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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Mittelmeer, Ost- und Nordsee.



Unter diesem Titel hat Schuselka eine Schrift erscheinen lassen,
die vier Jahre zu spät und vielleicht hundert Jahre für Deutschland
zu früh kommt. Für Frankreich oder England geschrieben, würde
sie eine Nation finden, die sie verstände; in Deutschland ist sie im
Jahre 1845 der Stoßseufzer eines Patrioten, der fruchtlos verhallt, --
ein uhlcmdischer Geist der herniedersteigt, ohne Körper -- eine hohle
Idee, über die man in hohen Regionen die Achseln zuckt, -- noch
weniger also als eine Stimme in der Wüste. Im Jahre 1840 und
41 wäre sie brauchbar gewesen; und in hundert Jahren wird
vielleicht das conservative System alle Krebsschäden Deutschlands so
eifrig conservirt haben, als die Konservativen zu Ludwigs XV. und
Ludwigs XVI- Zeiten es mit denjenigen Frankreichs thaten, und wenn
wir mit Gottes Hilfe dann mit unsern politischen Zuständen so weit
sein werden, als Frankreich heut zu Tage, so wird auch Schuselka'S
Schrift nicht blos verstanden, sondern beherzigt werden, -- und mit
ihr auch diejenigen vieler anderen hochherzigen, für das gemeinsame
Vaterland begeisterten unb" eben deshalb bet Seite geschobenen Männer.

Deutschland ist Schuselka's Geliebte; man darf es mit den Lo¬
beserhebungen eines Liebhabers nicht so genau nehmen, er findet
wohl auch Fehler schön und selbst hinter seinem Haß liegt, wie hin¬
ter demjenigen Börne's, eine brennende Liebe verborgen, aber diese
Begeisterung ist selbst etwas Schönes und enthält auch immer einen
großen Theil Wahrheit.

Deutschland ist für Schuselka die hohe Kirchthurmspttze, die er
nie aus den Augen verliert, nach welcher er stets seine Blicke richtet,


Grenzboten, Isis. IV. 37
Mittelmeer, Ost- und Nordsee.



Unter diesem Titel hat Schuselka eine Schrift erscheinen lassen,
die vier Jahre zu spät und vielleicht hundert Jahre für Deutschland
zu früh kommt. Für Frankreich oder England geschrieben, würde
sie eine Nation finden, die sie verstände; in Deutschland ist sie im
Jahre 1845 der Stoßseufzer eines Patrioten, der fruchtlos verhallt, —
ein uhlcmdischer Geist der herniedersteigt, ohne Körper — eine hohle
Idee, über die man in hohen Regionen die Achseln zuckt, — noch
weniger also als eine Stimme in der Wüste. Im Jahre 1840 und
41 wäre sie brauchbar gewesen; und in hundert Jahren wird
vielleicht das conservative System alle Krebsschäden Deutschlands so
eifrig conservirt haben, als die Konservativen zu Ludwigs XV. und
Ludwigs XVI- Zeiten es mit denjenigen Frankreichs thaten, und wenn
wir mit Gottes Hilfe dann mit unsern politischen Zuständen so weit
sein werden, als Frankreich heut zu Tage, so wird auch Schuselka'S
Schrift nicht blos verstanden, sondern beherzigt werden, — und mit
ihr auch diejenigen vieler anderen hochherzigen, für das gemeinsame
Vaterland begeisterten unb" eben deshalb bet Seite geschobenen Männer.

Deutschland ist Schuselka's Geliebte; man darf es mit den Lo¬
beserhebungen eines Liebhabers nicht so genau nehmen, er findet
wohl auch Fehler schön und selbst hinter seinem Haß liegt, wie hin¬
ter demjenigen Börne's, eine brennende Liebe verborgen, aber diese
Begeisterung ist selbst etwas Schönes und enthält auch immer einen
großen Theil Wahrheit.

Deutschland ist für Schuselka die hohe Kirchthurmspttze, die er
nie aus den Augen verliert, nach welcher er stets seine Blicke richtet,


Grenzboten, Isis. IV. 37
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[0293] Mittelmeer, Ost- und Nordsee. Unter diesem Titel hat Schuselka eine Schrift erscheinen lassen, die vier Jahre zu spät und vielleicht hundert Jahre für Deutschland zu früh kommt. Für Frankreich oder England geschrieben, würde sie eine Nation finden, die sie verstände; in Deutschland ist sie im Jahre 1845 der Stoßseufzer eines Patrioten, der fruchtlos verhallt, — ein uhlcmdischer Geist der herniedersteigt, ohne Körper — eine hohle Idee, über die man in hohen Regionen die Achseln zuckt, — noch weniger also als eine Stimme in der Wüste. Im Jahre 1840 und 41 wäre sie brauchbar gewesen; und in hundert Jahren wird vielleicht das conservative System alle Krebsschäden Deutschlands so eifrig conservirt haben, als die Konservativen zu Ludwigs XV. und Ludwigs XVI- Zeiten es mit denjenigen Frankreichs thaten, und wenn wir mit Gottes Hilfe dann mit unsern politischen Zuständen so weit sein werden, als Frankreich heut zu Tage, so wird auch Schuselka'S Schrift nicht blos verstanden, sondern beherzigt werden, — und mit ihr auch diejenigen vieler anderen hochherzigen, für das gemeinsame Vaterland begeisterten unb" eben deshalb bet Seite geschobenen Männer. Deutschland ist Schuselka's Geliebte; man darf es mit den Lo¬ beserhebungen eines Liebhabers nicht so genau nehmen, er findet wohl auch Fehler schön und selbst hinter seinem Haß liegt, wie hin¬ ter demjenigen Börne's, eine brennende Liebe verborgen, aber diese Begeisterung ist selbst etwas Schönes und enthält auch immer einen großen Theil Wahrheit. Deutschland ist für Schuselka die hohe Kirchthurmspttze, die er nie aus den Augen verliert, nach welcher er stets seine Blicke richtet, Grenzboten, Isis. IV. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/293>, abgerufen am 02.05.2024.