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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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hätten bequem machen dürfen. Als Balling und Leese eintraten,
reichte man ihnen die Hände, schüttelte sie kräftig zum Willkommen
und brachte ihnen weiße Gypspfeifen. Der Regensburger, ein alter,
vielgewanderter Gesell, traf manchen Bekannten hier, und sie erzähl¬
ten sich gegenseitig von ihren Reisen und Schicksalen, wobei den
Gläsern und Krügen tüchtig zugesprochen und weder das Bier noch
der Punsch verschmäht wurde.

Immer lauter, immer seliger ward die Versammlung. Blauer
Tabaksqualm und Dunst erfüllte daS Gemach so dicht, daß die
Lichter nur trübe durchschimmern konnte", und stürmische Gesänge er¬
brausten. Die Gesellen tranken und johlten, so lange ihre Kehlen
es aushielten, was just bis zu dem Augenblick dauerte, wo der letzte
Krug geleert war. Dann gingen oder taumelten sie aus der Her¬
berge, und Bims, der unglückselige Buchbinder, konnte nun endlich
schlafen.




Viertes Capitel.

Am andern Morgen machte unser Parchwitzer sehr sorgfältig
Toilette. Er verbrauchte viel Wasser, um seinen blonden Haaren
einige Glätte beizubringen, der grüne Wachstaffethut wurde sauber
abgewischt und keck auf's Haupt gedrückt. Nun steckte Bims die
saffianene Brieftasche ein und schritt zuerst nach der Polizei, dann
aber that er sich nach einem Meister um. S.chon hatte er vergeblich
an mehrere Thüren geklopft, als er in das Haus des Buchbinders
Trappe eintrat. Dies stand mit seiner niedrigen und schmalen
Front in einer breiten und belebten Straße, recht demüthig zwischen
fünfstöckigen stolzen Gebäuden. Trappe hätte zwar seiner Wohnung
auch noch etliche Stockwerke aufsetzen können, aber er leistete lieber
auf den Miethzins Verzicht, und ließ das liebe Häuschen ganz so,
wie er es von seinen Eltern ererbt hatte. Dem zugewanderten Ge¬
sellen gefiel es hier, und mit größerer Freundlichkeit, als ihm sonst
eigen war, da er es vorzog, sich stets einen gewissen verdrießlichen
Ernst zu bewahren, bar er den Meister um Arbeit.

-- El nun! antwortete Trappe, indem er höflich sein grünes
Saamtkäppchen auf dem Haupte rückte. An Arbeit fehlt es, Gott
sei Dank! nicht, und mein Gesell hat sich vor acht Tagen aus Un-


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hätten bequem machen dürfen. Als Balling und Leese eintraten,
reichte man ihnen die Hände, schüttelte sie kräftig zum Willkommen
und brachte ihnen weiße Gypspfeifen. Der Regensburger, ein alter,
vielgewanderter Gesell, traf manchen Bekannten hier, und sie erzähl¬
ten sich gegenseitig von ihren Reisen und Schicksalen, wobei den
Gläsern und Krügen tüchtig zugesprochen und weder das Bier noch
der Punsch verschmäht wurde.

Immer lauter, immer seliger ward die Versammlung. Blauer
Tabaksqualm und Dunst erfüllte daS Gemach so dicht, daß die
Lichter nur trübe durchschimmern konnte», und stürmische Gesänge er¬
brausten. Die Gesellen tranken und johlten, so lange ihre Kehlen
es aushielten, was just bis zu dem Augenblick dauerte, wo der letzte
Krug geleert war. Dann gingen oder taumelten sie aus der Her¬
berge, und Bims, der unglückselige Buchbinder, konnte nun endlich
schlafen.




Viertes Capitel.

Am andern Morgen machte unser Parchwitzer sehr sorgfältig
Toilette. Er verbrauchte viel Wasser, um seinen blonden Haaren
einige Glätte beizubringen, der grüne Wachstaffethut wurde sauber
abgewischt und keck auf's Haupt gedrückt. Nun steckte Bims die
saffianene Brieftasche ein und schritt zuerst nach der Polizei, dann
aber that er sich nach einem Meister um. S.chon hatte er vergeblich
an mehrere Thüren geklopft, als er in das Haus des Buchbinders
Trappe eintrat. Dies stand mit seiner niedrigen und schmalen
Front in einer breiten und belebten Straße, recht demüthig zwischen
fünfstöckigen stolzen Gebäuden. Trappe hätte zwar seiner Wohnung
auch noch etliche Stockwerke aufsetzen können, aber er leistete lieber
auf den Miethzins Verzicht, und ließ das liebe Häuschen ganz so,
wie er es von seinen Eltern ererbt hatte. Dem zugewanderten Ge¬
sellen gefiel es hier, und mit größerer Freundlichkeit, als ihm sonst
eigen war, da er es vorzog, sich stets einen gewissen verdrießlichen
Ernst zu bewahren, bar er den Meister um Arbeit.

— El nun! antwortete Trappe, indem er höflich sein grünes
Saamtkäppchen auf dem Haupte rückte. An Arbeit fehlt es, Gott
sei Dank! nicht, und mein Gesell hat sich vor acht Tagen aus Un-


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[0347] hätten bequem machen dürfen. Als Balling und Leese eintraten, reichte man ihnen die Hände, schüttelte sie kräftig zum Willkommen und brachte ihnen weiße Gypspfeifen. Der Regensburger, ein alter, vielgewanderter Gesell, traf manchen Bekannten hier, und sie erzähl¬ ten sich gegenseitig von ihren Reisen und Schicksalen, wobei den Gläsern und Krügen tüchtig zugesprochen und weder das Bier noch der Punsch verschmäht wurde. Immer lauter, immer seliger ward die Versammlung. Blauer Tabaksqualm und Dunst erfüllte daS Gemach so dicht, daß die Lichter nur trübe durchschimmern konnte», und stürmische Gesänge er¬ brausten. Die Gesellen tranken und johlten, so lange ihre Kehlen es aushielten, was just bis zu dem Augenblick dauerte, wo der letzte Krug geleert war. Dann gingen oder taumelten sie aus der Her¬ berge, und Bims, der unglückselige Buchbinder, konnte nun endlich schlafen. Viertes Capitel. Am andern Morgen machte unser Parchwitzer sehr sorgfältig Toilette. Er verbrauchte viel Wasser, um seinen blonden Haaren einige Glätte beizubringen, der grüne Wachstaffethut wurde sauber abgewischt und keck auf's Haupt gedrückt. Nun steckte Bims die saffianene Brieftasche ein und schritt zuerst nach der Polizei, dann aber that er sich nach einem Meister um. S.chon hatte er vergeblich an mehrere Thüren geklopft, als er in das Haus des Buchbinders Trappe eintrat. Dies stand mit seiner niedrigen und schmalen Front in einer breiten und belebten Straße, recht demüthig zwischen fünfstöckigen stolzen Gebäuden. Trappe hätte zwar seiner Wohnung auch noch etliche Stockwerke aufsetzen können, aber er leistete lieber auf den Miethzins Verzicht, und ließ das liebe Häuschen ganz so, wie er es von seinen Eltern ererbt hatte. Dem zugewanderten Ge¬ sellen gefiel es hier, und mit größerer Freundlichkeit, als ihm sonst eigen war, da er es vorzog, sich stets einen gewissen verdrießlichen Ernst zu bewahren, bar er den Meister um Arbeit. — El nun! antwortete Trappe, indem er höflich sein grünes Saamtkäppchen auf dem Haupte rückte. An Arbeit fehlt es, Gott sei Dank! nicht, und mein Gesell hat sich vor acht Tagen aus Un- 44.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/347>, abgerufen am 27.04.2024.