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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Minister Hiuzelmam"
Novellette.



In einem Fürstentum, welches wir nicht näher bezeichnen
können, -- es liegt an der äußersten Grenze der Civilisation und
steht in freundschaftlichen Verhältnissen zu Deutschland -- hat sich
jüngst eine höchst pikante Geschichte zugetragen, eine Art politi¬
scher Novelle, die sowohl in den Kabinetten Europas wie im Foyer
der Pariser Oper Aussehen gemacht hat. Der Fürst -- nennen
wir ihn """""witsch den I. -- hatte seine Jugendjahre in
Frankreich zugebracht und sich da einen gewissen demokratischen
Firnis angebildet. Als nun sein erlauchter Vater starb und er,
unter Feuerwerk und Vivatrufen, den angeerbten Thron'bestieg,
fing sein Volk an Wunder von Liberalismus zu erwarten, und
sich jenen goldenen Freiheitsträumen hinzugeben, die den armen
Völkern noch immer theuerer sind, als der Kindern ihr Zuckerwerk.

Indessen behielt """""witsch I. den Minister seines höchst-
seligcn Vaters, denn einen neuen zu suchen wäre schon eine Mühe
gewesen; dagegen reformirte er vor Allem die Moden, der ganz"
Hof mußte mit dem immer i-v^ime brechen und sich neufranzösisch
kleiden. Nicht die ersten Publicisten, aber die ersten Schneider
des Landes berief er vor sein Angesicht, die Toiletten seiner Hof¬
damen wurden aus Paris verschrieben, ja er ließ, um diesen Brenn¬
punkt der Civilisation wo möglich zu verdunkeln, durch geschickte
diplomatische Unterhandlungen eine hübsche junge Figurantin, eine
hoffnungsvolle Schülerin von Corall der dortigen Oper abwendig
machen und im Triumphe nach seiner Hauptstadt bringen.


Gr-nzbotim. 1846. I. 13
Minister Hiuzelmam«
Novellette.



In einem Fürstentum, welches wir nicht näher bezeichnen
können, — es liegt an der äußersten Grenze der Civilisation und
steht in freundschaftlichen Verhältnissen zu Deutschland — hat sich
jüngst eine höchst pikante Geschichte zugetragen, eine Art politi¬
scher Novelle, die sowohl in den Kabinetten Europas wie im Foyer
der Pariser Oper Aussehen gemacht hat. Der Fürst — nennen
wir ihn »»»»»witsch den I. — hatte seine Jugendjahre in
Frankreich zugebracht und sich da einen gewissen demokratischen
Firnis angebildet. Als nun sein erlauchter Vater starb und er,
unter Feuerwerk und Vivatrufen, den angeerbten Thron'bestieg,
fing sein Volk an Wunder von Liberalismus zu erwarten, und
sich jenen goldenen Freiheitsträumen hinzugeben, die den armen
Völkern noch immer theuerer sind, als der Kindern ihr Zuckerwerk.

Indessen behielt »»»»»witsch I. den Minister seines höchst-
seligcn Vaters, denn einen neuen zu suchen wäre schon eine Mühe
gewesen; dagegen reformirte er vor Allem die Moden, der ganz«
Hof mußte mit dem immer i-v^ime brechen und sich neufranzösisch
kleiden. Nicht die ersten Publicisten, aber die ersten Schneider
des Landes berief er vor sein Angesicht, die Toiletten seiner Hof¬
damen wurden aus Paris verschrieben, ja er ließ, um diesen Brenn¬
punkt der Civilisation wo möglich zu verdunkeln, durch geschickte
diplomatische Unterhandlungen eine hübsche junge Figurantin, eine
hoffnungsvolle Schülerin von Corall der dortigen Oper abwendig
machen und im Triumphe nach seiner Hauptstadt bringen.


Gr-nzbotim. 1846. I. 13
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[0105] Minister Hiuzelmam« Novellette. In einem Fürstentum, welches wir nicht näher bezeichnen können, — es liegt an der äußersten Grenze der Civilisation und steht in freundschaftlichen Verhältnissen zu Deutschland — hat sich jüngst eine höchst pikante Geschichte zugetragen, eine Art politi¬ scher Novelle, die sowohl in den Kabinetten Europas wie im Foyer der Pariser Oper Aussehen gemacht hat. Der Fürst — nennen wir ihn »»»»»witsch den I. — hatte seine Jugendjahre in Frankreich zugebracht und sich da einen gewissen demokratischen Firnis angebildet. Als nun sein erlauchter Vater starb und er, unter Feuerwerk und Vivatrufen, den angeerbten Thron'bestieg, fing sein Volk an Wunder von Liberalismus zu erwarten, und sich jenen goldenen Freiheitsträumen hinzugeben, die den armen Völkern noch immer theuerer sind, als der Kindern ihr Zuckerwerk. Indessen behielt »»»»»witsch I. den Minister seines höchst- seligcn Vaters, denn einen neuen zu suchen wäre schon eine Mühe gewesen; dagegen reformirte er vor Allem die Moden, der ganz« Hof mußte mit dem immer i-v^ime brechen und sich neufranzösisch kleiden. Nicht die ersten Publicisten, aber die ersten Schneider des Landes berief er vor sein Angesicht, die Toiletten seiner Hof¬ damen wurden aus Paris verschrieben, ja er ließ, um diesen Brenn¬ punkt der Civilisation wo möglich zu verdunkeln, durch geschickte diplomatische Unterhandlungen eine hübsche junge Figurantin, eine hoffnungsvolle Schülerin von Corall der dortigen Oper abwendig machen und im Triumphe nach seiner Hauptstadt bringen. Gr-nzbotim. 1846. I. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/105>, abgerufen am 29.04.2024.