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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ward nach einer ne"en Compositwn des jungen israelitischen Ton¬
künstlers Speyer schön und beweglich vorgetragen, und erregte unter
den Anwesenden (ob auch der staatsmännischen Region, bleibt unun-
tersucht) stürmischen, nicht endenden Applaus. Da fühlt sich das na¬
türlich Weib und Kind habende und sich schon ans die Bnndesfestung
Mainz abgeführt sehende Festcomit" erschüttert! wie kommt solcher re--
volutionäre Enthusiasmus in diese Versammlung? Wie kann irgend
ein Publicum so verwegen sein, in Gegenwart des hohen deutschen
Bundes dem deutschen Vaterlande zu applaudiren? Langer, stummer,
dumpfer Schmerz. Das Festcomit"; sieht einer Heerde Schafe gleich,
zwischen die der Blitz gefahren ist, noch nicht gezündet hat, aber jeden
Augenblick noch zündend erwartet wird. Endlich tritt, leichenblaß,
zitternd und bebend ein couragirtes Mitglied in den abgezirkelten
Raum hervor, und erklärt: man hoffe, diese stürmischen Beifallsbe¬
zeigungen nicht sowohl auf den Inhalt des Liedes, als anf die Ge¬
lungenheit der neuen (Komposition deuten zu dürfen, und erlaube sich,
im Namen des hoffnungsvollen Tonsetzers den gebührenden Dank
auszusprechen! Und dieser vorsichtige Mann ward keineswegs mit
Pauken und Trompeten auögepfiffen und ausgetrommelt, wie sich von
Gott- und Rechtswegen gebührt hätte, daß er einer deutschen Ver¬
sammlung, daß er den diplomatischen Koryphäen des Vaterlandes, den
Amphiktionen des deutschen Volkes solche Schmach in^s Angesicht ge¬
boten: nein, diese schauderhafte Verdrehung und Mißdeutung eines
herzerhebenden deutschen Gefühls ward als die klügste und glücklichste
Wendung willkommen geheißen, um ein allenfalls in den Seelen der
deutschen Bundesrepräsentanten aufsteigendes Gewitter über diese
Emancipation des natürlichen und gesunde!, NationalsinncS zu be¬
schwichtigen! So servil glaubte man noch im Jahre 1838 am Sitze
des höchsten deutschen Völkerrathes denken zu müssen und sowohl die,
welche sich auf diese Weise so tief wegwarfen, als jene, vor welchen
sie dies thaten, fanden solches Thun ganz in der Ordnung.


II.

Der Anblick Helgolands gewährt den geologischen Dilettanten
schon von fern an jene abgestumpften Granit- und Sandsteinsäulen,
welche im Elbrcveire der sächsischen Schweiz die durchgebrochene Fluth
zurückgelassen hat, namentlich an dem Lilienstein und dem Königstein,
denen die Gestalt der Insel, uur nach einem geräumigeren Maßstabe,
am nächsten kommt. Man kann sich in die Periode lebhaft versetzen,


ward nach einer ne»en Compositwn des jungen israelitischen Ton¬
künstlers Speyer schön und beweglich vorgetragen, und erregte unter
den Anwesenden (ob auch der staatsmännischen Region, bleibt unun-
tersucht) stürmischen, nicht endenden Applaus. Da fühlt sich das na¬
türlich Weib und Kind habende und sich schon ans die Bnndesfestung
Mainz abgeführt sehende Festcomit« erschüttert! wie kommt solcher re--
volutionäre Enthusiasmus in diese Versammlung? Wie kann irgend
ein Publicum so verwegen sein, in Gegenwart des hohen deutschen
Bundes dem deutschen Vaterlande zu applaudiren? Langer, stummer,
dumpfer Schmerz. Das Festcomit«; sieht einer Heerde Schafe gleich,
zwischen die der Blitz gefahren ist, noch nicht gezündet hat, aber jeden
Augenblick noch zündend erwartet wird. Endlich tritt, leichenblaß,
zitternd und bebend ein couragirtes Mitglied in den abgezirkelten
Raum hervor, und erklärt: man hoffe, diese stürmischen Beifallsbe¬
zeigungen nicht sowohl auf den Inhalt des Liedes, als anf die Ge¬
lungenheit der neuen (Komposition deuten zu dürfen, und erlaube sich,
im Namen des hoffnungsvollen Tonsetzers den gebührenden Dank
auszusprechen! Und dieser vorsichtige Mann ward keineswegs mit
Pauken und Trompeten auögepfiffen und ausgetrommelt, wie sich von
Gott- und Rechtswegen gebührt hätte, daß er einer deutschen Ver¬
sammlung, daß er den diplomatischen Koryphäen des Vaterlandes, den
Amphiktionen des deutschen Volkes solche Schmach in^s Angesicht ge¬
boten: nein, diese schauderhafte Verdrehung und Mißdeutung eines
herzerhebenden deutschen Gefühls ward als die klügste und glücklichste
Wendung willkommen geheißen, um ein allenfalls in den Seelen der
deutschen Bundesrepräsentanten aufsteigendes Gewitter über diese
Emancipation des natürlichen und gesunde!, NationalsinncS zu be¬
schwichtigen! So servil glaubte man noch im Jahre 1838 am Sitze
des höchsten deutschen Völkerrathes denken zu müssen und sowohl die,
welche sich auf diese Weise so tief wegwarfen, als jene, vor welchen
sie dies thaten, fanden solches Thun ganz in der Ordnung.


II.

Der Anblick Helgolands gewährt den geologischen Dilettanten
schon von fern an jene abgestumpften Granit- und Sandsteinsäulen,
welche im Elbrcveire der sächsischen Schweiz die durchgebrochene Fluth
zurückgelassen hat, namentlich an dem Lilienstein und dem Königstein,
denen die Gestalt der Insel, uur nach einem geräumigeren Maßstabe,
am nächsten kommt. Man kann sich in die Periode lebhaft versetzen,


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[0014] ward nach einer ne»en Compositwn des jungen israelitischen Ton¬ künstlers Speyer schön und beweglich vorgetragen, und erregte unter den Anwesenden (ob auch der staatsmännischen Region, bleibt unun- tersucht) stürmischen, nicht endenden Applaus. Da fühlt sich das na¬ türlich Weib und Kind habende und sich schon ans die Bnndesfestung Mainz abgeführt sehende Festcomit« erschüttert! wie kommt solcher re-- volutionäre Enthusiasmus in diese Versammlung? Wie kann irgend ein Publicum so verwegen sein, in Gegenwart des hohen deutschen Bundes dem deutschen Vaterlande zu applaudiren? Langer, stummer, dumpfer Schmerz. Das Festcomit«; sieht einer Heerde Schafe gleich, zwischen die der Blitz gefahren ist, noch nicht gezündet hat, aber jeden Augenblick noch zündend erwartet wird. Endlich tritt, leichenblaß, zitternd und bebend ein couragirtes Mitglied in den abgezirkelten Raum hervor, und erklärt: man hoffe, diese stürmischen Beifallsbe¬ zeigungen nicht sowohl auf den Inhalt des Liedes, als anf die Ge¬ lungenheit der neuen (Komposition deuten zu dürfen, und erlaube sich, im Namen des hoffnungsvollen Tonsetzers den gebührenden Dank auszusprechen! Und dieser vorsichtige Mann ward keineswegs mit Pauken und Trompeten auögepfiffen und ausgetrommelt, wie sich von Gott- und Rechtswegen gebührt hätte, daß er einer deutschen Ver¬ sammlung, daß er den diplomatischen Koryphäen des Vaterlandes, den Amphiktionen des deutschen Volkes solche Schmach in^s Angesicht ge¬ boten: nein, diese schauderhafte Verdrehung und Mißdeutung eines herzerhebenden deutschen Gefühls ward als die klügste und glücklichste Wendung willkommen geheißen, um ein allenfalls in den Seelen der deutschen Bundesrepräsentanten aufsteigendes Gewitter über diese Emancipation des natürlichen und gesunde!, NationalsinncS zu be¬ schwichtigen! So servil glaubte man noch im Jahre 1838 am Sitze des höchsten deutschen Völkerrathes denken zu müssen und sowohl die, welche sich auf diese Weise so tief wegwarfen, als jene, vor welchen sie dies thaten, fanden solches Thun ganz in der Ordnung. II. Der Anblick Helgolands gewährt den geologischen Dilettanten schon von fern an jene abgestumpften Granit- und Sandsteinsäulen, welche im Elbrcveire der sächsischen Schweiz die durchgebrochene Fluth zurückgelassen hat, namentlich an dem Lilienstein und dem Königstein, denen die Gestalt der Insel, uur nach einem geräumigeren Maßstabe, am nächsten kommt. Man kann sich in die Periode lebhaft versetzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/14>, abgerufen am 04.05.2024.