Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Endlich versank ich in ein stummes Hinbrüten und handelte von nun
an mechanisch und pünktlich nach allen Bestimmungen der Hausgesetze.

So verging der dritte Monat.


III

Jetzt erst, nachdem ich vier Wochen lang um nichts mehr ge¬
beten, und ruhig und schweigend Alles gethan, was mir aufgetra¬
gen ward, ließ mich Pater Landes wieder in seine Zelle rufen und
richtete folgende Worte an mich:

"Mein geliebter Sohn in Christo! ich hoffe, daß Sie das ewige
Licht des Herrn nun erleuchtet habe. Der Augenblick ist gekommen,
in dem Sie sich erklären dürfen, ob Sie bei uns bleiben oder wie¬
der zurückkehren wollen in das vergängliche eitle Treiben der Welt,
Jetzt noch steht es Ihnen frei, nach dem Eide nicht mehr. Wir
zwingen Niemanden mit Gewalt, aber wir lassen auch keinen Sohn
ziehen aus unserer Mitte, ohne ihm vorerst gründliche Gelegenheit
zur Erkenntniß seines wahren Heils geboten zu haben, wenn er
nicht verstockt und frevelnd sei" Herz der Stimme Gottes verschließt.
Darum verhängten wir aus christlicher Liebe über Sie diese drei¬
monatliche Probezeit. Bedenken Sie sich nochmal Wohl, ehe Sie
mir antworten. Weh dem Sohne, der, wie Sie, das einzig Wahre
erkennen, und blind von sich stoßen könnte! Schwere Verantwor¬
tung erwartet ihn am Richterstuhle Gottes. Das erwägen Sie noch¬
mal wohl, und dann erklären Sie, was ich dem hochwürdigsten
Pater General über Sie berichten soll!"

"Mein ehrwürdiger Pater," entgegnete ich ihm, "als ich Hieher
zog aus Deutschland, und keine Ahnung hatte vom Geiste dieses In¬
stitutes und der mir zugemutheten Bestimmung, versprach ich in je¬
ner Jnformatio, die Sie schriftlich von mir in Händen haben, mich
dem Studienplan und dem Privatleben willig zu fügen. Ich habe
mein Wort bis heute treu gehalten. Sie ahnen kaum, welchen Kampf
eS mich gekostet! Einen Eid zu leisten, der mich zum heimlichen
und offenen Kampfe gegen meine deutschen Brüder verpflichtet, die
gleiche Rechte mit uns genießen im Vaterlande, das habe ich nie
gelobt. So lautete jener Paragraph der Jnformatio nicht, welcher
von einem jur-no jun-latum vsso sprach. Sein Sinn enthielt klar nur


Endlich versank ich in ein stummes Hinbrüten und handelte von nun
an mechanisch und pünktlich nach allen Bestimmungen der Hausgesetze.

So verging der dritte Monat.


III

Jetzt erst, nachdem ich vier Wochen lang um nichts mehr ge¬
beten, und ruhig und schweigend Alles gethan, was mir aufgetra¬
gen ward, ließ mich Pater Landes wieder in seine Zelle rufen und
richtete folgende Worte an mich:

„Mein geliebter Sohn in Christo! ich hoffe, daß Sie das ewige
Licht des Herrn nun erleuchtet habe. Der Augenblick ist gekommen,
in dem Sie sich erklären dürfen, ob Sie bei uns bleiben oder wie¬
der zurückkehren wollen in das vergängliche eitle Treiben der Welt,
Jetzt noch steht es Ihnen frei, nach dem Eide nicht mehr. Wir
zwingen Niemanden mit Gewalt, aber wir lassen auch keinen Sohn
ziehen aus unserer Mitte, ohne ihm vorerst gründliche Gelegenheit
zur Erkenntniß seines wahren Heils geboten zu haben, wenn er
nicht verstockt und frevelnd sei» Herz der Stimme Gottes verschließt.
Darum verhängten wir aus christlicher Liebe über Sie diese drei¬
monatliche Probezeit. Bedenken Sie sich nochmal Wohl, ehe Sie
mir antworten. Weh dem Sohne, der, wie Sie, das einzig Wahre
erkennen, und blind von sich stoßen könnte! Schwere Verantwor¬
tung erwartet ihn am Richterstuhle Gottes. Das erwägen Sie noch¬
mal wohl, und dann erklären Sie, was ich dem hochwürdigsten
Pater General über Sie berichten soll!"

„Mein ehrwürdiger Pater," entgegnete ich ihm, „als ich Hieher
zog aus Deutschland, und keine Ahnung hatte vom Geiste dieses In¬
stitutes und der mir zugemutheten Bestimmung, versprach ich in je¬
ner Jnformatio, die Sie schriftlich von mir in Händen haben, mich
dem Studienplan und dem Privatleben willig zu fügen. Ich habe
mein Wort bis heute treu gehalten. Sie ahnen kaum, welchen Kampf
eS mich gekostet! Einen Eid zu leisten, der mich zum heimlichen
und offenen Kampfe gegen meine deutschen Brüder verpflichtet, die
gleiche Rechte mit uns genießen im Vaterlande, das habe ich nie
gelobt. So lautete jener Paragraph der Jnformatio nicht, welcher
von einem jur-no jun-latum vsso sprach. Sein Sinn enthielt klar nur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271524"/>
              <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> Endlich versank ich in ein stummes Hinbrüten und handelte von nun<lb/>
an mechanisch und pünktlich nach allen Bestimmungen der Hausgesetze.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_744"> So verging der dritte Monat.</p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> III</head><lb/>
              <p xml:id="ID_745"> Jetzt erst, nachdem ich vier Wochen lang um nichts mehr ge¬<lb/>
beten, und ruhig und schweigend Alles gethan, was mir aufgetra¬<lb/>
gen ward, ließ mich Pater Landes wieder in seine Zelle rufen und<lb/>
richtete folgende Worte an mich:</p><lb/>
              <p xml:id="ID_746"> &#x201E;Mein geliebter Sohn in Christo! ich hoffe, daß Sie das ewige<lb/>
Licht des Herrn nun erleuchtet habe. Der Augenblick ist gekommen,<lb/>
in dem Sie sich erklären dürfen, ob Sie bei uns bleiben oder wie¬<lb/>
der zurückkehren wollen in das vergängliche eitle Treiben der Welt,<lb/>
Jetzt noch steht es Ihnen frei, nach dem Eide nicht mehr. Wir<lb/>
zwingen Niemanden mit Gewalt, aber wir lassen auch keinen Sohn<lb/>
ziehen aus unserer Mitte, ohne ihm vorerst gründliche Gelegenheit<lb/>
zur Erkenntniß seines wahren Heils geboten zu haben, wenn er<lb/>
nicht verstockt und frevelnd sei» Herz der Stimme Gottes verschließt.<lb/>
Darum verhängten wir aus christlicher Liebe über Sie diese drei¬<lb/>
monatliche Probezeit. Bedenken Sie sich nochmal Wohl, ehe Sie<lb/>
mir antworten. Weh dem Sohne, der, wie Sie, das einzig Wahre<lb/>
erkennen, und blind von sich stoßen könnte! Schwere Verantwor¬<lb/>
tung erwartet ihn am Richterstuhle Gottes. Das erwägen Sie noch¬<lb/>
mal wohl, und dann erklären Sie, was ich dem hochwürdigsten<lb/>
Pater General über Sie berichten soll!"</p><lb/>
              <p xml:id="ID_747" next="#ID_748"> &#x201E;Mein ehrwürdiger Pater," entgegnete ich ihm, &#x201E;als ich Hieher<lb/>
zog aus Deutschland, und keine Ahnung hatte vom Geiste dieses In¬<lb/>
stitutes und der mir zugemutheten Bestimmung, versprach ich in je¬<lb/>
ner Jnformatio, die Sie schriftlich von mir in Händen haben, mich<lb/>
dem Studienplan und dem Privatleben willig zu fügen. Ich habe<lb/>
mein Wort bis heute treu gehalten. Sie ahnen kaum, welchen Kampf<lb/>
eS mich gekostet! Einen Eid zu leisten, der mich zum heimlichen<lb/>
und offenen Kampfe gegen meine deutschen Brüder verpflichtet, die<lb/>
gleiche Rechte mit uns genießen im Vaterlande, das habe ich nie<lb/>
gelobt. So lautete jener Paragraph der Jnformatio nicht, welcher<lb/>
von einem jur-no jun-latum vsso sprach. Sein Sinn enthielt klar nur</p><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0263] Endlich versank ich in ein stummes Hinbrüten und handelte von nun an mechanisch und pünktlich nach allen Bestimmungen der Hausgesetze. So verging der dritte Monat. III Jetzt erst, nachdem ich vier Wochen lang um nichts mehr ge¬ beten, und ruhig und schweigend Alles gethan, was mir aufgetra¬ gen ward, ließ mich Pater Landes wieder in seine Zelle rufen und richtete folgende Worte an mich: „Mein geliebter Sohn in Christo! ich hoffe, daß Sie das ewige Licht des Herrn nun erleuchtet habe. Der Augenblick ist gekommen, in dem Sie sich erklären dürfen, ob Sie bei uns bleiben oder wie¬ der zurückkehren wollen in das vergängliche eitle Treiben der Welt, Jetzt noch steht es Ihnen frei, nach dem Eide nicht mehr. Wir zwingen Niemanden mit Gewalt, aber wir lassen auch keinen Sohn ziehen aus unserer Mitte, ohne ihm vorerst gründliche Gelegenheit zur Erkenntniß seines wahren Heils geboten zu haben, wenn er nicht verstockt und frevelnd sei» Herz der Stimme Gottes verschließt. Darum verhängten wir aus christlicher Liebe über Sie diese drei¬ monatliche Probezeit. Bedenken Sie sich nochmal Wohl, ehe Sie mir antworten. Weh dem Sohne, der, wie Sie, das einzig Wahre erkennen, und blind von sich stoßen könnte! Schwere Verantwor¬ tung erwartet ihn am Richterstuhle Gottes. Das erwägen Sie noch¬ mal wohl, und dann erklären Sie, was ich dem hochwürdigsten Pater General über Sie berichten soll!" „Mein ehrwürdiger Pater," entgegnete ich ihm, „als ich Hieher zog aus Deutschland, und keine Ahnung hatte vom Geiste dieses In¬ stitutes und der mir zugemutheten Bestimmung, versprach ich in je¬ ner Jnformatio, die Sie schriftlich von mir in Händen haben, mich dem Studienplan und dem Privatleben willig zu fügen. Ich habe mein Wort bis heute treu gehalten. Sie ahnen kaum, welchen Kampf eS mich gekostet! Einen Eid zu leisten, der mich zum heimlichen und offenen Kampfe gegen meine deutschen Brüder verpflichtet, die gleiche Rechte mit uns genießen im Vaterlande, das habe ich nie gelobt. So lautete jener Paragraph der Jnformatio nicht, welcher von einem jur-no jun-latum vsso sprach. Sein Sinn enthielt klar nur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/263
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/263>, abgerufen am 02.05.2024.