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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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und wie löblich auch diese Stiftung sein möge, die Verhältnisse der
polnischen Bauern lassen wohl noch eine bessere und humanere An¬
wendung dieses Geldes zu, indem die Ablösung einiger Tausend höri¬
ger Landleute jedenfalls eine schönere Sache scheint, als die Abfütte¬
rung einer gewissen Anzahl Elender, welche eben nur darum elend
geworden sind, weil sie ihr Leben in Botmäßigkeit und Jammer zu¬
gebracht haben.


M.
Die Czechen im Salon.

Wieder einen Schritt vorwärts glaubt Prags erclusive Czechen-
partci gethan zu haben: sie hat nämlich eine Bürgerressource gebildet, in
welche nur Bürger Prags aufnahmsfähig, in welcher jedoch statu¬
tengemäß allen Sprachen gleiche Rechte eingeräumt sind. Rechts¬
gleichheit der Sprachen in den Statuten eines der Geselligkeit gewid¬
meten Vereins besonders ausgesprochen zu finden, ist befremdlich ge
ung, denn nie und nirgend war eine der Sprachen verpönt.

In ihrem Eifer für das schöne viel vergessene Böhmisch konnten
die Gründer jener erclusiven Vergnügensarena nicht umhin, durch
jene Sprachgleichheitsstipulation der böhmischen Sprache gleiche Rechte
statutarisch einzuräumen, um so die eigentliche Tendenz des Vereins,
wenn auch verdeckt, zu manifestiren, d. h. um sofort das Supremat
der böhmischen Sprache factisch eintreten zu lassen.

Wir gönnen den guten Gevattern Schneidern und Handschuh¬
machern das blasse Vergnügen und sind nicht lüstern nach den schö¬
nen Salons, in welchen der Bürger-Czechismus sich spreizt, sich in
hohem Spiegel in ganzer Figur betrachtet, und sich selbst verwundert,
wie er denn aus seiner gewöhnlichen Kneipe so plötzlich in fashio-
nable Gemächer gerathen.

Der Vermiether dieser Räume möge sich vorsehen, denn langer
Bestand ist dem Unternehmen wohl nicht beschicken; lange vorher
ward es besprochen, viele Mühe hat es den Leuten gekostet, die Sache
zum Durchbruch zu bringen, denn der nervus > pium ist's eben nicht,
von welchem der Bürger-Czechismus leicht überfließt; der wohlhäbige
Müller, Bäcker und Fleischer hält zähe am Baaren und liebt wohlfei¬
len Patriotismus. Doch ward den kleinen Leuten emsig vorgestellt, wel¬
chen Nutzen es ihnen bringen würde in ihrer Kundschaft, wenn sie
sich entschlössen, zahlreich beizutreten, in Zukunft würden Prags Sla-
vonier nur bei ihnen, als Nessourcegenosstn, Röcke und Stiefel,
Zäume und Gebisse arbeiten lassen, und so wurden denn die erfor¬
derlichen Subscribenten endlich mühselig zusammengeködert.

Stolz weisen die Leute aus die Subscribentenliste, wie auf ein
Ereignis) hin, wie sie schon früher auf die ausschließend böhmischen
Aushängschilder der Gewerbe wiesen, die sich seit Kurzem mehrten,


und wie löblich auch diese Stiftung sein möge, die Verhältnisse der
polnischen Bauern lassen wohl noch eine bessere und humanere An¬
wendung dieses Geldes zu, indem die Ablösung einiger Tausend höri¬
ger Landleute jedenfalls eine schönere Sache scheint, als die Abfütte¬
rung einer gewissen Anzahl Elender, welche eben nur darum elend
geworden sind, weil sie ihr Leben in Botmäßigkeit und Jammer zu¬
gebracht haben.


M.
Die Czechen im Salon.

Wieder einen Schritt vorwärts glaubt Prags erclusive Czechen-
partci gethan zu haben: sie hat nämlich eine Bürgerressource gebildet, in
welche nur Bürger Prags aufnahmsfähig, in welcher jedoch statu¬
tengemäß allen Sprachen gleiche Rechte eingeräumt sind. Rechts¬
gleichheit der Sprachen in den Statuten eines der Geselligkeit gewid¬
meten Vereins besonders ausgesprochen zu finden, ist befremdlich ge
ung, denn nie und nirgend war eine der Sprachen verpönt.

In ihrem Eifer für das schöne viel vergessene Böhmisch konnten
die Gründer jener erclusiven Vergnügensarena nicht umhin, durch
jene Sprachgleichheitsstipulation der böhmischen Sprache gleiche Rechte
statutarisch einzuräumen, um so die eigentliche Tendenz des Vereins,
wenn auch verdeckt, zu manifestiren, d. h. um sofort das Supremat
der böhmischen Sprache factisch eintreten zu lassen.

Wir gönnen den guten Gevattern Schneidern und Handschuh¬
machern das blasse Vergnügen und sind nicht lüstern nach den schö¬
nen Salons, in welchen der Bürger-Czechismus sich spreizt, sich in
hohem Spiegel in ganzer Figur betrachtet, und sich selbst verwundert,
wie er denn aus seiner gewöhnlichen Kneipe so plötzlich in fashio-
nable Gemächer gerathen.

Der Vermiether dieser Räume möge sich vorsehen, denn langer
Bestand ist dem Unternehmen wohl nicht beschicken; lange vorher
ward es besprochen, viele Mühe hat es den Leuten gekostet, die Sache
zum Durchbruch zu bringen, denn der nervus > pium ist's eben nicht,
von welchem der Bürger-Czechismus leicht überfließt; der wohlhäbige
Müller, Bäcker und Fleischer hält zähe am Baaren und liebt wohlfei¬
len Patriotismus. Doch ward den kleinen Leuten emsig vorgestellt, wel¬
chen Nutzen es ihnen bringen würde in ihrer Kundschaft, wenn sie
sich entschlössen, zahlreich beizutreten, in Zukunft würden Prags Sla-
vonier nur bei ihnen, als Nessourcegenosstn, Röcke und Stiefel,
Zäume und Gebisse arbeiten lassen, und so wurden denn die erfor¬
derlichen Subscribenten endlich mühselig zusammengeködert.

Stolz weisen die Leute aus die Subscribentenliste, wie auf ein
Ereignis) hin, wie sie schon früher auf die ausschließend böhmischen
Aushängschilder der Gewerbe wiesen, die sich seit Kurzem mehrten,


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[0421] und wie löblich auch diese Stiftung sein möge, die Verhältnisse der polnischen Bauern lassen wohl noch eine bessere und humanere An¬ wendung dieses Geldes zu, indem die Ablösung einiger Tausend höri¬ ger Landleute jedenfalls eine schönere Sache scheint, als die Abfütte¬ rung einer gewissen Anzahl Elender, welche eben nur darum elend geworden sind, weil sie ihr Leben in Botmäßigkeit und Jammer zu¬ gebracht haben. M. Die Czechen im Salon. Wieder einen Schritt vorwärts glaubt Prags erclusive Czechen- partci gethan zu haben: sie hat nämlich eine Bürgerressource gebildet, in welche nur Bürger Prags aufnahmsfähig, in welcher jedoch statu¬ tengemäß allen Sprachen gleiche Rechte eingeräumt sind. Rechts¬ gleichheit der Sprachen in den Statuten eines der Geselligkeit gewid¬ meten Vereins besonders ausgesprochen zu finden, ist befremdlich ge ung, denn nie und nirgend war eine der Sprachen verpönt. In ihrem Eifer für das schöne viel vergessene Böhmisch konnten die Gründer jener erclusiven Vergnügensarena nicht umhin, durch jene Sprachgleichheitsstipulation der böhmischen Sprache gleiche Rechte statutarisch einzuräumen, um so die eigentliche Tendenz des Vereins, wenn auch verdeckt, zu manifestiren, d. h. um sofort das Supremat der böhmischen Sprache factisch eintreten zu lassen. Wir gönnen den guten Gevattern Schneidern und Handschuh¬ machern das blasse Vergnügen und sind nicht lüstern nach den schö¬ nen Salons, in welchen der Bürger-Czechismus sich spreizt, sich in hohem Spiegel in ganzer Figur betrachtet, und sich selbst verwundert, wie er denn aus seiner gewöhnlichen Kneipe so plötzlich in fashio- nable Gemächer gerathen. Der Vermiether dieser Räume möge sich vorsehen, denn langer Bestand ist dem Unternehmen wohl nicht beschicken; lange vorher ward es besprochen, viele Mühe hat es den Leuten gekostet, die Sache zum Durchbruch zu bringen, denn der nervus > pium ist's eben nicht, von welchem der Bürger-Czechismus leicht überfließt; der wohlhäbige Müller, Bäcker und Fleischer hält zähe am Baaren und liebt wohlfei¬ len Patriotismus. Doch ward den kleinen Leuten emsig vorgestellt, wel¬ chen Nutzen es ihnen bringen würde in ihrer Kundschaft, wenn sie sich entschlössen, zahlreich beizutreten, in Zukunft würden Prags Sla- vonier nur bei ihnen, als Nessourcegenosstn, Röcke und Stiefel, Zäume und Gebisse arbeiten lassen, und so wurden denn die erfor¬ derlichen Subscribenten endlich mühselig zusammengeködert. Stolz weisen die Leute aus die Subscribentenliste, wie auf ein Ereignis) hin, wie sie schon früher auf die ausschließend böhmischen Aushängschilder der Gewerbe wiesen, die sich seit Kurzem mehrten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/421>, abgerufen am 29.04.2024.