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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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der Bühne in der Schwesterstadt übernommen, und zu diesem Zweck
bereits eine ungarische Schauspielergesellschaft gewonnen, die abwech¬
selnd auf dem Ofner Theater spielen wird. Bei dem bekannten
System, jede Opposition durch Gewaltthat einzuschüchtern, und dem
öffentlichen Wunsch zum Trotz die Magyarisation durchzuführen, dürfte
diese Erscheinung nicht ohne folgewichtige Bedeutung sein, zumal,
wenn man bedenkt, daß vor ungefähr zehn bis zwanzig Jahren das,
magyarische Idiom eine fast ganzlich unbekannte Sache war, wah¬
rend es jetzt in dem Nationaltheater eine ausdauernde Stütze besitzt,
und in Ofen ebenfalls festen Fuß faßt. In kurzer Zeit wird das
deutsche Stadttheater in Pest ein vom Meer des Alles verschlingen¬
den Magyarismus umbrandetes Eiland sein, das nach und nach
gleichfalls dem unabwendbaren Schicksal der Vertilgung anheimfallt.
Die Magyaren nehmen dabei alle möglichen Mittel zu Hülfe, und
wahrend Graf Nadny, der.Chef des Nationaltheaters in Wien, selbst
einen Agenten bezahlt, dessen Bestimmung ist, in Zukunft alle frem¬
den Tonkünstler, welche nach Wien kommen, alsogleich für das,
Nationalinstitut zu acquiriren, mit der Bedingniß, im Stadttheater
nicht aufzutreten, sucht man in Ofen den Schein der Parität zu
erhalten und bewilligt magyarisches Schauspiel und deutsche Oper, weil
man weiß, daß das Schauspiel, worin das Wort die Hauptrolle
spielt , für ihre Zwecke ungleich wichtiger ist, als die Oper, in der
die Sprache Nebensache ist, und welche durch den Reichthum der
Kunstbildung in einer Nation bedingt wird.


VI.
Aus M ü " es e n.

Ständeversammlung. -- Das Ständehaus. -- Zeitungsberichte über den
Landtag. -- Carneval.

Wir haben in unserer Ständeversammlung nicht gerade Redner,
welche durch die Gewalt ihres Vertrages auch den sonst gleichgültig
gen Zuhörer auf der Tribune begeistern könnten; aber es sind
Männer, sogar viele in derselben, welche in klarer, schmuck¬
loser Weise offen ihre innige Ueberzeugung darlegen, welche ohne
Furcht und Scheu das was sie für Unrecht halten, auch Unrecht
nennen, und deren erster Auftritt schon Jedem es darthut, daß die
heiligen Interessen des Vaterlandes ihnen wichtiger als alle übrigen
Nebendinge sind. Noch ;u keiner Zeit hat die Ständeversammlung in
ihrer größten Mehrheit sich so entschieden und freimüthig ausgesprochen, noch
nie ist die Opposition numerisch stärker gewesen, denn, einzelne Ausnahmen
abgerechnet, gehören alle Deputirten derselben an. Bei einer kürzlich
vorgekommenen wichtigen Abstimmung über die Vertretung der Pfalz,-
welche zu gering befunden wurde, stimmten nur zwei Mitglieder nicht


der Bühne in der Schwesterstadt übernommen, und zu diesem Zweck
bereits eine ungarische Schauspielergesellschaft gewonnen, die abwech¬
selnd auf dem Ofner Theater spielen wird. Bei dem bekannten
System, jede Opposition durch Gewaltthat einzuschüchtern, und dem
öffentlichen Wunsch zum Trotz die Magyarisation durchzuführen, dürfte
diese Erscheinung nicht ohne folgewichtige Bedeutung sein, zumal,
wenn man bedenkt, daß vor ungefähr zehn bis zwanzig Jahren das,
magyarische Idiom eine fast ganzlich unbekannte Sache war, wah¬
rend es jetzt in dem Nationaltheater eine ausdauernde Stütze besitzt,
und in Ofen ebenfalls festen Fuß faßt. In kurzer Zeit wird das
deutsche Stadttheater in Pest ein vom Meer des Alles verschlingen¬
den Magyarismus umbrandetes Eiland sein, das nach und nach
gleichfalls dem unabwendbaren Schicksal der Vertilgung anheimfallt.
Die Magyaren nehmen dabei alle möglichen Mittel zu Hülfe, und
wahrend Graf Nadny, der.Chef des Nationaltheaters in Wien, selbst
einen Agenten bezahlt, dessen Bestimmung ist, in Zukunft alle frem¬
den Tonkünstler, welche nach Wien kommen, alsogleich für das,
Nationalinstitut zu acquiriren, mit der Bedingniß, im Stadttheater
nicht aufzutreten, sucht man in Ofen den Schein der Parität zu
erhalten und bewilligt magyarisches Schauspiel und deutsche Oper, weil
man weiß, daß das Schauspiel, worin das Wort die Hauptrolle
spielt , für ihre Zwecke ungleich wichtiger ist, als die Oper, in der
die Sprache Nebensache ist, und welche durch den Reichthum der
Kunstbildung in einer Nation bedingt wird.


VI.
Aus M ü „ es e n.

Ständeversammlung. — Das Ständehaus. — Zeitungsberichte über den
Landtag. — Carneval.

Wir haben in unserer Ständeversammlung nicht gerade Redner,
welche durch die Gewalt ihres Vertrages auch den sonst gleichgültig
gen Zuhörer auf der Tribune begeistern könnten; aber es sind
Männer, sogar viele in derselben, welche in klarer, schmuck¬
loser Weise offen ihre innige Ueberzeugung darlegen, welche ohne
Furcht und Scheu das was sie für Unrecht halten, auch Unrecht
nennen, und deren erster Auftritt schon Jedem es darthut, daß die
heiligen Interessen des Vaterlandes ihnen wichtiger als alle übrigen
Nebendinge sind. Noch ;u keiner Zeit hat die Ständeversammlung in
ihrer größten Mehrheit sich so entschieden und freimüthig ausgesprochen, noch
nie ist die Opposition numerisch stärker gewesen, denn, einzelne Ausnahmen
abgerechnet, gehören alle Deputirten derselben an. Bei einer kürzlich
vorgekommenen wichtigen Abstimmung über die Vertretung der Pfalz,-
welche zu gering befunden wurde, stimmten nur zwei Mitglieder nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/290>, abgerufen am 28.04.2024.