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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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dacteur und Herausgeber Wilhelm von Eichthal -- das Von steht
sogar auf dem Blatte, ein Beweis, daß die Adclsfresserei drüben nicht
so arg ist --- wie früher bei der griechischen Legation in Konstanti¬
nopel -- versteht es ziemlich gut, den feineren ästhetischen Geschmack
und Ton Europas mit dem politischen Gehalt und Charakter eines
republikanischen Blattes zu verschmelzen.

-- Man schreibt uns aus Stuttgart: "Wahrend die europäische
Journalistik darüber streitet, ob der Erzherzog Stephan die russische
Olga heirathen wird oder nicht, geht in hiesigen Kreisen das Gerücht,
es seien Präliminarien in Bezug einer Verbindung unseres Kronprin¬
zen mit der schönen Czarentochter eingeleitet. Die Würtenberger
könnten dieser Verbindung mit anderen Augen entgegen sehen, wie
die Oesterreicher. Die Negierungsprincipien unseres Landes sind Gott
sei Dank der Art, daß wir den russischen Einfluß nicht zu fürchten
haben. Mit welchen triftigen Gründen auch unsere Opposition der Verwal¬
tung den Kriegmacht, das Princip unserer Verfassung und der Geist
den unser edler König ihrer Handhabung gesichert hat, sind zu fest,
um vor den eisigen Einwirkungen der nordischen Tyrannei zitiern zu
müssen, wenigstens nicht in dem Grade wie die Oesterreicher, die un¬
ter einem elastischen absoluten Principe lebend, den Einfluß des stief¬
vaterlichen Nachbars auf ihr "väterliches Gouvernement" wahrschein¬
lich bald kosten würden. Unser nicht sehr reiches Stuttgart, könnte
den Hofstaat der reichen Czarovna wohl brauchen ohne besorgen zu
müssen ihn mit seiner Freiheit zu bezahlen, wahrend ein russischer
Hofstaat in dem slavischen Prag in der Mitte der ohnehin nach ei¬
nem Sieg ihrer Nationalität ringenden Czechen von den unberechen¬
barsten Folgen sein könnte. -- Gutzkow's dreizehnter November hat
auch hier wenig Beifall gefunden. Daran läge im Grunde wenig;
einem fruchtbaren Schriftsteller kann es leicht begegnen, daß auch ein
mißlungenes Werk seiner Feder entschlüpft. Was jedoch selbst den
Freunden Gutzkow's ausfallen muß, ist der Umstand, daß ein Autor,
der auf seinen Ruf hält wie er, nicht ein Product, über dessen schwa¬
chen Erfolg er sich bereits an andern Bühnen überzeugt hat, lieber
zurückzieht und seinem Namen den guten Klang bewahrt. Ich glaube,
dieß Verfahren wäre ein klügeres gewesen. -- Die Schauspielerin
Madame Lange, die seit ohngefähr zehn Jahren für das Fach der
Mütter an unserer Bühne engagirt war, verläßt in Folge eines hä߬
lichen Processes unser Theater und unsere Stadt. An ihrer Stelle
ist Madame Dessoir engagirt."


Ein Wort zur Verständigung.
(Eingesandt.)

Im sechsten Hefte der Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst


dacteur und Herausgeber Wilhelm von Eichthal — das Von steht
sogar auf dem Blatte, ein Beweis, daß die Adclsfresserei drüben nicht
so arg ist —- wie früher bei der griechischen Legation in Konstanti¬
nopel — versteht es ziemlich gut, den feineren ästhetischen Geschmack
und Ton Europas mit dem politischen Gehalt und Charakter eines
republikanischen Blattes zu verschmelzen.

— Man schreibt uns aus Stuttgart: „Wahrend die europäische
Journalistik darüber streitet, ob der Erzherzog Stephan die russische
Olga heirathen wird oder nicht, geht in hiesigen Kreisen das Gerücht,
es seien Präliminarien in Bezug einer Verbindung unseres Kronprin¬
zen mit der schönen Czarentochter eingeleitet. Die Würtenberger
könnten dieser Verbindung mit anderen Augen entgegen sehen, wie
die Oesterreicher. Die Negierungsprincipien unseres Landes sind Gott
sei Dank der Art, daß wir den russischen Einfluß nicht zu fürchten
haben. Mit welchen triftigen Gründen auch unsere Opposition der Verwal¬
tung den Kriegmacht, das Princip unserer Verfassung und der Geist
den unser edler König ihrer Handhabung gesichert hat, sind zu fest,
um vor den eisigen Einwirkungen der nordischen Tyrannei zitiern zu
müssen, wenigstens nicht in dem Grade wie die Oesterreicher, die un¬
ter einem elastischen absoluten Principe lebend, den Einfluß des stief¬
vaterlichen Nachbars auf ihr „väterliches Gouvernement" wahrschein¬
lich bald kosten würden. Unser nicht sehr reiches Stuttgart, könnte
den Hofstaat der reichen Czarovna wohl brauchen ohne besorgen zu
müssen ihn mit seiner Freiheit zu bezahlen, wahrend ein russischer
Hofstaat in dem slavischen Prag in der Mitte der ohnehin nach ei¬
nem Sieg ihrer Nationalität ringenden Czechen von den unberechen¬
barsten Folgen sein könnte. — Gutzkow's dreizehnter November hat
auch hier wenig Beifall gefunden. Daran läge im Grunde wenig;
einem fruchtbaren Schriftsteller kann es leicht begegnen, daß auch ein
mißlungenes Werk seiner Feder entschlüpft. Was jedoch selbst den
Freunden Gutzkow's ausfallen muß, ist der Umstand, daß ein Autor,
der auf seinen Ruf hält wie er, nicht ein Product, über dessen schwa¬
chen Erfolg er sich bereits an andern Bühnen überzeugt hat, lieber
zurückzieht und seinem Namen den guten Klang bewahrt. Ich glaube,
dieß Verfahren wäre ein klügeres gewesen. — Die Schauspielerin
Madame Lange, die seit ohngefähr zehn Jahren für das Fach der
Mütter an unserer Bühne engagirt war, verläßt in Folge eines hä߬
lichen Processes unser Theater und unsere Stadt. An ihrer Stelle
ist Madame Dessoir engagirt."


Ein Wort zur Verständigung.
(Eingesandt.)

Im sechsten Hefte der Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst


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[0609] dacteur und Herausgeber Wilhelm von Eichthal — das Von steht sogar auf dem Blatte, ein Beweis, daß die Adclsfresserei drüben nicht so arg ist —- wie früher bei der griechischen Legation in Konstanti¬ nopel — versteht es ziemlich gut, den feineren ästhetischen Geschmack und Ton Europas mit dem politischen Gehalt und Charakter eines republikanischen Blattes zu verschmelzen. — Man schreibt uns aus Stuttgart: „Wahrend die europäische Journalistik darüber streitet, ob der Erzherzog Stephan die russische Olga heirathen wird oder nicht, geht in hiesigen Kreisen das Gerücht, es seien Präliminarien in Bezug einer Verbindung unseres Kronprin¬ zen mit der schönen Czarentochter eingeleitet. Die Würtenberger könnten dieser Verbindung mit anderen Augen entgegen sehen, wie die Oesterreicher. Die Negierungsprincipien unseres Landes sind Gott sei Dank der Art, daß wir den russischen Einfluß nicht zu fürchten haben. Mit welchen triftigen Gründen auch unsere Opposition der Verwal¬ tung den Kriegmacht, das Princip unserer Verfassung und der Geist den unser edler König ihrer Handhabung gesichert hat, sind zu fest, um vor den eisigen Einwirkungen der nordischen Tyrannei zitiern zu müssen, wenigstens nicht in dem Grade wie die Oesterreicher, die un¬ ter einem elastischen absoluten Principe lebend, den Einfluß des stief¬ vaterlichen Nachbars auf ihr „väterliches Gouvernement" wahrschein¬ lich bald kosten würden. Unser nicht sehr reiches Stuttgart, könnte den Hofstaat der reichen Czarovna wohl brauchen ohne besorgen zu müssen ihn mit seiner Freiheit zu bezahlen, wahrend ein russischer Hofstaat in dem slavischen Prag in der Mitte der ohnehin nach ei¬ nem Sieg ihrer Nationalität ringenden Czechen von den unberechen¬ barsten Folgen sein könnte. — Gutzkow's dreizehnter November hat auch hier wenig Beifall gefunden. Daran läge im Grunde wenig; einem fruchtbaren Schriftsteller kann es leicht begegnen, daß auch ein mißlungenes Werk seiner Feder entschlüpft. Was jedoch selbst den Freunden Gutzkow's ausfallen muß, ist der Umstand, daß ein Autor, der auf seinen Ruf hält wie er, nicht ein Product, über dessen schwa¬ chen Erfolg er sich bereits an andern Bühnen überzeugt hat, lieber zurückzieht und seinem Namen den guten Klang bewahrt. Ich glaube, dieß Verfahren wäre ein klügeres gewesen. — Die Schauspielerin Madame Lange, die seit ohngefähr zehn Jahren für das Fach der Mütter an unserer Bühne engagirt war, verläßt in Folge eines hä߬ lichen Processes unser Theater und unsere Stadt. An ihrer Stelle ist Madame Dessoir engagirt." Ein Wort zur Verständigung. (Eingesandt.) Im sechsten Hefte der Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/609>, abgerufen am 02.05.2024.