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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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räumt, im anstoßenden großen Hofraum den Rest seiner Geschäfte ab¬
zuthun, wodurch das Publicum allerdings allen Unbilden der heißen
und kalten Jahreszeit preisgegeben ward, dafür aber den Herren Bör¬
sebeamten, den k. k. Herrn Portier und k. k. Herrn Hausknecht mit
eingeschlossen, die lang gewohnte Stunde zur Abhaltung ihres Mit¬
tagsmahles und ihrer Mittagssieste unverändert beließ.

Und dennoch war dies Alles noch recht schön im Vergleiche mit
dem Zustande, welcher gegenwärtig obwaltet. Der vorgedachte Hof¬
raum ist nämlich zu einer Art von Gassenladen eingeschrumpft, so eng,
daß der Antithierquälerei-Verein gewiß gegen die Einquartierung einer
Hundemente in diesem stallähnlichen, von kloakischen Ausdünstungen
erfüllten Locale Protest erheben würde. Aber die Unglücklichen, die
nun einmal einen Hauptnerv der österreichischen Handelswelt bilden,
sind gezwungen, hier durch einige Stunden zu verweilen, und können
nicht einmal in die benachbarten Straßen flüchten, da daselbst Alles
minder verunreigend als der geringste Geschäftsverkehr betrachtet wird;
dennoch gehören diese Straßen zu den minder frequenten, und abge¬
sehen von dem verschiedenartigen Vorgange an andern Handelsplätzen,
wird dem Kornhändler der Geschäftsverkehr auf freiem Markte ohne
allen Anstand verstattet.


IV. Post- und Mauthwesen. Verdienste des Handels¬
standes.

Die Unterordnung, welche die Wiener Handelsinteressen durch das
büreaukratische Verfahren im Post- und Mauthwesen erleiden, bietet
einen allzu ergiebigen Beitrag zu unserm Thema dar, als daß er hier
ganz stillschweigend übergangen werden könnte. Um halb 5 Uhr Nach¬
mittags müssen die abgehenden Briefe auf der Post aufgegeben sein, und
hiermit würde sich die Thunlichkeit, die ankommenden am selben Tage noch
zu beantworten, ziemlich gut vertragen, wenn die Briefe, welche mit
dem frühesten Morgen anlangen, nicht erst gegen halb 12 Uhr, die¬
jenigen, welche uni Uhr ankommen (preußisch-sächsisch-böhmischePost)
nicht erst um 4 Uhr ausgegeben würden: wohl aber läßt sich anneh¬
men, daß das Zeiterforderniß zur Sortirung von 3--4 Stunden auf
eine halbe bis höchstens Eine Stunde durch vertheiltere und flinkere
Manipulation herabgebracht werden könnte. Das ist noch nicht Alles.
Wenn die Posten sich verspäten, was im Winter und im Frühjahre
hei austretenden Gewässern häufig genug geschieht, so werden die Briefe,


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räumt, im anstoßenden großen Hofraum den Rest seiner Geschäfte ab¬
zuthun, wodurch das Publicum allerdings allen Unbilden der heißen
und kalten Jahreszeit preisgegeben ward, dafür aber den Herren Bör¬
sebeamten, den k. k. Herrn Portier und k. k. Herrn Hausknecht mit
eingeschlossen, die lang gewohnte Stunde zur Abhaltung ihres Mit¬
tagsmahles und ihrer Mittagssieste unverändert beließ.

Und dennoch war dies Alles noch recht schön im Vergleiche mit
dem Zustande, welcher gegenwärtig obwaltet. Der vorgedachte Hof¬
raum ist nämlich zu einer Art von Gassenladen eingeschrumpft, so eng,
daß der Antithierquälerei-Verein gewiß gegen die Einquartierung einer
Hundemente in diesem stallähnlichen, von kloakischen Ausdünstungen
erfüllten Locale Protest erheben würde. Aber die Unglücklichen, die
nun einmal einen Hauptnerv der österreichischen Handelswelt bilden,
sind gezwungen, hier durch einige Stunden zu verweilen, und können
nicht einmal in die benachbarten Straßen flüchten, da daselbst Alles
minder verunreigend als der geringste Geschäftsverkehr betrachtet wird;
dennoch gehören diese Straßen zu den minder frequenten, und abge¬
sehen von dem verschiedenartigen Vorgange an andern Handelsplätzen,
wird dem Kornhändler der Geschäftsverkehr auf freiem Markte ohne
allen Anstand verstattet.


IV. Post- und Mauthwesen. Verdienste des Handels¬
standes.

Die Unterordnung, welche die Wiener Handelsinteressen durch das
büreaukratische Verfahren im Post- und Mauthwesen erleiden, bietet
einen allzu ergiebigen Beitrag zu unserm Thema dar, als daß er hier
ganz stillschweigend übergangen werden könnte. Um halb 5 Uhr Nach¬
mittags müssen die abgehenden Briefe auf der Post aufgegeben sein, und
hiermit würde sich die Thunlichkeit, die ankommenden am selben Tage noch
zu beantworten, ziemlich gut vertragen, wenn die Briefe, welche mit
dem frühesten Morgen anlangen, nicht erst gegen halb 12 Uhr, die¬
jenigen, welche uni Uhr ankommen (preußisch-sächsisch-böhmischePost)
nicht erst um 4 Uhr ausgegeben würden: wohl aber läßt sich anneh¬
men, daß das Zeiterforderniß zur Sortirung von 3—4 Stunden auf
eine halbe bis höchstens Eine Stunde durch vertheiltere und flinkere
Manipulation herabgebracht werden könnte. Das ist noch nicht Alles.
Wenn die Posten sich verspäten, was im Winter und im Frühjahre
hei austretenden Gewässern häufig genug geschieht, so werden die Briefe,


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[0393] räumt, im anstoßenden großen Hofraum den Rest seiner Geschäfte ab¬ zuthun, wodurch das Publicum allerdings allen Unbilden der heißen und kalten Jahreszeit preisgegeben ward, dafür aber den Herren Bör¬ sebeamten, den k. k. Herrn Portier und k. k. Herrn Hausknecht mit eingeschlossen, die lang gewohnte Stunde zur Abhaltung ihres Mit¬ tagsmahles und ihrer Mittagssieste unverändert beließ. Und dennoch war dies Alles noch recht schön im Vergleiche mit dem Zustande, welcher gegenwärtig obwaltet. Der vorgedachte Hof¬ raum ist nämlich zu einer Art von Gassenladen eingeschrumpft, so eng, daß der Antithierquälerei-Verein gewiß gegen die Einquartierung einer Hundemente in diesem stallähnlichen, von kloakischen Ausdünstungen erfüllten Locale Protest erheben würde. Aber die Unglücklichen, die nun einmal einen Hauptnerv der österreichischen Handelswelt bilden, sind gezwungen, hier durch einige Stunden zu verweilen, und können nicht einmal in die benachbarten Straßen flüchten, da daselbst Alles minder verunreigend als der geringste Geschäftsverkehr betrachtet wird; dennoch gehören diese Straßen zu den minder frequenten, und abge¬ sehen von dem verschiedenartigen Vorgange an andern Handelsplätzen, wird dem Kornhändler der Geschäftsverkehr auf freiem Markte ohne allen Anstand verstattet. IV. Post- und Mauthwesen. Verdienste des Handels¬ standes. Die Unterordnung, welche die Wiener Handelsinteressen durch das büreaukratische Verfahren im Post- und Mauthwesen erleiden, bietet einen allzu ergiebigen Beitrag zu unserm Thema dar, als daß er hier ganz stillschweigend übergangen werden könnte. Um halb 5 Uhr Nach¬ mittags müssen die abgehenden Briefe auf der Post aufgegeben sein, und hiermit würde sich die Thunlichkeit, die ankommenden am selben Tage noch zu beantworten, ziemlich gut vertragen, wenn die Briefe, welche mit dem frühesten Morgen anlangen, nicht erst gegen halb 12 Uhr, die¬ jenigen, welche uni Uhr ankommen (preußisch-sächsisch-böhmischePost) nicht erst um 4 Uhr ausgegeben würden: wohl aber läßt sich anneh¬ men, daß das Zeiterforderniß zur Sortirung von 3—4 Stunden auf eine halbe bis höchstens Eine Stunde durch vertheiltere und flinkere Manipulation herabgebracht werden könnte. Das ist noch nicht Alles. Wenn die Posten sich verspäten, was im Winter und im Frühjahre hei austretenden Gewässern häufig genug geschieht, so werden die Briefe, 52-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/393>, abgerufen am 04.05.2024.