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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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wie Spinngewebe, und es zerreiße noch mehr, wenn man es aus¬
bessern wolle. Gott wache über die Bündnisse der Menschen, und
nur seine Macht könne die Fäden lösen, sobald sie untauglich seien.

Wohl erkannte Helmuth die Wahrheit dieser Worte, doch sie
beruhigten ihn nicht. Eine unerklärbare Angst lastete auf ihm, eS
war ihm zuweilen, als ob er ein schweres Verbrechen begangen habe.
Der Prediger reifte endlich ab, er hatte keinen Grund, Trappe's
Haus noch ferner zu besuchen, und nun hielt er es nicht länger aus
in der Stadt. Er gab vor, daß wichtige Geschäfte ihn auf die Gü¬
ter riefen, nahm von Frau von Milbenrüssel und Athanasia Abschied,
und ein leichter Wagen trug ihn nach Birkenwerder hin.




Siebentes Capitel.

Eines nebligen Morgens lief Herr Puyke, der mit Material¬
waaren und Lotterieloosen handelte, athemlos durch die Straßen von
Seebrück, und kam vor lauter Hast in Trappe'S Werkstätte hinein¬
gefallen. Dabei faßte er mit der rechten Hand an den heißen Leim¬
tiegel, verbrannte sich und schrie vor Schmerz.

-- El, Du mein Himmel, was gibt es denn? fragte Bims
verwundert.

-- Ach, lieber Herr Bims ... der infame Leimtiegel!... Er¬
schrecken Sie sich nur nicht!... Ich habe mir die ganze Hand ver¬
brannt! -- So rief Pu^ke, während er sich vom Boden empor¬
arbeitete.

-- Nun, daraus werde der Teufel klug! rief der Gesell, und
fing wieder an zu heften.

-- Der Teufel? sagte jener. Nein, Sie selbst werden klug,
denn Glück gibt Verstand, heißt es im Sprichwort. Ach, das un¬
geheure Glück! Erschrecken Sie nur nicht, Herr Bims ... Sie ha¬
ben das große Loos gewonnen!

Und es war wirklich so. Fortuna, die launische Göttin, die
nicht blos blind, sondern überhaupt schwachsinnig ist, hatte ihr vol¬
les Füllhorn auf den Buchbinder ausgeschüttet. Wonach Tausende
vergeblich ringen, das fiel ihm unerwartet in den Schooß, und er
nahm es eben so ruhig hin, wie die Verlobung mit Georginen. Bims
macht" nämlich eine Miene dazu, als ob das alles der nothwendige


wie Spinngewebe, und es zerreiße noch mehr, wenn man es aus¬
bessern wolle. Gott wache über die Bündnisse der Menschen, und
nur seine Macht könne die Fäden lösen, sobald sie untauglich seien.

Wohl erkannte Helmuth die Wahrheit dieser Worte, doch sie
beruhigten ihn nicht. Eine unerklärbare Angst lastete auf ihm, eS
war ihm zuweilen, als ob er ein schweres Verbrechen begangen habe.
Der Prediger reifte endlich ab, er hatte keinen Grund, Trappe's
Haus noch ferner zu besuchen, und nun hielt er es nicht länger aus
in der Stadt. Er gab vor, daß wichtige Geschäfte ihn auf die Gü¬
ter riefen, nahm von Frau von Milbenrüssel und Athanasia Abschied,
und ein leichter Wagen trug ihn nach Birkenwerder hin.




Siebentes Capitel.

Eines nebligen Morgens lief Herr Puyke, der mit Material¬
waaren und Lotterieloosen handelte, athemlos durch die Straßen von
Seebrück, und kam vor lauter Hast in Trappe'S Werkstätte hinein¬
gefallen. Dabei faßte er mit der rechten Hand an den heißen Leim¬
tiegel, verbrannte sich und schrie vor Schmerz.

— El, Du mein Himmel, was gibt es denn? fragte Bims
verwundert.

— Ach, lieber Herr Bims ... der infame Leimtiegel!... Er¬
schrecken Sie sich nur nicht!... Ich habe mir die ganze Hand ver¬
brannt! — So rief Pu^ke, während er sich vom Boden empor¬
arbeitete.

— Nun, daraus werde der Teufel klug! rief der Gesell, und
fing wieder an zu heften.

— Der Teufel? sagte jener. Nein, Sie selbst werden klug,
denn Glück gibt Verstand, heißt es im Sprichwort. Ach, das un¬
geheure Glück! Erschrecken Sie nur nicht, Herr Bims ... Sie ha¬
ben das große Loos gewonnen!

Und es war wirklich so. Fortuna, die launische Göttin, die
nicht blos blind, sondern überhaupt schwachsinnig ist, hatte ihr vol¬
les Füllhorn auf den Buchbinder ausgeschüttet. Wonach Tausende
vergeblich ringen, das fiel ihm unerwartet in den Schooß, und er
nahm es eben so ruhig hin, wie die Verlobung mit Georginen. Bims
macht« nämlich eine Miene dazu, als ob das alles der nothwendige


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[0397] wie Spinngewebe, und es zerreiße noch mehr, wenn man es aus¬ bessern wolle. Gott wache über die Bündnisse der Menschen, und nur seine Macht könne die Fäden lösen, sobald sie untauglich seien. Wohl erkannte Helmuth die Wahrheit dieser Worte, doch sie beruhigten ihn nicht. Eine unerklärbare Angst lastete auf ihm, eS war ihm zuweilen, als ob er ein schweres Verbrechen begangen habe. Der Prediger reifte endlich ab, er hatte keinen Grund, Trappe's Haus noch ferner zu besuchen, und nun hielt er es nicht länger aus in der Stadt. Er gab vor, daß wichtige Geschäfte ihn auf die Gü¬ ter riefen, nahm von Frau von Milbenrüssel und Athanasia Abschied, und ein leichter Wagen trug ihn nach Birkenwerder hin. Siebentes Capitel. Eines nebligen Morgens lief Herr Puyke, der mit Material¬ waaren und Lotterieloosen handelte, athemlos durch die Straßen von Seebrück, und kam vor lauter Hast in Trappe'S Werkstätte hinein¬ gefallen. Dabei faßte er mit der rechten Hand an den heißen Leim¬ tiegel, verbrannte sich und schrie vor Schmerz. — El, Du mein Himmel, was gibt es denn? fragte Bims verwundert. — Ach, lieber Herr Bims ... der infame Leimtiegel!... Er¬ schrecken Sie sich nur nicht!... Ich habe mir die ganze Hand ver¬ brannt! — So rief Pu^ke, während er sich vom Boden empor¬ arbeitete. — Nun, daraus werde der Teufel klug! rief der Gesell, und fing wieder an zu heften. — Der Teufel? sagte jener. Nein, Sie selbst werden klug, denn Glück gibt Verstand, heißt es im Sprichwort. Ach, das un¬ geheure Glück! Erschrecken Sie nur nicht, Herr Bims ... Sie ha¬ ben das große Loos gewonnen! Und es war wirklich so. Fortuna, die launische Göttin, die nicht blos blind, sondern überhaupt schwachsinnig ist, hatte ihr vol¬ les Füllhorn auf den Buchbinder ausgeschüttet. Wonach Tausende vergeblich ringen, das fiel ihm unerwartet in den Schooß, und er nahm es eben so ruhig hin, wie die Verlobung mit Georginen. Bims macht« nämlich eine Miene dazu, als ob das alles der nothwendige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/397>, abgerufen am 27.04.2024.