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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Aus Paris.

Der Gesandte von Marocco und seine drei Millionen. -- Pariser Eitelkeit
und arabischer Geschmack. -- Wie die Franzosen Abtei Kader fangen- -- Der
Faschingsochse als licerarischcr Held; Eugen Sue's Popularität unter den
Fleischern. -- Fastenconcerte. -- Die Geldaristokratie unter den "Künstlern."

Der Gesandte von Marocco ist endlich mit seinem Gefolge ab¬
gereist und die Pariser haben noch vor Ende des Carnevals diese
Maskerade eingebüßt. Man sagt, der Repräsentant Sr. Majestät
des maroccanischen Kaisers, habe in den wenigen Wochen, die er in
Frankreich zugebracht, drei bis vier Millionen Franken ausgegeben.
Dieser Ben-Achache war jedenfalls splendider, als der Gesandte einer
deutschen Großmacht, der uns dieser Tage nach Jahre langem Auf¬
enthalte verlassen und der in zwanzig Jahren nicht verausgabte, was der
Maroccaner in zehn Wochen. Als der Sultan vonMarocco dem Sultan
von Frankreich einen Botschafter senden wollte, ließ er seinen Granden
kommen und sagte: ich habe dich erwählt, zieh'hin. Ein großer Herr
aus unserer civilisirten Welt hätte bei solcher Gelegenheit sich eifrig
nach der Summe seiner Appointements erkundigt, und mancher deutsche
Gesandte hätte im Stillen berechnet, wie viel von seinem Gehalte und
seinen Tafelgekdern sich jährlich einbringen lasse; der große Herr aus
der Barbarei verpfändete jedoch die Hälfte seiner Besitzung, steckte ei¬
nige Millionen in seinen Beutel und reiste ab. Seit dem Tage, an
welchem er den französischen Boden berührte, floß das Geld aus sei¬
nen Händen. Man erzählt viele hübsche Anekdoten von dem maroc¬
canischen Häuptling, die Hälfte ist natürlich erfunden, aber es bleibt
noch eine hübsche Hälfte übrig. So z. B. zeigte er sich gegen die
verführerischsten Damen mit der schlanksten Taille und den delicatesten
Füßchen, kalt und gemessen; aber als er an der königlichen Tafel zum
Erstenmale die riesige Gräfin Duchatel, die Gattin des Ministers, mit
ihren mehr als plastischen Formen erblickte, starrte er sie so unzweideutig
an, daß die Gräfin die Augen niederschlagen mußte und Alles rings-


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Aus Paris.

Der Gesandte von Marocco und seine drei Millionen. — Pariser Eitelkeit
und arabischer Geschmack. — Wie die Franzosen Abtei Kader fangen- — Der
Faschingsochse als licerarischcr Held; Eugen Sue's Popularität unter den
Fleischern. — Fastenconcerte. — Die Geldaristokratie unter den „Künstlern."

Der Gesandte von Marocco ist endlich mit seinem Gefolge ab¬
gereist und die Pariser haben noch vor Ende des Carnevals diese
Maskerade eingebüßt. Man sagt, der Repräsentant Sr. Majestät
des maroccanischen Kaisers, habe in den wenigen Wochen, die er in
Frankreich zugebracht, drei bis vier Millionen Franken ausgegeben.
Dieser Ben-Achache war jedenfalls splendider, als der Gesandte einer
deutschen Großmacht, der uns dieser Tage nach Jahre langem Auf¬
enthalte verlassen und der in zwanzig Jahren nicht verausgabte, was der
Maroccaner in zehn Wochen. Als der Sultan vonMarocco dem Sultan
von Frankreich einen Botschafter senden wollte, ließ er seinen Granden
kommen und sagte: ich habe dich erwählt, zieh'hin. Ein großer Herr
aus unserer civilisirten Welt hätte bei solcher Gelegenheit sich eifrig
nach der Summe seiner Appointements erkundigt, und mancher deutsche
Gesandte hätte im Stillen berechnet, wie viel von seinem Gehalte und
seinen Tafelgekdern sich jährlich einbringen lasse; der große Herr aus
der Barbarei verpfändete jedoch die Hälfte seiner Besitzung, steckte ei¬
nige Millionen in seinen Beutel und reiste ab. Seit dem Tage, an
welchem er den französischen Boden berührte, floß das Geld aus sei¬
nen Händen. Man erzählt viele hübsche Anekdoten von dem maroc¬
canischen Häuptling, die Hälfte ist natürlich erfunden, aber es bleibt
noch eine hübsche Hälfte übrig. So z. B. zeigte er sich gegen die
verführerischsten Damen mit der schlanksten Taille und den delicatesten
Füßchen, kalt und gemessen; aber als er an der königlichen Tafel zum
Erstenmale die riesige Gräfin Duchatel, die Gattin des Ministers, mit
ihren mehr als plastischen Formen erblickte, starrte er sie so unzweideutig
an, daß die Gräfin die Augen niederschlagen mußte und Alles rings-


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[0459] T a g e u clj. ?. Aus Paris. Der Gesandte von Marocco und seine drei Millionen. — Pariser Eitelkeit und arabischer Geschmack. — Wie die Franzosen Abtei Kader fangen- — Der Faschingsochse als licerarischcr Held; Eugen Sue's Popularität unter den Fleischern. — Fastenconcerte. — Die Geldaristokratie unter den „Künstlern." Der Gesandte von Marocco ist endlich mit seinem Gefolge ab¬ gereist und die Pariser haben noch vor Ende des Carnevals diese Maskerade eingebüßt. Man sagt, der Repräsentant Sr. Majestät des maroccanischen Kaisers, habe in den wenigen Wochen, die er in Frankreich zugebracht, drei bis vier Millionen Franken ausgegeben. Dieser Ben-Achache war jedenfalls splendider, als der Gesandte einer deutschen Großmacht, der uns dieser Tage nach Jahre langem Auf¬ enthalte verlassen und der in zwanzig Jahren nicht verausgabte, was der Maroccaner in zehn Wochen. Als der Sultan vonMarocco dem Sultan von Frankreich einen Botschafter senden wollte, ließ er seinen Granden kommen und sagte: ich habe dich erwählt, zieh'hin. Ein großer Herr aus unserer civilisirten Welt hätte bei solcher Gelegenheit sich eifrig nach der Summe seiner Appointements erkundigt, und mancher deutsche Gesandte hätte im Stillen berechnet, wie viel von seinem Gehalte und seinen Tafelgekdern sich jährlich einbringen lasse; der große Herr aus der Barbarei verpfändete jedoch die Hälfte seiner Besitzung, steckte ei¬ nige Millionen in seinen Beutel und reiste ab. Seit dem Tage, an welchem er den französischen Boden berührte, floß das Geld aus sei¬ nen Händen. Man erzählt viele hübsche Anekdoten von dem maroc¬ canischen Häuptling, die Hälfte ist natürlich erfunden, aber es bleibt noch eine hübsche Hälfte übrig. So z. B. zeigte er sich gegen die verführerischsten Damen mit der schlanksten Taille und den delicatesten Füßchen, kalt und gemessen; aber als er an der königlichen Tafel zum Erstenmale die riesige Gräfin Duchatel, die Gattin des Ministers, mit ihren mehr als plastischen Formen erblickte, starrte er sie so unzweideutig an, daß die Gräfin die Augen niederschlagen mußte und Alles rings- b7*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/459>, abgerufen am 29.04.2024.