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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Der aber antwortet nicht, faßt ihn und zieht ihn auf die Brühlsche
Terrasse, wo schon Alles die beiden Meister erwartet, und ein heiteres
Mal beschließt den stürmevollen Vormittag.

Am Abend desselben Tages überraschte noch ein Fackelzug von we¬
nigstens 8t) Jüngern der Kunst ihre verehrten Meister. Es gibt zwar
Kunstzöpse genug hier, die sich über die verehrungsvolle Aufnahme
Schwinds ärgern; aber -- es sins eben Zöpfe! Die Nichtzöpfe freuen
sich nur darüber. Ueberhaupt weiß man hier keine Geschichtchen von
Künstlerneid, wie er so häusig anderswo vorkommt, und wie er sich
zur Zeit der großen italienischen Kunstperiode oft auf schauderhafte
Weife geoffenbart hat. -- Ist es nicht schön von dem Herrn Bendemann
und Hübner, daß sie ihren ganzen Einfluß für die Berufung Schmorrs
verwendeten? Beim Himmel! man wird nicht so leicht zwei große
Maler finden, welche die Nähe eines dritten großen Rivalen wünschen.
In unserem Theater ist es mäuschenstill; die beiden Devrient und Ma¬
dame Schröder sind auf Reisen, was bleibt uns noch? -- l^us by-m-
G. eam! --


V.
Aus Cöln am Rhein.

Der Journalist am Cölner Dom. -- Dr. Andr<Z nach Bremen. -- Jaurnali-
stische Regimenter. -- Die protestantische Bevölkerung. -- Fvöbcl.

Der Journalistik, der vielgeschmähten und doch so unentbehrlichen,
ruhmlosen und doch so verdienstvollen Magd der Zeit, werden in Deutsch¬
land keine Prämien und keine Monumente zu Theil. Doch weiß ich
auch eine Verewigung derselben. Man rathe, an welchem Ort? Am
Cölner Dom! Den Steinmetzen wird nämlich alle Nebenverzierung,
alles Detail der Ornamente an den Baldachinen, an den vorragenden
Blockenden u. s. w. überlassen; und mit Erstaunen sieht man, wie
kunst- und sinnreich die grobe Hand einfacher Steinmetzen mit dem
Havre'sehen Sandstein umzugehen weiß. Sie schnitzen mit dem Mei-
sel und zuletzt mit dem Federmesser Figuren und Verzierungen, die
der Holzschneider nicht seiner arbeiten könnte. Diese Leute sind keine
Büchermenschen und wissen Nichts von Reflexionen und Ideen; den¬
noch arbeiten sie in ihrer Art recht zeitgemäß. Die Ungeheuer, die
Fratzen und die humoristischen Bilder, die sie am Dom anbringen, tra¬
gen ein unverkennbar modernes Gepräge. Was wird die Nachwelt
sagen, wenn sie an dem heiligen Bau zwischen Drachen, Märtyrern
und Engeln auch eine Schreiberfratze erblickt, im Frack des neunzehn¬
ten Jahrhunderts, mit dem Gänsekiel bewaffnet, wie sie aus dem stei¬
nernen Laubwerk hämisch hervorguckt? Die Journalistik war dem Cöl¬
ner Dombau allerdings nicht überall hold und insofern könnte man
die Illustration für Rache halten. Aber die Nachwelt wird anerkennen,
daß auch die Journalistik Dome bauen half, wenngleich mehr wett-


Der aber antwortet nicht, faßt ihn und zieht ihn auf die Brühlsche
Terrasse, wo schon Alles die beiden Meister erwartet, und ein heiteres
Mal beschließt den stürmevollen Vormittag.

Am Abend desselben Tages überraschte noch ein Fackelzug von we¬
nigstens 8t) Jüngern der Kunst ihre verehrten Meister. Es gibt zwar
Kunstzöpse genug hier, die sich über die verehrungsvolle Aufnahme
Schwinds ärgern; aber — es sins eben Zöpfe! Die Nichtzöpfe freuen
sich nur darüber. Ueberhaupt weiß man hier keine Geschichtchen von
Künstlerneid, wie er so häusig anderswo vorkommt, und wie er sich
zur Zeit der großen italienischen Kunstperiode oft auf schauderhafte
Weife geoffenbart hat. — Ist es nicht schön von dem Herrn Bendemann
und Hübner, daß sie ihren ganzen Einfluß für die Berufung Schmorrs
verwendeten? Beim Himmel! man wird nicht so leicht zwei große
Maler finden, welche die Nähe eines dritten großen Rivalen wünschen.
In unserem Theater ist es mäuschenstill; die beiden Devrient und Ma¬
dame Schröder sind auf Reisen, was bleibt uns noch? — l^us by-m-
G. eam! —


V.
Aus Cöln am Rhein.

Der Journalist am Cölner Dom. — Dr. Andr<Z nach Bremen. — Jaurnali-
stische Regimenter. — Die protestantische Bevölkerung. — Fvöbcl.

Der Journalistik, der vielgeschmähten und doch so unentbehrlichen,
ruhmlosen und doch so verdienstvollen Magd der Zeit, werden in Deutsch¬
land keine Prämien und keine Monumente zu Theil. Doch weiß ich
auch eine Verewigung derselben. Man rathe, an welchem Ort? Am
Cölner Dom! Den Steinmetzen wird nämlich alle Nebenverzierung,
alles Detail der Ornamente an den Baldachinen, an den vorragenden
Blockenden u. s. w. überlassen; und mit Erstaunen sieht man, wie
kunst- und sinnreich die grobe Hand einfacher Steinmetzen mit dem
Havre'sehen Sandstein umzugehen weiß. Sie schnitzen mit dem Mei-
sel und zuletzt mit dem Federmesser Figuren und Verzierungen, die
der Holzschneider nicht seiner arbeiten könnte. Diese Leute sind keine
Büchermenschen und wissen Nichts von Reflexionen und Ideen; den¬
noch arbeiten sie in ihrer Art recht zeitgemäß. Die Ungeheuer, die
Fratzen und die humoristischen Bilder, die sie am Dom anbringen, tra¬
gen ein unverkennbar modernes Gepräge. Was wird die Nachwelt
sagen, wenn sie an dem heiligen Bau zwischen Drachen, Märtyrern
und Engeln auch eine Schreiberfratze erblickt, im Frack des neunzehn¬
ten Jahrhunderts, mit dem Gänsekiel bewaffnet, wie sie aus dem stei¬
nernen Laubwerk hämisch hervorguckt? Die Journalistik war dem Cöl¬
ner Dombau allerdings nicht überall hold und insofern könnte man
die Illustration für Rache halten. Aber die Nachwelt wird anerkennen,
daß auch die Journalistik Dome bauen half, wenngleich mehr wett-


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[0553] Der aber antwortet nicht, faßt ihn und zieht ihn auf die Brühlsche Terrasse, wo schon Alles die beiden Meister erwartet, und ein heiteres Mal beschließt den stürmevollen Vormittag. Am Abend desselben Tages überraschte noch ein Fackelzug von we¬ nigstens 8t) Jüngern der Kunst ihre verehrten Meister. Es gibt zwar Kunstzöpse genug hier, die sich über die verehrungsvolle Aufnahme Schwinds ärgern; aber — es sins eben Zöpfe! Die Nichtzöpfe freuen sich nur darüber. Ueberhaupt weiß man hier keine Geschichtchen von Künstlerneid, wie er so häusig anderswo vorkommt, und wie er sich zur Zeit der großen italienischen Kunstperiode oft auf schauderhafte Weife geoffenbart hat. — Ist es nicht schön von dem Herrn Bendemann und Hübner, daß sie ihren ganzen Einfluß für die Berufung Schmorrs verwendeten? Beim Himmel! man wird nicht so leicht zwei große Maler finden, welche die Nähe eines dritten großen Rivalen wünschen. In unserem Theater ist es mäuschenstill; die beiden Devrient und Ma¬ dame Schröder sind auf Reisen, was bleibt uns noch? — l^us by-m- G. eam! — V. Aus Cöln am Rhein. Der Journalist am Cölner Dom. — Dr. Andr<Z nach Bremen. — Jaurnali- stische Regimenter. — Die protestantische Bevölkerung. — Fvöbcl. Der Journalistik, der vielgeschmähten und doch so unentbehrlichen, ruhmlosen und doch so verdienstvollen Magd der Zeit, werden in Deutsch¬ land keine Prämien und keine Monumente zu Theil. Doch weiß ich auch eine Verewigung derselben. Man rathe, an welchem Ort? Am Cölner Dom! Den Steinmetzen wird nämlich alle Nebenverzierung, alles Detail der Ornamente an den Baldachinen, an den vorragenden Blockenden u. s. w. überlassen; und mit Erstaunen sieht man, wie kunst- und sinnreich die grobe Hand einfacher Steinmetzen mit dem Havre'sehen Sandstein umzugehen weiß. Sie schnitzen mit dem Mei- sel und zuletzt mit dem Federmesser Figuren und Verzierungen, die der Holzschneider nicht seiner arbeiten könnte. Diese Leute sind keine Büchermenschen und wissen Nichts von Reflexionen und Ideen; den¬ noch arbeiten sie in ihrer Art recht zeitgemäß. Die Ungeheuer, die Fratzen und die humoristischen Bilder, die sie am Dom anbringen, tra¬ gen ein unverkennbar modernes Gepräge. Was wird die Nachwelt sagen, wenn sie an dem heiligen Bau zwischen Drachen, Märtyrern und Engeln auch eine Schreiberfratze erblickt, im Frack des neunzehn¬ ten Jahrhunderts, mit dem Gänsekiel bewaffnet, wie sie aus dem stei¬ nernen Laubwerk hämisch hervorguckt? Die Journalistik war dem Cöl¬ ner Dombau allerdings nicht überall hold und insofern könnte man die Illustration für Rache halten. Aber die Nachwelt wird anerkennen, daß auch die Journalistik Dome bauen half, wenngleich mehr wett-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/553>, abgerufen am 27.04.2024.