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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Verfehlter Beruf. -- Der hesperische Kunstgärten. -- Die Treibhäuser der
'Ateliers. -- Protection und Camcraderie. -- 'Mangel an Prüfungen. -- Zer¬
streute Weihrauchwolken. -- Die romantische Richtung. -- Genre. --
Tendcnzbilder.

Wer das Sprüchwort "Kunst geht n-ach Brod" in allen nur
denkbaren Varianten studiren will, der Pfande hier Gelegenheit da¬
zu. Solche absolute Kunstschulen, wie die hiesige Akademie, Luxus¬
artikel des Staatshaushalts, nothwendige Uebel der Intelligenz, stiften
vielleicht mehr Uebel als Nutzen. "Gelegenheit macht Diebe", pflegt
man zu sagen, und so glauben sich auch Viele zur Kunst berufen,
weil sie leicht einige Jahre die Akademie besuchen und sogar, wenn
ihnen die allgewaltige Fee Protection günstig und gewogen ist,
noch ein Stipendium erwischen können; und die Mehrzahl bringt
es nicht über die handwerksmäßige Mittelmäßigkeit, geht unter in dem
hier üppig-wuchernd blühenden Stümperthum. Die schönsten Jahre
des Lebens sind hin, ehe man einsieht, daß man seinen Beruf ver¬
kannt r,et; daß man nimmer dazu gelangen wird, mit Recht und Fug
zu sprechen: incl' lo so" pittnrv; es ist zu spat, einen andern Le¬
bensweg zu wählen; nicht selten sind auch die Mittel dazu erschöpft
-- und man ist verdammt, eine Drohne zu sein in dem großen Bie¬
nenstock der Gesellschaft. Viele, die da glaubten, die goldnen Aepfel
der Kunsthesperiden könne man in jeder Stadt, wo eine Akademie
mit wohlbestallten Director und "lire" Professoren besteht, oder, wie
man zu sagen pflegt, blüht, ohne alle Mühe von den Straßen aufle¬
sen, man brauche sich nur zu bücken, -- pilgern, wenn sie diese Aepfel
an der Akademie nicht gefunden, nach dem eigentliche" Hesperien, ver¬
zehren hier den letzten Nest des väterlichen Erbes und kehren zurück
-- wie sie hingezogen, unglücklich zuletzt, weil sie im Schlaraffenthum
des sogenannten Künstlerlebens zur eigentlichen Arbeit und Anstren¬
gung zu faul geworden sind und so nicht mehr, wenn sie auch nicht
zu alt dazu, die Kraft haben, sich einem andern Berufe zu widmen.
Noch andre, in den Treibhäusern der akademischen Ateliers heraufge¬
künstelt, halten sich wirklich für schaffende Künstler, denn sie werden
selbst irre an dem, was an ihren Productionen ihr oder Andrer
geistiges und technisches Eigenthum, sind vielleicht so glücklich gewesen,
auf irgend einer Kunstausstellung ein im Atelier entstandenes Bild¬
chen loszuschlagen, und finden erst, wenn sie ganz auf eignen Fü¬
ßen stehen sollen, daß sie nichts gelernt, auch nichts lernen konnten,
weil es an eigentlicher Anlage gebrach. Die Cameraderie der aka¬
demischen Ateliers ist so am Unglücke manches sonst wackern Jüng¬
lings Schuld, und es sind selbst unter unsern düsseldorfer "Mei¬
stern" -- mit diesem bescheidenen Titel benamset unsre Akademie die-


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Verfehlter Beruf. — Der hesperische Kunstgärten. — Die Treibhäuser der
'Ateliers. — Protection und Camcraderie. — 'Mangel an Prüfungen. — Zer¬
streute Weihrauchwolken. — Die romantische Richtung. — Genre. —
Tendcnzbilder.

Wer das Sprüchwort „Kunst geht n-ach Brod" in allen nur
denkbaren Varianten studiren will, der Pfande hier Gelegenheit da¬
zu. Solche absolute Kunstschulen, wie die hiesige Akademie, Luxus¬
artikel des Staatshaushalts, nothwendige Uebel der Intelligenz, stiften
vielleicht mehr Uebel als Nutzen. „Gelegenheit macht Diebe", pflegt
man zu sagen, und so glauben sich auch Viele zur Kunst berufen,
weil sie leicht einige Jahre die Akademie besuchen und sogar, wenn
ihnen die allgewaltige Fee Protection günstig und gewogen ist,
noch ein Stipendium erwischen können; und die Mehrzahl bringt
es nicht über die handwerksmäßige Mittelmäßigkeit, geht unter in dem
hier üppig-wuchernd blühenden Stümperthum. Die schönsten Jahre
des Lebens sind hin, ehe man einsieht, daß man seinen Beruf ver¬
kannt r,et; daß man nimmer dazu gelangen wird, mit Recht und Fug
zu sprechen: incl' lo so» pittnrv; es ist zu spat, einen andern Le¬
bensweg zu wählen; nicht selten sind auch die Mittel dazu erschöpft
— und man ist verdammt, eine Drohne zu sein in dem großen Bie¬
nenstock der Gesellschaft. Viele, die da glaubten, die goldnen Aepfel
der Kunsthesperiden könne man in jeder Stadt, wo eine Akademie
mit wohlbestallten Director und «lire» Professoren besteht, oder, wie
man zu sagen pflegt, blüht, ohne alle Mühe von den Straßen aufle¬
sen, man brauche sich nur zu bücken, — pilgern, wenn sie diese Aepfel
an der Akademie nicht gefunden, nach dem eigentliche» Hesperien, ver¬
zehren hier den letzten Nest des väterlichen Erbes und kehren zurück
— wie sie hingezogen, unglücklich zuletzt, weil sie im Schlaraffenthum
des sogenannten Künstlerlebens zur eigentlichen Arbeit und Anstren¬
gung zu faul geworden sind und so nicht mehr, wenn sie auch nicht
zu alt dazu, die Kraft haben, sich einem andern Berufe zu widmen.
Noch andre, in den Treibhäusern der akademischen Ateliers heraufge¬
künstelt, halten sich wirklich für schaffende Künstler, denn sie werden
selbst irre an dem, was an ihren Productionen ihr oder Andrer
geistiges und technisches Eigenthum, sind vielleicht so glücklich gewesen,
auf irgend einer Kunstausstellung ein im Atelier entstandenes Bild¬
chen loszuschlagen, und finden erst, wenn sie ganz auf eignen Fü¬
ßen stehen sollen, daß sie nichts gelernt, auch nichts lernen konnten,
weil es an eigentlicher Anlage gebrach. Die Cameraderie der aka¬
demischen Ateliers ist so am Unglücke manches sonst wackern Jüng¬
lings Schuld, und es sind selbst unter unsern düsseldorfer „Mei¬
stern" — mit diesem bescheidenen Titel benamset unsre Akademie die-


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[0565] V, Aus D ü sse l t> vo f. Verfehlter Beruf. — Der hesperische Kunstgärten. — Die Treibhäuser der 'Ateliers. — Protection und Camcraderie. — 'Mangel an Prüfungen. — Zer¬ streute Weihrauchwolken. — Die romantische Richtung. — Genre. — Tendcnzbilder. Wer das Sprüchwort „Kunst geht n-ach Brod" in allen nur denkbaren Varianten studiren will, der Pfande hier Gelegenheit da¬ zu. Solche absolute Kunstschulen, wie die hiesige Akademie, Luxus¬ artikel des Staatshaushalts, nothwendige Uebel der Intelligenz, stiften vielleicht mehr Uebel als Nutzen. „Gelegenheit macht Diebe", pflegt man zu sagen, und so glauben sich auch Viele zur Kunst berufen, weil sie leicht einige Jahre die Akademie besuchen und sogar, wenn ihnen die allgewaltige Fee Protection günstig und gewogen ist, noch ein Stipendium erwischen können; und die Mehrzahl bringt es nicht über die handwerksmäßige Mittelmäßigkeit, geht unter in dem hier üppig-wuchernd blühenden Stümperthum. Die schönsten Jahre des Lebens sind hin, ehe man einsieht, daß man seinen Beruf ver¬ kannt r,et; daß man nimmer dazu gelangen wird, mit Recht und Fug zu sprechen: incl' lo so» pittnrv; es ist zu spat, einen andern Le¬ bensweg zu wählen; nicht selten sind auch die Mittel dazu erschöpft — und man ist verdammt, eine Drohne zu sein in dem großen Bie¬ nenstock der Gesellschaft. Viele, die da glaubten, die goldnen Aepfel der Kunsthesperiden könne man in jeder Stadt, wo eine Akademie mit wohlbestallten Director und «lire» Professoren besteht, oder, wie man zu sagen pflegt, blüht, ohne alle Mühe von den Straßen aufle¬ sen, man brauche sich nur zu bücken, — pilgern, wenn sie diese Aepfel an der Akademie nicht gefunden, nach dem eigentliche» Hesperien, ver¬ zehren hier den letzten Nest des väterlichen Erbes und kehren zurück — wie sie hingezogen, unglücklich zuletzt, weil sie im Schlaraffenthum des sogenannten Künstlerlebens zur eigentlichen Arbeit und Anstren¬ gung zu faul geworden sind und so nicht mehr, wenn sie auch nicht zu alt dazu, die Kraft haben, sich einem andern Berufe zu widmen. Noch andre, in den Treibhäusern der akademischen Ateliers heraufge¬ künstelt, halten sich wirklich für schaffende Künstler, denn sie werden selbst irre an dem, was an ihren Productionen ihr oder Andrer geistiges und technisches Eigenthum, sind vielleicht so glücklich gewesen, auf irgend einer Kunstausstellung ein im Atelier entstandenes Bild¬ chen loszuschlagen, und finden erst, wenn sie ganz auf eignen Fü¬ ßen stehen sollen, daß sie nichts gelernt, auch nichts lernen konnten, weil es an eigentlicher Anlage gebrach. Die Cameraderie der aka¬ demischen Ateliers ist so am Unglücke manches sonst wackern Jüng¬ lings Schuld, und es sind selbst unter unsern düsseldorfer „Mei¬ stern" — mit diesem bescheidenen Titel benamset unsre Akademie die-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/565>, abgerufen am 02.05.2024.