Bildung, Selbstbeherrschung, Einsicht verbreiten, und man wirft mit den albern¬ sten Märchen, mit den abscheulichsten Lügen, mit den phantastischsten Einfällen, mit den maßlosesten Verdächtigungen und Wuthausbrüchen um sich. Hütet euch, ihr Herren. Die Waffe kann sich morgen umkeh¬ ren. Der Feind kann über Nacht Unkraut unter euern Wciizen säen. Und der Pöbel, den ihr heute gegen die Jesuiten hetzt, kann morgen von den Jesuiten gegen euch gehetzt werden. vixi et Lillvilvi imimum meiun. Gustav Julius. Anmerkung der Redaction. Man wird hoffentlich den vorstehenden Aufsatz nicht von einem falschen Standpunkte auffassen. Der (protestantische) Verfasser desselben, Herr G. Julius, der als früherer Redacteur der Leipziger allgemeinen Zeitung und als Hauptmitarbeiter der Wigand'schen Vierteljahresschrift seine Richtung docu- mentirt hat, ist so eben mit der Herausgabe einer Geschichte des Jesuitenor¬ dens beschäftigt. Die beiden ersten Hefte, die bereits erschienen sind (Leipzig, bei Naumburg), tragen den Stempel langer Vorstudien an sich. Seine Mei¬ nung über die neueste Jesuitenliteratur erscheint daher von doppelter Wichtig¬ keit, sowohl als Urtheil eines mit dem Gegenstande tief vertrauten Autors, wie als Auffassungsweise eines Stimmführers der philosophisch - radikalen Schule. Wir sehen voraus, daß dieser Aufsatz, der einige unserer rührigsten Publi- cisten angreift, mannigfache heftige Entgegnungen finden wird. Wir werden uns aber nur freuen, dieselben angeregt zu haben, da eine Polemik im Interesse der Wissenschaft und der geschichtlichen Wahrheit einer jeden guten Sache nur zur Forderung gereichen kann. Grenzliotcn 1845. II.3!1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/305>, abgerufen am 27.04.2024.