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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Die böhmischen Stände.



Die unter der Aufschrift: "Ständisches aus Böhmen" im
3. Hefte der Grenzboten erschienene Mittheilung aus Prag giebt den
Ständen Böhmens die trostreiche Versicherung: "daß wir im Volke
längst im Klaren sind über die Tendenzen des Junkerthumö, und
ganz gut wissen, hoher und niederer Adel wünsche beliebig mit zu
regieren, und wo möglich die kargen Reste der josephinischen gol¬
denen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen aus Leben und
Geschichte." Weiter unten finden wir die Behauptung: "daß in
so bewegungslustiger Zeit wie die gegenwärtige, die oppositionellen
Bestrebungen der Herren Stände in der intelligenten Mittelklasse
so durchaus keine Sympathien finden, daß man es vorzieht, auto-
nomisch von Wien regiert zu werden, daß man seine Freude daran
hat, wenn den hohen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hof¬
kanzlei zugewendet wird, reicht vollkommen aus, die ständischen
Tendenzen zu charakterisiren."

Ich glaube nicht, daß sich die Stände über ihre Popularität
Illusionen machen; sie wissen wohl eben so gut als ich, und wie
mancher andere unparteiische Beobachter, daß die Bureaukratie,
die den Ständen nicht" hold sein kann, den Mittelklassen den grö߬
ten Theil ihrer Intelligenzen verschlingt, daß schon der Studienplan
Oesterreichs es sich zur Hauptaufgabe gesetzt hat, den Jüngling
vor allem Andern blindlings gehorchen zu lehren, um aus ihm ei¬
nen gehorsamen Diener, nicht nur Sr. Majestät, sondern auch der
Behörden zu erziehen, die die Legislativ- mit der Erecutiv-Gewalt
in sich vereinigen. Wer aber seinen Kopf von allen schädlichen
Einflüssen mechanischer Actmfabrication, und sein Gemüth von Neid


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Die böhmischen Stände.



Die unter der Aufschrift: „Ständisches aus Böhmen" im
3. Hefte der Grenzboten erschienene Mittheilung aus Prag giebt den
Ständen Böhmens die trostreiche Versicherung: „daß wir im Volke
längst im Klaren sind über die Tendenzen des Junkerthumö, und
ganz gut wissen, hoher und niederer Adel wünsche beliebig mit zu
regieren, und wo möglich die kargen Reste der josephinischen gol¬
denen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen aus Leben und
Geschichte." Weiter unten finden wir die Behauptung: „daß in
so bewegungslustiger Zeit wie die gegenwärtige, die oppositionellen
Bestrebungen der Herren Stände in der intelligenten Mittelklasse
so durchaus keine Sympathien finden, daß man es vorzieht, auto-
nomisch von Wien regiert zu werden, daß man seine Freude daran
hat, wenn den hohen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hof¬
kanzlei zugewendet wird, reicht vollkommen aus, die ständischen
Tendenzen zu charakterisiren."

Ich glaube nicht, daß sich die Stände über ihre Popularität
Illusionen machen; sie wissen wohl eben so gut als ich, und wie
mancher andere unparteiische Beobachter, daß die Bureaukratie,
die den Ständen nicht" hold sein kann, den Mittelklassen den grö߬
ten Theil ihrer Intelligenzen verschlingt, daß schon der Studienplan
Oesterreichs es sich zur Hauptaufgabe gesetzt hat, den Jüngling
vor allem Andern blindlings gehorchen zu lehren, um aus ihm ei¬
nen gehorsamen Diener, nicht nur Sr. Majestät, sondern auch der
Behörden zu erziehen, die die Legislativ- mit der Erecutiv-Gewalt
in sich vereinigen. Wer aber seinen Kopf von allen schädlichen
Einflüssen mechanischer Actmfabrication, und sein Gemüth von Neid


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[0411] Die böhmischen Stände. Die unter der Aufschrift: „Ständisches aus Böhmen" im 3. Hefte der Grenzboten erschienene Mittheilung aus Prag giebt den Ständen Böhmens die trostreiche Versicherung: „daß wir im Volke längst im Klaren sind über die Tendenzen des Junkerthumö, und ganz gut wissen, hoher und niederer Adel wünsche beliebig mit zu regieren, und wo möglich die kargen Reste der josephinischen gol¬ denen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen aus Leben und Geschichte." Weiter unten finden wir die Behauptung: „daß in so bewegungslustiger Zeit wie die gegenwärtige, die oppositionellen Bestrebungen der Herren Stände in der intelligenten Mittelklasse so durchaus keine Sympathien finden, daß man es vorzieht, auto- nomisch von Wien regiert zu werden, daß man seine Freude daran hat, wenn den hohen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hof¬ kanzlei zugewendet wird, reicht vollkommen aus, die ständischen Tendenzen zu charakterisiren." Ich glaube nicht, daß sich die Stände über ihre Popularität Illusionen machen; sie wissen wohl eben so gut als ich, und wie mancher andere unparteiische Beobachter, daß die Bureaukratie, die den Ständen nicht" hold sein kann, den Mittelklassen den grö߬ ten Theil ihrer Intelligenzen verschlingt, daß schon der Studienplan Oesterreichs es sich zur Hauptaufgabe gesetzt hat, den Jüngling vor allem Andern blindlings gehorchen zu lehren, um aus ihm ei¬ nen gehorsamen Diener, nicht nur Sr. Majestät, sondern auch der Behörden zu erziehen, die die Legislativ- mit der Erecutiv-Gewalt in sich vereinigen. Wer aber seinen Kopf von allen schädlichen Einflüssen mechanischer Actmfabrication, und sein Gemüth von Neid 51»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/411>, abgerufen am 29.04.2024.