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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Gin Ausflug von Nom nach Neapel
Aus Neisebriefen.

Gestern, nachdem das Einpacken bis gegen 11 Uhr gedauert,
tranken wir beim Dr. S., der jetzt unser Hauswirth ist, eine
Flasche Alicante, stießen mit einander auf fröhliches Wiedersehen
an, und bald nach Mitternacht saßen wir im Postwagen, um nach
Frosinone zu fahren. Ich schlief so ziemlich im Wagen. Als ich
erwachte, stand die Sonne schon über dem Horizonte, aber vermochte
nur mühsam sich durch ungeheure Nebelmassen hindurchzuringen. Von
der Landschaft erkannte man nicht das Mindeste. Allmählich sonder¬
ten sich auf den Büschen am Wege, von halbverhüllten Sonnen¬
lichtern angeblitzt, einzelne Parthien ab, bald senkten sich größere
Nebelwände langsam nieder und hängten sich, indem sie immer leichter
wurden, wie Mönchstonsuren um dieHäupterdcrHöhen. Die Landschaft
bot nichts Interessantes dar, doch fuhren wir eine Zeitlang in einem
Thale zwischen ernsten Tufbänken mit mannigfaltiger Begrünung hin.
Wir hatten einen freundlichen, gesprächigen Conducteur, der mehr¬
mals in Deutschland gewesen war und einige Worte Deutsch her¬
ausbringen konnte. Die Pferde wurden vor Valmontone das ein-
zigemal auf einer Strecke von etwa 60 Miglien (über 12 Meilen)
gewechselt. Wir gingen inzwischen in den Ort, der den Hügel
krönte, um unsern Kaffee zu trinken. Eine schmale und wohlge¬
pflasterte Straße mit vielen engen Spalten im Pflaster zum Abzug
des Wassers in die Kloaken, führte uns zwischen grauen Häusern
zum Theil von sarazenischen Mauerwerk und armseligem Aussehen
über den Hügelrücken, und in endloser Länge mehrmals hin und her
gewunden, wieder abwärts. Unten angelangt im Thale, wo die
Fahrstraße vorüberzieht, erwarteten wir unsern Wagen. Die Ge¬
gend hatte, wenn man von den flach gedeckten Häusern absah, we¬
nig Italienisches. Die Wege waren mit Ulmen bepflanzt, deren jun-


Gin Ausflug von Nom nach Neapel
Aus Neisebriefen.

Gestern, nachdem das Einpacken bis gegen 11 Uhr gedauert,
tranken wir beim Dr. S., der jetzt unser Hauswirth ist, eine
Flasche Alicante, stießen mit einander auf fröhliches Wiedersehen
an, und bald nach Mitternacht saßen wir im Postwagen, um nach
Frosinone zu fahren. Ich schlief so ziemlich im Wagen. Als ich
erwachte, stand die Sonne schon über dem Horizonte, aber vermochte
nur mühsam sich durch ungeheure Nebelmassen hindurchzuringen. Von
der Landschaft erkannte man nicht das Mindeste. Allmählich sonder¬
ten sich auf den Büschen am Wege, von halbverhüllten Sonnen¬
lichtern angeblitzt, einzelne Parthien ab, bald senkten sich größere
Nebelwände langsam nieder und hängten sich, indem sie immer leichter
wurden, wie Mönchstonsuren um dieHäupterdcrHöhen. Die Landschaft
bot nichts Interessantes dar, doch fuhren wir eine Zeitlang in einem
Thale zwischen ernsten Tufbänken mit mannigfaltiger Begrünung hin.
Wir hatten einen freundlichen, gesprächigen Conducteur, der mehr¬
mals in Deutschland gewesen war und einige Worte Deutsch her¬
ausbringen konnte. Die Pferde wurden vor Valmontone das ein-
zigemal auf einer Strecke von etwa 60 Miglien (über 12 Meilen)
gewechselt. Wir gingen inzwischen in den Ort, der den Hügel
krönte, um unsern Kaffee zu trinken. Eine schmale und wohlge¬
pflasterte Straße mit vielen engen Spalten im Pflaster zum Abzug
des Wassers in die Kloaken, führte uns zwischen grauen Häusern
zum Theil von sarazenischen Mauerwerk und armseligem Aussehen
über den Hügelrücken, und in endloser Länge mehrmals hin und her
gewunden, wieder abwärts. Unten angelangt im Thale, wo die
Fahrstraße vorüberzieht, erwarteten wir unsern Wagen. Die Ge¬
gend hatte, wenn man von den flach gedeckten Häusern absah, we¬
nig Italienisches. Die Wege waren mit Ulmen bepflanzt, deren jun-


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[0586] Gin Ausflug von Nom nach Neapel Aus Neisebriefen. Gestern, nachdem das Einpacken bis gegen 11 Uhr gedauert, tranken wir beim Dr. S., der jetzt unser Hauswirth ist, eine Flasche Alicante, stießen mit einander auf fröhliches Wiedersehen an, und bald nach Mitternacht saßen wir im Postwagen, um nach Frosinone zu fahren. Ich schlief so ziemlich im Wagen. Als ich erwachte, stand die Sonne schon über dem Horizonte, aber vermochte nur mühsam sich durch ungeheure Nebelmassen hindurchzuringen. Von der Landschaft erkannte man nicht das Mindeste. Allmählich sonder¬ ten sich auf den Büschen am Wege, von halbverhüllten Sonnen¬ lichtern angeblitzt, einzelne Parthien ab, bald senkten sich größere Nebelwände langsam nieder und hängten sich, indem sie immer leichter wurden, wie Mönchstonsuren um dieHäupterdcrHöhen. Die Landschaft bot nichts Interessantes dar, doch fuhren wir eine Zeitlang in einem Thale zwischen ernsten Tufbänken mit mannigfaltiger Begrünung hin. Wir hatten einen freundlichen, gesprächigen Conducteur, der mehr¬ mals in Deutschland gewesen war und einige Worte Deutsch her¬ ausbringen konnte. Die Pferde wurden vor Valmontone das ein- zigemal auf einer Strecke von etwa 60 Miglien (über 12 Meilen) gewechselt. Wir gingen inzwischen in den Ort, der den Hügel krönte, um unsern Kaffee zu trinken. Eine schmale und wohlge¬ pflasterte Straße mit vielen engen Spalten im Pflaster zum Abzug des Wassers in die Kloaken, führte uns zwischen grauen Häusern zum Theil von sarazenischen Mauerwerk und armseligem Aussehen über den Hügelrücken, und in endloser Länge mehrmals hin und her gewunden, wieder abwärts. Unten angelangt im Thale, wo die Fahrstraße vorüberzieht, erwarteten wir unsern Wagen. Die Ge¬ gend hatte, wenn man von den flach gedeckten Häusern absah, we¬ nig Italienisches. Die Wege waren mit Ulmen bepflanzt, deren jun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/586>, abgerufen am 02.05.2024.