Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.T a g e b u es. i. Aus B r e S l a n. Wachsthum der Stadt. -- Der Wollmarkt. -- Ueberraschung und wieder Ueberraschung. -- Wiederauftauchen Joel Jacoby's. -- Theater. Wenn man sieht, wie Breslau sich in seinen Neubauten immer T a g e b u es. i. Aus B r e S l a n. Wachsthum der Stadt. — Der Wollmarkt. — Ueberraschung und wieder Ueberraschung. — Wiederauftauchen Joel Jacoby's. — Theater. Wenn man sieht, wie Breslau sich in seinen Neubauten immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270475"/> </div> <div n="1"> <head> T a g e b u es.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i.<lb/> Aus B r e S l a n.</head><lb/> <note type="argument"> Wachsthum der Stadt. — Der Wollmarkt. — Ueberraschung und wieder<lb/> Ueberraschung. — Wiederauftauchen Joel Jacoby's. — Theater.</note><lb/> <p xml:id="ID_1193" next="#ID_1194"> Wenn man sieht, wie Breslau sich in seinen Neubauten immer<lb/> weiter ausdehnt und jede Straße, wie der Hirsch sein Geweih, jähr¬<lb/> lich wenigstens um eine Jacke zunehmen läßt, wenn man ferner sieht,<lb/> daß alle diese neuen prachtvollen Hauser von der untersten Mansarde<lb/> bis zur obersten Dachstube bewohnt sind; so muß man sich erstaunt<lb/> fragen: wo kommen all' die Bewohner all' dieser Wohnungen her?<lb/> Ist dieses in immer weiteren Kreisen Hinansflutende Stadtleben nur<lb/> eine Folge der früheren Einpferchung, des mittelalterlichen Uebcreinan-<lb/> derhockens? Freilich macht man heute mehr Ansprüche an die Be¬<lb/> quemlichkeit, den Comfort, und begnügt sich nicht mehr mit einer pa¬<lb/> triarchalischen Familienstube. Aber dieser Umstand kann die alleinige<lb/> Ursache von der Ausdehnung des städtischen Lebens nicht sein; denn<lb/> die Geschäftigkeit der Altstadt hat gegen früher nichts eingebüßt. Liegt's<lb/> daran, daß das Land uns alljährlich so und so viel Einwanderer<lb/> schickt? Es hat allerdings den Anschein, als solle alles Leben ein<lb/> großstadtisches werden, als solle die städtische Prosa der Industrie die<lb/> Poesie der Idylle todthämmern, niederrennen. Aber die Einwanderung<lb/> steht doch in keinem Verhältniß mit dem Anwachsen des städtischen<lb/> Elements. ^ Ich könnte so noch weiter fragen und jede dieser Fra¬<lb/> gen mit einem restringirendcn Aber bejahen, wären der Ursachen nicht<lb/> zu viele, die sich vereinigt, um es Heinrich dem Städtebauer nachzu¬<lb/> thun. Es war mir hier blos um die einfache Erwähnung zu thun,<lb/> daß die Physiognomie Breslaus innerhalb weniger Jahre eine ganz<lb/> andere geworden ist. Lange, breite Straßen mit schönen, palastähn¬<lb/> lichen Gebäuden sind entstanden oder noch im Entstehen begriffen, in¬<lb/> mitten welcher man an das alte, Angeschwärzte Breslau denkt, wie<lb/> an eine alte, langstverklungene Sage. Die Elite des Adels, die Geld-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
T a g e b u es.
i.
Aus B r e S l a n.
Wachsthum der Stadt. — Der Wollmarkt. — Ueberraschung und wieder
Ueberraschung. — Wiederauftauchen Joel Jacoby's. — Theater.
Wenn man sieht, wie Breslau sich in seinen Neubauten immer
weiter ausdehnt und jede Straße, wie der Hirsch sein Geweih, jähr¬
lich wenigstens um eine Jacke zunehmen läßt, wenn man ferner sieht,
daß alle diese neuen prachtvollen Hauser von der untersten Mansarde
bis zur obersten Dachstube bewohnt sind; so muß man sich erstaunt
fragen: wo kommen all' die Bewohner all' dieser Wohnungen her?
Ist dieses in immer weiteren Kreisen Hinansflutende Stadtleben nur
eine Folge der früheren Einpferchung, des mittelalterlichen Uebcreinan-
derhockens? Freilich macht man heute mehr Ansprüche an die Be¬
quemlichkeit, den Comfort, und begnügt sich nicht mehr mit einer pa¬
triarchalischen Familienstube. Aber dieser Umstand kann die alleinige
Ursache von der Ausdehnung des städtischen Lebens nicht sein; denn
die Geschäftigkeit der Altstadt hat gegen früher nichts eingebüßt. Liegt's
daran, daß das Land uns alljährlich so und so viel Einwanderer
schickt? Es hat allerdings den Anschein, als solle alles Leben ein
großstadtisches werden, als solle die städtische Prosa der Industrie die
Poesie der Idylle todthämmern, niederrennen. Aber die Einwanderung
steht doch in keinem Verhältniß mit dem Anwachsen des städtischen
Elements. ^ Ich könnte so noch weiter fragen und jede dieser Fra¬
gen mit einem restringirendcn Aber bejahen, wären der Ursachen nicht
zu viele, die sich vereinigt, um es Heinrich dem Städtebauer nachzu¬
thun. Es war mir hier blos um die einfache Erwähnung zu thun,
daß die Physiognomie Breslaus innerhalb weniger Jahre eine ganz
andere geworden ist. Lange, breite Straßen mit schönen, palastähn¬
lichen Gebäuden sind entstanden oder noch im Entstehen begriffen, in¬
mitten welcher man an das alte, Angeschwärzte Breslau denkt, wie
an eine alte, langstverklungene Sage. Die Elite des Adels, die Geld-
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