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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Zunftzwang und Gewerbefreiheit in Oesterreich



Zwei Briefe.*)
I.

Das Journal des österreichischen Lloyd brachte die Kunde von
einem beschlossenen Gesetze, demgemäß die meisten Zünfte und Innun¬
gen aufgehoben würden, und wer sich zu den noch bestehenden einrei¬
hen lassen wolle, müßte sich die dabei gebräuchlichen Bedingnisse ge¬
fallen lassen. Also Gewerbefreiheit, mit bloßen freiwilligen, nicht vom
Gesetze bedingten Corporationen. Nach dieser Anzeige erschraken sämmt¬
liche Zünfte, in dem Glauben, daß diese Art Gewerbefreiheit nur zum
Ruin der Gewerbe selbst ausschlagen müsse, indem sie jede ordnungs¬
mäßige, sociale Verbindung aufhebe, und allen Pfuschern Thür und
Thor offne, und zugleich eine gewerbliche Ueberbevölkerung herbeifüh¬
ren würde, deren Ende Armuth und Elend sein müßte. Da aber die
Regierung b.isher keine öffentliche Verordnung erscheinen ließ, so tröstet
man sich damit, daß die Wiener Gewerbsinhaber Vorstellungen gegen
ein derlei Gesetz gemacht und Gehör gefunden haben.-- Mau sehe nur
nach Preußen, welche schmerzhafte Folgen die unbedingte Gewerbefreiheit
gebracht, und wo man eben wieder bemüht ist, diese zu beschränken**).




*) Wir stellen hier zwei sich widersprechende Correspondenzen nebeneinander,
weil sie den Conflict der Meinungen, der in diesem Augenblicke über diese Frage
,n Oesterreich sich k D. Red. und gibt, deutlich abspiegeln.
**) Die unbedingte Gewerbefreiheit hat in Preußen über dreißig Jahre ge¬
herrscht, und hauptsächlich dazu beigetragen, daß der Staat sich von seinem Sturze
Zunftzwang und Gewerbefreiheit in Oesterreich



Zwei Briefe.*)
I.

Das Journal des österreichischen Lloyd brachte die Kunde von
einem beschlossenen Gesetze, demgemäß die meisten Zünfte und Innun¬
gen aufgehoben würden, und wer sich zu den noch bestehenden einrei¬
hen lassen wolle, müßte sich die dabei gebräuchlichen Bedingnisse ge¬
fallen lassen. Also Gewerbefreiheit, mit bloßen freiwilligen, nicht vom
Gesetze bedingten Corporationen. Nach dieser Anzeige erschraken sämmt¬
liche Zünfte, in dem Glauben, daß diese Art Gewerbefreiheit nur zum
Ruin der Gewerbe selbst ausschlagen müsse, indem sie jede ordnungs¬
mäßige, sociale Verbindung aufhebe, und allen Pfuschern Thür und
Thor offne, und zugleich eine gewerbliche Ueberbevölkerung herbeifüh¬
ren würde, deren Ende Armuth und Elend sein müßte. Da aber die
Regierung b.isher keine öffentliche Verordnung erscheinen ließ, so tröstet
man sich damit, daß die Wiener Gewerbsinhaber Vorstellungen gegen
ein derlei Gesetz gemacht und Gehör gefunden haben.— Mau sehe nur
nach Preußen, welche schmerzhafte Folgen die unbedingte Gewerbefreiheit
gebracht, und wo man eben wieder bemüht ist, diese zu beschränken**).




*) Wir stellen hier zwei sich widersprechende Correspondenzen nebeneinander,
weil sie den Conflict der Meinungen, der in diesem Augenblicke über diese Frage
,n Oesterreich sich k D. Red. und gibt, deutlich abspiegeln.
**) Die unbedingte Gewerbefreiheit hat in Preußen über dreißig Jahre ge¬
herrscht, und hauptsächlich dazu beigetragen, daß der Staat sich von seinem Sturze
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[0264] Zunftzwang und Gewerbefreiheit in Oesterreich Zwei Briefe.*) I. Das Journal des österreichischen Lloyd brachte die Kunde von einem beschlossenen Gesetze, demgemäß die meisten Zünfte und Innun¬ gen aufgehoben würden, und wer sich zu den noch bestehenden einrei¬ hen lassen wolle, müßte sich die dabei gebräuchlichen Bedingnisse ge¬ fallen lassen. Also Gewerbefreiheit, mit bloßen freiwilligen, nicht vom Gesetze bedingten Corporationen. Nach dieser Anzeige erschraken sämmt¬ liche Zünfte, in dem Glauben, daß diese Art Gewerbefreiheit nur zum Ruin der Gewerbe selbst ausschlagen müsse, indem sie jede ordnungs¬ mäßige, sociale Verbindung aufhebe, und allen Pfuschern Thür und Thor offne, und zugleich eine gewerbliche Ueberbevölkerung herbeifüh¬ ren würde, deren Ende Armuth und Elend sein müßte. Da aber die Regierung b.isher keine öffentliche Verordnung erscheinen ließ, so tröstet man sich damit, daß die Wiener Gewerbsinhaber Vorstellungen gegen ein derlei Gesetz gemacht und Gehör gefunden haben.— Mau sehe nur nach Preußen, welche schmerzhafte Folgen die unbedingte Gewerbefreiheit gebracht, und wo man eben wieder bemüht ist, diese zu beschränken**). *) Wir stellen hier zwei sich widersprechende Correspondenzen nebeneinander, weil sie den Conflict der Meinungen, der in diesem Augenblicke über diese Frage ,n Oesterreich sich k D. Red. und gibt, deutlich abspiegeln. **) Die unbedingte Gewerbefreiheit hat in Preußen über dreißig Jahre ge¬ herrscht, und hauptsächlich dazu beigetragen, daß der Staat sich von seinem Sturze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/264>, abgerufen am 04.05.2024.