Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

entsprechende, will uns nicht einleuchten. Da geht Alles, wie in "in¬
dem militairischen Dingen, nach dem Eommando; ohne daß auf den
Körperbau, die Anlagen der Einzelnen auch nur die geringste Rück¬
sicht genommen würde, müssen die Militair-Turner nach einigen vor¬
bereitenden Uebungen ohne Unterschied an die Barren, aus Reck, zu
den Springübungen, wobei nicht selten von dem Einzelnen das Un¬
mögliche verlangt wird. Man hat in der That auch schon mehre
Unglücksfalle, besonders bei den Springübungen zu beklagen. Mag
Dressur beim Militair Hauptsache sein, man soll aber wenigstens so
dressiren, daß es ohne Leibschaden abgeht.

Nachschrift. Herr Professor Bauerband wird keine Vorlesun¬
gen in Cöln halten. Die Weserzeitung Halle behauptet, er sei mit
seinen Vorlesungen vom Borromcusvereine dem Thesmar, dem
protestantischen Eiferer, und dessen Vorlesungen entgegengestellt wor¬
den. Nun persiflirte Herr Bauerband diese Behauptung in einem der
Cölnischen Ieilung eingesendeten Aufsatz (über den sich sogleich in der¬
selben Zeitung ein Streit zwischen ihm und Herrn Thesmar entspann),
erklärte aber, daß die Vorlesungen nicht Statt finden würden^


' V. / / - '
G " se a v Freitag.

Die schlesischen Poeten sind ein originelles Völklein; fleißig wie
die schlesischen Weber, aber auch lustig und launig wie die Kinder
Rübezahls im Riesengebirge. Sie mehren sich und sind fruchtbar,
wie die Pilze im Moos, gesund, wie die Fischlein im Wasser, und
geschwätzig, wie die Vögel im Walde. Man kann ihnen niemals
gram sein und wenn sie noch so viel lustige Waare spinnen; denn
es hat Alles, was sie machen, ein blankes, frisches Ansehen. Ihre
Talente sind leicht, aber liebenswürdig, sie treiben glänzende Blüthe
und gewöhnliche, aber erquickliche Frucht. In fröhlichen Zeiten wird
Schlesien ganz Deutschland mit Spielleuten versorgen; es wird euch
die jubelndsten Toaste, die artigsten Festlieder und die rauschendsten
Triumphgesänge liefern. Auch in unsern Zeiten des Kampfs und
der Noth schlagen sie fröhlich mit; sie sind feurig und liberal, kos¬
mopolitisch und rational, wie es eben der Tag bringt; sie treiben
Tendenz und Weltschmerz, obwohl es ihnen nicht tief zu Herzen geht;
Gewandtheit und Schwung wird ihnen Niemand abstreiten, aber eben
so wenig eine gewisse naive Harmlosigkeit, die zur anakreontischen
Tändelei besser ist, als zur ausdauernden Gedankenarbeit. Offenbar
steckt viel südländisches Blut in den Schlestern, und sie bilden einen
auffallenden Gegensatz zu ihren dialektischen Nachbarn in der Mark.
-- Gustav Freitag nun ist ein richtiger Schlesier und wir möchten
seine Poesie mit einem lustigen, runden, jungen Weibchen vergleichen,


entsprechende, will uns nicht einleuchten. Da geht Alles, wie in «in¬
dem militairischen Dingen, nach dem Eommando; ohne daß auf den
Körperbau, die Anlagen der Einzelnen auch nur die geringste Rück¬
sicht genommen würde, müssen die Militair-Turner nach einigen vor¬
bereitenden Uebungen ohne Unterschied an die Barren, aus Reck, zu
den Springübungen, wobei nicht selten von dem Einzelnen das Un¬
mögliche verlangt wird. Man hat in der That auch schon mehre
Unglücksfalle, besonders bei den Springübungen zu beklagen. Mag
Dressur beim Militair Hauptsache sein, man soll aber wenigstens so
dressiren, daß es ohne Leibschaden abgeht.

Nachschrift. Herr Professor Bauerband wird keine Vorlesun¬
gen in Cöln halten. Die Weserzeitung Halle behauptet, er sei mit
seinen Vorlesungen vom Borromcusvereine dem Thesmar, dem
protestantischen Eiferer, und dessen Vorlesungen entgegengestellt wor¬
den. Nun persiflirte Herr Bauerband diese Behauptung in einem der
Cölnischen Ieilung eingesendeten Aufsatz (über den sich sogleich in der¬
selben Zeitung ein Streit zwischen ihm und Herrn Thesmar entspann),
erklärte aber, daß die Vorlesungen nicht Statt finden würden^


' V. / / - '
G » se a v Freitag.

Die schlesischen Poeten sind ein originelles Völklein; fleißig wie
die schlesischen Weber, aber auch lustig und launig wie die Kinder
Rübezahls im Riesengebirge. Sie mehren sich und sind fruchtbar,
wie die Pilze im Moos, gesund, wie die Fischlein im Wasser, und
geschwätzig, wie die Vögel im Walde. Man kann ihnen niemals
gram sein und wenn sie noch so viel lustige Waare spinnen; denn
es hat Alles, was sie machen, ein blankes, frisches Ansehen. Ihre
Talente sind leicht, aber liebenswürdig, sie treiben glänzende Blüthe
und gewöhnliche, aber erquickliche Frucht. In fröhlichen Zeiten wird
Schlesien ganz Deutschland mit Spielleuten versorgen; es wird euch
die jubelndsten Toaste, die artigsten Festlieder und die rauschendsten
Triumphgesänge liefern. Auch in unsern Zeiten des Kampfs und
der Noth schlagen sie fröhlich mit; sie sind feurig und liberal, kos¬
mopolitisch und rational, wie es eben der Tag bringt; sie treiben
Tendenz und Weltschmerz, obwohl es ihnen nicht tief zu Herzen geht;
Gewandtheit und Schwung wird ihnen Niemand abstreiten, aber eben
so wenig eine gewisse naive Harmlosigkeit, die zur anakreontischen
Tändelei besser ist, als zur ausdauernden Gedankenarbeit. Offenbar
steckt viel südländisches Blut in den Schlestern, und sie bilden einen
auffallenden Gegensatz zu ihren dialektischen Nachbarn in der Mark.
— Gustav Freitag nun ist ein richtiger Schlesier und wir möchten
seine Poesie mit einem lustigen, runden, jungen Weibchen vergleichen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271643"/>
            <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> entsprechende, will uns nicht einleuchten. Da geht Alles, wie in «in¬<lb/>
dem militairischen Dingen, nach dem Eommando; ohne daß auf den<lb/>
Körperbau, die Anlagen der Einzelnen auch nur die geringste Rück¬<lb/>
sicht genommen würde, müssen die Militair-Turner nach einigen vor¬<lb/>
bereitenden Uebungen ohne Unterschied an die Barren, aus Reck, zu<lb/>
den Springübungen, wobei nicht selten von dem Einzelnen das Un¬<lb/>
mögliche verlangt wird. Man hat in der That auch schon mehre<lb/>
Unglücksfalle, besonders bei den Springübungen zu beklagen. Mag<lb/>
Dressur beim Militair Hauptsache sein, man soll aber wenigstens so<lb/>
dressiren, daß es ohne Leibschaden abgeht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1029"> Nachschrift. Herr Professor Bauerband wird keine Vorlesun¬<lb/>
gen in Cöln halten. Die Weserzeitung Halle behauptet, er sei mit<lb/>
seinen Vorlesungen vom Borromcusvereine dem Thesmar, dem<lb/>
protestantischen Eiferer, und dessen Vorlesungen entgegengestellt wor¬<lb/>
den. Nun persiflirte Herr Bauerband diese Behauptung in einem der<lb/>
Cölnischen Ieilung eingesendeten Aufsatz (über den sich sogleich in der¬<lb/>
selben Zeitung ein Streit zwischen ihm und Herrn Thesmar entspann),<lb/>
erklärte aber, daß die Vorlesungen nicht Statt finden würden^</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head>    '    V. / /   - '<lb/>
G » se a v Freitag.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> Die schlesischen Poeten sind ein originelles Völklein; fleißig wie<lb/>
die schlesischen Weber, aber auch lustig und launig wie die Kinder<lb/>
Rübezahls im Riesengebirge. Sie mehren sich und sind fruchtbar,<lb/>
wie die Pilze im Moos, gesund, wie die Fischlein im Wasser, und<lb/>
geschwätzig, wie die Vögel im Walde. Man kann ihnen niemals<lb/>
gram sein und wenn sie noch so viel lustige Waare spinnen; denn<lb/>
es hat Alles, was sie machen, ein blankes, frisches Ansehen. Ihre<lb/>
Talente sind leicht, aber liebenswürdig, sie treiben glänzende Blüthe<lb/>
und gewöhnliche, aber erquickliche Frucht. In fröhlichen Zeiten wird<lb/>
Schlesien ganz Deutschland mit Spielleuten versorgen; es wird euch<lb/>
die jubelndsten Toaste, die artigsten Festlieder und die rauschendsten<lb/>
Triumphgesänge liefern. Auch in unsern Zeiten des Kampfs und<lb/>
der Noth schlagen sie fröhlich mit; sie sind feurig und liberal, kos¬<lb/>
mopolitisch und rational, wie es eben der Tag bringt; sie treiben<lb/>
Tendenz und Weltschmerz, obwohl es ihnen nicht tief zu Herzen geht;<lb/>
Gewandtheit und Schwung wird ihnen Niemand abstreiten, aber eben<lb/>
so wenig eine gewisse naive Harmlosigkeit, die zur anakreontischen<lb/>
Tändelei besser ist, als zur ausdauernden Gedankenarbeit. Offenbar<lb/>
steckt viel südländisches Blut in den Schlestern, und sie bilden einen<lb/>
auffallenden Gegensatz zu ihren dialektischen Nachbarn in der Mark.<lb/>
&#x2014; Gustav Freitag nun ist ein richtiger Schlesier und wir möchten<lb/>
seine Poesie mit einem lustigen, runden, jungen Weibchen vergleichen,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0382] entsprechende, will uns nicht einleuchten. Da geht Alles, wie in «in¬ dem militairischen Dingen, nach dem Eommando; ohne daß auf den Körperbau, die Anlagen der Einzelnen auch nur die geringste Rück¬ sicht genommen würde, müssen die Militair-Turner nach einigen vor¬ bereitenden Uebungen ohne Unterschied an die Barren, aus Reck, zu den Springübungen, wobei nicht selten von dem Einzelnen das Un¬ mögliche verlangt wird. Man hat in der That auch schon mehre Unglücksfalle, besonders bei den Springübungen zu beklagen. Mag Dressur beim Militair Hauptsache sein, man soll aber wenigstens so dressiren, daß es ohne Leibschaden abgeht. Nachschrift. Herr Professor Bauerband wird keine Vorlesun¬ gen in Cöln halten. Die Weserzeitung Halle behauptet, er sei mit seinen Vorlesungen vom Borromcusvereine dem Thesmar, dem protestantischen Eiferer, und dessen Vorlesungen entgegengestellt wor¬ den. Nun persiflirte Herr Bauerband diese Behauptung in einem der Cölnischen Ieilung eingesendeten Aufsatz (über den sich sogleich in der¬ selben Zeitung ein Streit zwischen ihm und Herrn Thesmar entspann), erklärte aber, daß die Vorlesungen nicht Statt finden würden^ ' V. / / - ' G » se a v Freitag. Die schlesischen Poeten sind ein originelles Völklein; fleißig wie die schlesischen Weber, aber auch lustig und launig wie die Kinder Rübezahls im Riesengebirge. Sie mehren sich und sind fruchtbar, wie die Pilze im Moos, gesund, wie die Fischlein im Wasser, und geschwätzig, wie die Vögel im Walde. Man kann ihnen niemals gram sein und wenn sie noch so viel lustige Waare spinnen; denn es hat Alles, was sie machen, ein blankes, frisches Ansehen. Ihre Talente sind leicht, aber liebenswürdig, sie treiben glänzende Blüthe und gewöhnliche, aber erquickliche Frucht. In fröhlichen Zeiten wird Schlesien ganz Deutschland mit Spielleuten versorgen; es wird euch die jubelndsten Toaste, die artigsten Festlieder und die rauschendsten Triumphgesänge liefern. Auch in unsern Zeiten des Kampfs und der Noth schlagen sie fröhlich mit; sie sind feurig und liberal, kos¬ mopolitisch und rational, wie es eben der Tag bringt; sie treiben Tendenz und Weltschmerz, obwohl es ihnen nicht tief zu Herzen geht; Gewandtheit und Schwung wird ihnen Niemand abstreiten, aber eben so wenig eine gewisse naive Harmlosigkeit, die zur anakreontischen Tändelei besser ist, als zur ausdauernden Gedankenarbeit. Offenbar steckt viel südländisches Blut in den Schlestern, und sie bilden einen auffallenden Gegensatz zu ihren dialektischen Nachbarn in der Mark. — Gustav Freitag nun ist ein richtiger Schlesier und wir möchten seine Poesie mit einem lustigen, runden, jungen Weibchen vergleichen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/382
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/382>, abgerufen am 02.05.2024.