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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Oesterreichische Thermopylen
Von einem verabschiedeten Lanzknecht.



Wandrer, sag's den kinderlosen Eltern,
Daß für's Vaterland auf diesen Feldern
Sparta's kühne Heldenjugend sank!

, So klingt die Harfe des vaterländischen Dichters! Damit es
aber bei einem Volke Thermopylen gebe, müssen solche Klänge über
die Gräber der Gefallenen wehen und durch die Lorbeer" rauschen,
welche die dankbare Hand der Ueberlebenden auf die Hügel ge¬
pflanzt hat.

Es gibt ein geistiges Modern, weit trostloser und schauriger
als jene organische Zersetzung, welche uns das Hauptcritcrium des
Todes dünkt! -- Der Mensch, -- mag auch Ohnmacht seine Mus¬
keln erschlaffen, Starrkrampf sie fesseln, -- lebt, so lange er denkt,
fühlt, will. Ein Volk lebt, so lange das Bewußtsein seiner
Vergangenheit, die Hoffnung für die Zukunft in ihm besteht. Er¬
lischt sie, so lebt es nicht mehr, ist gestorben, wenn es auch in schein¬
bar geregelter Thätigkeit fortvegetire.

Es ist daher Pflicht, zuweilen dieses Bewußtsein wach zu rufen.
Leonidas und seine Dreihundert, als schon lange das Gras über
ihren Gräbern an dem Engpasse der Thermopylen wehte, lebten und
wirkten fort in dem kriegerisch patriotischen Geiste Spartas, und wenn
auch unsichtbar, fochten sie mit bei Mantinea, im Peloponnes und
am Thrasymene, und auch bei andern Völkern und in spätern Zei¬
ten standen sie jenen Männern zur Seite, welche als Blutzeugen
kriegerischer Pflicht und vaterländischer Aufopferung den Heldentod
starben.

Es sei daher auch dem verabschiedenen Lanzknecht erlaubt, einige
Erinnerungen aufzufrischen und zu zeigen, daß der Geist, welcher Leo-


Oesterreichische Thermopylen
Von einem verabschiedeten Lanzknecht.



Wandrer, sag's den kinderlosen Eltern,
Daß für's Vaterland auf diesen Feldern
Sparta's kühne Heldenjugend sank!

, So klingt die Harfe des vaterländischen Dichters! Damit es
aber bei einem Volke Thermopylen gebe, müssen solche Klänge über
die Gräber der Gefallenen wehen und durch die Lorbeer» rauschen,
welche die dankbare Hand der Ueberlebenden auf die Hügel ge¬
pflanzt hat.

Es gibt ein geistiges Modern, weit trostloser und schauriger
als jene organische Zersetzung, welche uns das Hauptcritcrium des
Todes dünkt! — Der Mensch, — mag auch Ohnmacht seine Mus¬
keln erschlaffen, Starrkrampf sie fesseln, — lebt, so lange er denkt,
fühlt, will. Ein Volk lebt, so lange das Bewußtsein seiner
Vergangenheit, die Hoffnung für die Zukunft in ihm besteht. Er¬
lischt sie, so lebt es nicht mehr, ist gestorben, wenn es auch in schein¬
bar geregelter Thätigkeit fortvegetire.

Es ist daher Pflicht, zuweilen dieses Bewußtsein wach zu rufen.
Leonidas und seine Dreihundert, als schon lange das Gras über
ihren Gräbern an dem Engpasse der Thermopylen wehte, lebten und
wirkten fort in dem kriegerisch patriotischen Geiste Spartas, und wenn
auch unsichtbar, fochten sie mit bei Mantinea, im Peloponnes und
am Thrasymene, und auch bei andern Völkern und in spätern Zei¬
ten standen sie jenen Männern zur Seite, welche als Blutzeugen
kriegerischer Pflicht und vaterländischer Aufopferung den Heldentod
starben.

Es sei daher auch dem verabschiedenen Lanzknecht erlaubt, einige
Erinnerungen aufzufrischen und zu zeigen, daß der Geist, welcher Leo-


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[0575] Oesterreichische Thermopylen Von einem verabschiedeten Lanzknecht. Wandrer, sag's den kinderlosen Eltern, Daß für's Vaterland auf diesen Feldern Sparta's kühne Heldenjugend sank! , So klingt die Harfe des vaterländischen Dichters! Damit es aber bei einem Volke Thermopylen gebe, müssen solche Klänge über die Gräber der Gefallenen wehen und durch die Lorbeer» rauschen, welche die dankbare Hand der Ueberlebenden auf die Hügel ge¬ pflanzt hat. Es gibt ein geistiges Modern, weit trostloser und schauriger als jene organische Zersetzung, welche uns das Hauptcritcrium des Todes dünkt! — Der Mensch, — mag auch Ohnmacht seine Mus¬ keln erschlaffen, Starrkrampf sie fesseln, — lebt, so lange er denkt, fühlt, will. Ein Volk lebt, so lange das Bewußtsein seiner Vergangenheit, die Hoffnung für die Zukunft in ihm besteht. Er¬ lischt sie, so lebt es nicht mehr, ist gestorben, wenn es auch in schein¬ bar geregelter Thätigkeit fortvegetire. Es ist daher Pflicht, zuweilen dieses Bewußtsein wach zu rufen. Leonidas und seine Dreihundert, als schon lange das Gras über ihren Gräbern an dem Engpasse der Thermopylen wehte, lebten und wirkten fort in dem kriegerisch patriotischen Geiste Spartas, und wenn auch unsichtbar, fochten sie mit bei Mantinea, im Peloponnes und am Thrasymene, und auch bei andern Völkern und in spätern Zei¬ ten standen sie jenen Männern zur Seite, welche als Blutzeugen kriegerischer Pflicht und vaterländischer Aufopferung den Heldentod starben. Es sei daher auch dem verabschiedenen Lanzknecht erlaubt, einige Erinnerungen aufzufrischen und zu zeigen, daß der Geist, welcher Leo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/575>, abgerufen am 27.04.2024.