Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Arm und Reich.

Lieder vom armen Mann. Mir einem Vorwort an das Haus Rothschild.
Von Karl Beck. Leipzig 1840.


Die Lebcnsfarbe aller der Fragen welche uns noch vor gar
nicht langer Zeit die wichtigsten und höchsten tauchten, die Geister
beschäftigten, die Presse in Bewegung setzten, die heißesten Kämpfe
entzündeten, verbleicht sichtlich immer mehr und mehr vor dem
unheimlichen, fieberischer Roth der einen riesengroßen Frage, welche
die Schriftsteller seit Kurzem, weil sie sich gewissermaßen beruhigt
finden, wenn nur das Kind einen Namen hat, die sociale zu
nennen pflegen.

ES wäre gewiß eine große Selbsttäuschung, wenn man sich
einreden wollte, das sei nun wieder nur so ein Tick der Presse, welche
Mode mit Mode wechselt; auch die "sociale" Mode werde nach
kurzer Zeit abgenutzt sein, langweilig gefunden und mit abermals
einer andern vertauscht werden.

Das sogenannte "öffentliche" Leben in Deutschland könnte
zwar diese Meinung zu unterstützen scheinen; in der That sehen
wir da in unseren Ständeversammlungen und Seitens der libera¬
len Presse den Kampf um politische Rechte seinen Gang gehen;
den er gehen muß, weil dieser Kampf bei uns noch lange nicht
zu Ende gekämpft, und für jenen anderen, dessen fernes leises
Grollen sich übrigens auch bei uns schon hin und wieder vernehm¬
bar macht, noch kein eigentlicher Boden geschaffen ist.

Aber werfen wir einen Blick auf diejenigen Staaten, welche
den politischen Kampf bei sich durchgeführt und uns in der Poli-


32*
Arm und Reich.

Lieder vom armen Mann. Mir einem Vorwort an das Haus Rothschild.
Von Karl Beck. Leipzig 1840.


Die Lebcnsfarbe aller der Fragen welche uns noch vor gar
nicht langer Zeit die wichtigsten und höchsten tauchten, die Geister
beschäftigten, die Presse in Bewegung setzten, die heißesten Kämpfe
entzündeten, verbleicht sichtlich immer mehr und mehr vor dem
unheimlichen, fieberischer Roth der einen riesengroßen Frage, welche
die Schriftsteller seit Kurzem, weil sie sich gewissermaßen beruhigt
finden, wenn nur das Kind einen Namen hat, die sociale zu
nennen pflegen.

ES wäre gewiß eine große Selbsttäuschung, wenn man sich
einreden wollte, das sei nun wieder nur so ein Tick der Presse, welche
Mode mit Mode wechselt; auch die „sociale" Mode werde nach
kurzer Zeit abgenutzt sein, langweilig gefunden und mit abermals
einer andern vertauscht werden.

Das sogenannte „öffentliche" Leben in Deutschland könnte
zwar diese Meinung zu unterstützen scheinen; in der That sehen
wir da in unseren Ständeversammlungen und Seitens der libera¬
len Presse den Kampf um politische Rechte seinen Gang gehen;
den er gehen muß, weil dieser Kampf bei uns noch lange nicht
zu Ende gekämpft, und für jenen anderen, dessen fernes leises
Grollen sich übrigens auch bei uns schon hin und wieder vernehm¬
bar macht, noch kein eigentlicher Boden geschaffen ist.

Aber werfen wir einen Blick auf diejenigen Staaten, welche
den politischen Kampf bei sich durchgeführt und uns in der Poli-


32*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182069"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Arm  und Reich.</head><lb/>
          <note type="argument"> Lieder vom armen Mann.  Mir einem Vorwort an das Haus Rothschild.<lb/>
Von Karl Beck. Leipzig 1840.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_570"> Die Lebcnsfarbe aller der Fragen welche uns noch vor gar<lb/>
nicht langer Zeit die wichtigsten und höchsten tauchten, die Geister<lb/>
beschäftigten, die Presse in Bewegung setzten, die heißesten Kämpfe<lb/>
entzündeten, verbleicht sichtlich immer mehr und mehr vor dem<lb/>
unheimlichen, fieberischer Roth der einen riesengroßen Frage, welche<lb/>
die Schriftsteller seit Kurzem, weil sie sich gewissermaßen beruhigt<lb/>
finden, wenn nur das Kind einen Namen hat, die sociale zu<lb/>
nennen pflegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_571"> ES wäre gewiß eine große Selbsttäuschung, wenn man sich<lb/>
einreden wollte, das sei nun wieder nur so ein Tick der Presse, welche<lb/>
Mode mit Mode wechselt; auch die &#x201E;sociale" Mode werde nach<lb/>
kurzer Zeit abgenutzt sein, langweilig gefunden und mit abermals<lb/>
einer andern vertauscht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_572"> Das sogenannte &#x201E;öffentliche" Leben in Deutschland könnte<lb/>
zwar diese Meinung zu unterstützen scheinen; in der That sehen<lb/>
wir da in unseren Ständeversammlungen und Seitens der libera¬<lb/>
len Presse den Kampf um politische Rechte seinen Gang gehen;<lb/>
den er gehen muß, weil dieser Kampf bei uns noch lange nicht<lb/>
zu Ende gekämpft, und für jenen anderen, dessen fernes leises<lb/>
Grollen sich übrigens auch bei uns schon hin und wieder vernehm¬<lb/>
bar macht, noch kein eigentlicher Boden geschaffen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_573" next="#ID_574"> Aber werfen wir einen Blick auf diejenigen Staaten, welche<lb/>
den politischen Kampf bei sich durchgeführt und uns in der Poli-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 32*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0259] Arm und Reich. Lieder vom armen Mann. Mir einem Vorwort an das Haus Rothschild. Von Karl Beck. Leipzig 1840. Die Lebcnsfarbe aller der Fragen welche uns noch vor gar nicht langer Zeit die wichtigsten und höchsten tauchten, die Geister beschäftigten, die Presse in Bewegung setzten, die heißesten Kämpfe entzündeten, verbleicht sichtlich immer mehr und mehr vor dem unheimlichen, fieberischer Roth der einen riesengroßen Frage, welche die Schriftsteller seit Kurzem, weil sie sich gewissermaßen beruhigt finden, wenn nur das Kind einen Namen hat, die sociale zu nennen pflegen. ES wäre gewiß eine große Selbsttäuschung, wenn man sich einreden wollte, das sei nun wieder nur so ein Tick der Presse, welche Mode mit Mode wechselt; auch die „sociale" Mode werde nach kurzer Zeit abgenutzt sein, langweilig gefunden und mit abermals einer andern vertauscht werden. Das sogenannte „öffentliche" Leben in Deutschland könnte zwar diese Meinung zu unterstützen scheinen; in der That sehen wir da in unseren Ständeversammlungen und Seitens der libera¬ len Presse den Kampf um politische Rechte seinen Gang gehen; den er gehen muß, weil dieser Kampf bei uns noch lange nicht zu Ende gekämpft, und für jenen anderen, dessen fernes leises Grollen sich übrigens auch bei uns schon hin und wieder vernehm¬ bar macht, noch kein eigentlicher Boden geschaffen ist. Aber werfen wir einen Blick auf diejenigen Staaten, welche den politischen Kampf bei sich durchgeführt und uns in der Poli- 32*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/259
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/259>, abgerufen am 28.04.2024.