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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Das Clsaß und die Dentschen.



Wenn draußen weit in der Türkei
Die Völker auf einander schlagen____

Ich lebte eine Reihe von Jahren im Auslande, -- nicht im
badischen, hannöverschen, würtembergischen, baierischen, hamburgischen,
preußischen, böhmischen, reusi-grciz-schleiz-lobcnsteinischcn Auslande,
herrlichen Gegenden, die ich ebenfalls kenne, -- sondern im eigent¬
lichen, hochverehrten Ausland, ich meine das nichtdcutsche
Ausland. Das waren herrliche Jahre, glückliche Zeiten! nicht etwa
deswegen, weil das echte ausländische Ausland, wie jeder wahre
Deutsche von Kindesbeinen an auf's Innigste überzeugt ist, noth¬
wendiger Weise viel schöner sein muß, als alle deutsche Auslande
und Anlaute zusammen, denn ich will es nur offenherzig gestehen,
ich bin nicht so recht eigentlich ein wahrer, echter Deutscher, wie fol"
gender Umstand unumstößlich beweist. Alles nämlich, was ich im Aus¬
lande gesehen, es ist mir nicht so schön oder höchstens so schön vor¬
gekommen, als mein geliebtes meißner Oberland und Erzgebirge, als
meine reizende schwäbische Alp, als meine Perle, das Böhmerland,
als mein malerisches baierisches Oberland, als mein prachtvolles
Donaugeländ, alö mein prangendes salzburger Gebirgland, als mein
hochromantisches Tyrol, als der Vorhof der Schweiz, mein idyllisches
Breisgau, und als mein stolzes Rheinufer. Sie sind alle mein, ich
liebe sie alle mehr als Alles. Deswegen also lobe ich mir meine
ausländischen Jahre nicht, auch nicht wegen der wonnigen Sehnsucht
nach der Hetmath, die ich damals hatte, und die ich nunmehr ver¬
loren, noch wegen des großartigern, freiern, glücklichern Volkslebens
das ich kennen lernte. Der Grund war vornehmlich dieser.


Grenzboten, ISjg. U. 72
Das Clsaß und die Dentschen.



Wenn draußen weit in der Türkei
Die Völker auf einander schlagen____

Ich lebte eine Reihe von Jahren im Auslande, — nicht im
badischen, hannöverschen, würtembergischen, baierischen, hamburgischen,
preußischen, böhmischen, reusi-grciz-schleiz-lobcnsteinischcn Auslande,
herrlichen Gegenden, die ich ebenfalls kenne, — sondern im eigent¬
lichen, hochverehrten Ausland, ich meine das nichtdcutsche
Ausland. Das waren herrliche Jahre, glückliche Zeiten! nicht etwa
deswegen, weil das echte ausländische Ausland, wie jeder wahre
Deutsche von Kindesbeinen an auf's Innigste überzeugt ist, noth¬
wendiger Weise viel schöner sein muß, als alle deutsche Auslande
und Anlaute zusammen, denn ich will es nur offenherzig gestehen,
ich bin nicht so recht eigentlich ein wahrer, echter Deutscher, wie fol»
gender Umstand unumstößlich beweist. Alles nämlich, was ich im Aus¬
lande gesehen, es ist mir nicht so schön oder höchstens so schön vor¬
gekommen, als mein geliebtes meißner Oberland und Erzgebirge, als
meine reizende schwäbische Alp, als meine Perle, das Böhmerland,
als mein malerisches baierisches Oberland, als mein prachtvolles
Donaugeländ, alö mein prangendes salzburger Gebirgland, als mein
hochromantisches Tyrol, als der Vorhof der Schweiz, mein idyllisches
Breisgau, und als mein stolzes Rheinufer. Sie sind alle mein, ich
liebe sie alle mehr als Alles. Deswegen also lobe ich mir meine
ausländischen Jahre nicht, auch nicht wegen der wonnigen Sehnsucht
nach der Hetmath, die ich damals hatte, und die ich nunmehr ver¬
loren, noch wegen des großartigern, freiern, glücklichern Volkslebens
das ich kennen lernte. Der Grund war vornehmlich dieser.


Grenzboten, ISjg. U. 72
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[0561] Das Clsaß und die Dentschen. Wenn draußen weit in der Türkei Die Völker auf einander schlagen____ Ich lebte eine Reihe von Jahren im Auslande, — nicht im badischen, hannöverschen, würtembergischen, baierischen, hamburgischen, preußischen, böhmischen, reusi-grciz-schleiz-lobcnsteinischcn Auslande, herrlichen Gegenden, die ich ebenfalls kenne, — sondern im eigent¬ lichen, hochverehrten Ausland, ich meine das nichtdcutsche Ausland. Das waren herrliche Jahre, glückliche Zeiten! nicht etwa deswegen, weil das echte ausländische Ausland, wie jeder wahre Deutsche von Kindesbeinen an auf's Innigste überzeugt ist, noth¬ wendiger Weise viel schöner sein muß, als alle deutsche Auslande und Anlaute zusammen, denn ich will es nur offenherzig gestehen, ich bin nicht so recht eigentlich ein wahrer, echter Deutscher, wie fol» gender Umstand unumstößlich beweist. Alles nämlich, was ich im Aus¬ lande gesehen, es ist mir nicht so schön oder höchstens so schön vor¬ gekommen, als mein geliebtes meißner Oberland und Erzgebirge, als meine reizende schwäbische Alp, als meine Perle, das Böhmerland, als mein malerisches baierisches Oberland, als mein prachtvolles Donaugeländ, alö mein prangendes salzburger Gebirgland, als mein hochromantisches Tyrol, als der Vorhof der Schweiz, mein idyllisches Breisgau, und als mein stolzes Rheinufer. Sie sind alle mein, ich liebe sie alle mehr als Alles. Deswegen also lobe ich mir meine ausländischen Jahre nicht, auch nicht wegen der wonnigen Sehnsucht nach der Hetmath, die ich damals hatte, und die ich nunmehr ver¬ loren, noch wegen des großartigern, freiern, glücklichern Volkslebens das ich kennen lernte. Der Grund war vornehmlich dieser. Grenzboten, ISjg. U. 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/561>, abgerufen am 27.04.2024.