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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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ich es doch nicht thun; beschriebene Musik ist wie ein gemalter Ku¬
chen, davon wird Niemand satt.


IV.

Bonn, d. 12. August. -- Gestern war die Taufe eines Dampf¬
schiffes, dem der Name Beethoven gegeben wurde, und auf dem
man nachher eine Partie nach Nonnenworth machte. Ich zog eS
vor, da mir weder Schiffstaufen noch Nonnenworth etwas Neues
waren, mit einigen Freunden nach Cöln zu gehen. Wir verbrach¬
ten den Tag sehr heiter und wollten zur rechten Zeit auf der Eisen¬
bahn nach Bonn zurückkehren, aber wir hatten die Rechnung ohne
den Wirth gemacht. Als wir uns auf dem Bahnhofe einstellten,
fanden wir ihn gesperrt und eine unzählige Menschenmasse vor dem¬
selben versammelt; die Königin von England war eben angekommen,
und ehe der Zug, der sie nach dem Schlosse Brühl bringen sollte
abgegangen, konnte Niemand angenommen werden. Die Abfahrt ver¬
zögerte sich, die Zeit für den nächsten Bahnzug war schon da, die
Menge vergrößerte sich unglaublich, denn die schaulustigen Cölner
wollten dem großen Zapfenstreiche im Brühl beiwohnen, und noch
immer wurden keine Anstalten gemacht; sogar die gegenüber in einer
besonderen Bude angebrachte Billetkasse blieb verschlossen, und keine
Bitte noch Forderung, wenigstens Billets auszugeben, ward erhört.
Dazwischen donnerten die Kanonen, und laute Hurrah begrüßten die
englische Königin. Einige Damen, die am folgenden Tage in Bonn
mitwirken sollten, und zwar in bedeutendsten Partieen, hatten sich im
Gedränge unserer Obhut anvertraut, und waren nun in der größten
Angst, gar nicht nach Bonn zu kommen. Wir schlugen ihnen daher
vor, in die Stadt zurückzukehren und dort Ertravost zu nehmen, wo¬
rein sie mit Freuden willigten. Als wir aber uns mit vieler Mühe
durchgewunden, einen Fiaker und in diesem das Postamt erreicht
hatten, erwartete uns ein neuer Strich durch unsere Rechnung; der
dienstthuende Secretär hatte nämlich bestimmten Befehl, nur "amtli¬
chen Courieren und sonst Niemanden Ertravost zu geben. Eine per-,
sorties angebrachte und sehr freundlich aufgenommene Bitte bei dem
Oberpostdirector, den wir glücklicher Weise noch zu Hause trafen,
half uns jedoch aus aller Noth; wir bekamen einen Omnibus und
erreichten nach einer sehr heiteren Fahrt um Mitternacht Bonn. Im


ich es doch nicht thun; beschriebene Musik ist wie ein gemalter Ku¬
chen, davon wird Niemand satt.


IV.

Bonn, d. 12. August. — Gestern war die Taufe eines Dampf¬
schiffes, dem der Name Beethoven gegeben wurde, und auf dem
man nachher eine Partie nach Nonnenworth machte. Ich zog eS
vor, da mir weder Schiffstaufen noch Nonnenworth etwas Neues
waren, mit einigen Freunden nach Cöln zu gehen. Wir verbrach¬
ten den Tag sehr heiter und wollten zur rechten Zeit auf der Eisen¬
bahn nach Bonn zurückkehren, aber wir hatten die Rechnung ohne
den Wirth gemacht. Als wir uns auf dem Bahnhofe einstellten,
fanden wir ihn gesperrt und eine unzählige Menschenmasse vor dem¬
selben versammelt; die Königin von England war eben angekommen,
und ehe der Zug, der sie nach dem Schlosse Brühl bringen sollte
abgegangen, konnte Niemand angenommen werden. Die Abfahrt ver¬
zögerte sich, die Zeit für den nächsten Bahnzug war schon da, die
Menge vergrößerte sich unglaublich, denn die schaulustigen Cölner
wollten dem großen Zapfenstreiche im Brühl beiwohnen, und noch
immer wurden keine Anstalten gemacht; sogar die gegenüber in einer
besonderen Bude angebrachte Billetkasse blieb verschlossen, und keine
Bitte noch Forderung, wenigstens Billets auszugeben, ward erhört.
Dazwischen donnerten die Kanonen, und laute Hurrah begrüßten die
englische Königin. Einige Damen, die am folgenden Tage in Bonn
mitwirken sollten, und zwar in bedeutendsten Partieen, hatten sich im
Gedränge unserer Obhut anvertraut, und waren nun in der größten
Angst, gar nicht nach Bonn zu kommen. Wir schlugen ihnen daher
vor, in die Stadt zurückzukehren und dort Ertravost zu nehmen, wo¬
rein sie mit Freuden willigten. Als wir aber uns mit vieler Mühe
durchgewunden, einen Fiaker und in diesem das Postamt erreicht
hatten, erwartete uns ein neuer Strich durch unsere Rechnung; der
dienstthuende Secretär hatte nämlich bestimmten Befehl, nur "amtli¬
chen Courieren und sonst Niemanden Ertravost zu geben. Eine per-,
sorties angebrachte und sehr freundlich aufgenommene Bitte bei dem
Oberpostdirector, den wir glücklicher Weise noch zu Hause trafen,
half uns jedoch aus aller Noth; wir bekamen einen Omnibus und
erreichten nach einer sehr heiteren Fahrt um Mitternacht Bonn. Im


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[0072] ich es doch nicht thun; beschriebene Musik ist wie ein gemalter Ku¬ chen, davon wird Niemand satt. IV. Bonn, d. 12. August. — Gestern war die Taufe eines Dampf¬ schiffes, dem der Name Beethoven gegeben wurde, und auf dem man nachher eine Partie nach Nonnenworth machte. Ich zog eS vor, da mir weder Schiffstaufen noch Nonnenworth etwas Neues waren, mit einigen Freunden nach Cöln zu gehen. Wir verbrach¬ ten den Tag sehr heiter und wollten zur rechten Zeit auf der Eisen¬ bahn nach Bonn zurückkehren, aber wir hatten die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Als wir uns auf dem Bahnhofe einstellten, fanden wir ihn gesperrt und eine unzählige Menschenmasse vor dem¬ selben versammelt; die Königin von England war eben angekommen, und ehe der Zug, der sie nach dem Schlosse Brühl bringen sollte abgegangen, konnte Niemand angenommen werden. Die Abfahrt ver¬ zögerte sich, die Zeit für den nächsten Bahnzug war schon da, die Menge vergrößerte sich unglaublich, denn die schaulustigen Cölner wollten dem großen Zapfenstreiche im Brühl beiwohnen, und noch immer wurden keine Anstalten gemacht; sogar die gegenüber in einer besonderen Bude angebrachte Billetkasse blieb verschlossen, und keine Bitte noch Forderung, wenigstens Billets auszugeben, ward erhört. Dazwischen donnerten die Kanonen, und laute Hurrah begrüßten die englische Königin. Einige Damen, die am folgenden Tage in Bonn mitwirken sollten, und zwar in bedeutendsten Partieen, hatten sich im Gedränge unserer Obhut anvertraut, und waren nun in der größten Angst, gar nicht nach Bonn zu kommen. Wir schlugen ihnen daher vor, in die Stadt zurückzukehren und dort Ertravost zu nehmen, wo¬ rein sie mit Freuden willigten. Als wir aber uns mit vieler Mühe durchgewunden, einen Fiaker und in diesem das Postamt erreicht hatten, erwartete uns ein neuer Strich durch unsere Rechnung; der dienstthuende Secretär hatte nämlich bestimmten Befehl, nur "amtli¬ chen Courieren und sonst Niemanden Ertravost zu geben. Eine per-, sorties angebrachte und sehr freundlich aufgenommene Bitte bei dem Oberpostdirector, den wir glücklicher Weise noch zu Hause trafen, half uns jedoch aus aller Noth; wir bekamen einen Omnibus und erreichten nach einer sehr heiteren Fahrt um Mitternacht Bonn. Im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/72>, abgerufen am 02.05.2024.