Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Spruch nähmen. Auf jeden Fall können wir uns daher von K. v!el ver¬
sprechen, er möge unserer Hoffnung, oder der Furcht der Gegner ent¬
^ sprechen.


II.
Aus Frankfurt am Main.

Die Stadt und die Bewohner. -- Umgebungen. -- Städtisches Musnim. --
Lessing. -- I),'. Rüppell. -- Fische. --

Sie wünschen, ungeachtet meines so kurzen hiesigen Aufenthaltes,
etwas aus und über Frankfurt zu hören und werden sich's also selbst
beizumessen haben, wenn die Ki" in stucliis verfütteren Herren Literaren
Ihren Korrespondenten der Ignoranz beschuldigen. Gleichwohl sollte es
mir ein Leichtes sein, Ihnen mit Hilfe der Quellen, d. h. der Hanauer
Zeitung, der "Gemeinnützigen Chronik", der deutfchberühmten Didas-
kalia. und des Conversationsblatres von Allem Rechenschaft zu geben,
was sich hier seit vier Wochen oder wie lange Sie wünschten, zugetragen
hat. Ich würde dies auch thun, wenn nicht daS Stuttgarter Morgen¬
blatt bereits solche Monatsberichte in Beschlag genommen hätte. Ich
würde zugleich die jedesmal hier erschienenen und mir von dankbaren
Buchhändlern eingehändigten Schriften loben, und fo würden weder Sie,
noch die Verleger mit mir unzufrieden sein.

So hätte ich schon ein kleines Stück meiner Korrespondenz zurück¬
gelegt, ohne etwas über Frankfurt gesagt zu haben, und nur aus Furcht
vor Ihnen lenke ich ein. Nachdem ich in den ersten Tagen die engen
Gassen mit den überbauten Häusern aus der alten, die breiten, hellen
Straßen mit den freundlichen Häufern aus der neuen Zeit, den Taunus¬
bahnhof mit dem in seiner Nähe entstandenen und entstehenden neuen
Stadtviertel betrachtet hatte, machte ich es hier wie in allen größern
Städten. Ich besuchte zuerst die öffentlichen Versammlungsörter.' die
Versammlungen der Lichtfreunde, die Gasthöfe, Kirchen, das Theater,
um ein Bild von den Menschen und ihren Sitten zu bekommen. Was
das Benehmen der Frankfurter betrifft, so wird hier erstaunlich viel auf
äußern Anstand gehalten. Sie können die größte Menschenmenge auf
dem Forsthause, auf der Mainlust, auf den Kirchweihen der benachbarten
Dörfer sehen, ohne lautes Lärmen und Ausgelassenheit wahrzunehmen.
Dabei ist der Frankfurter lebenslustig und weiß sich gleich den Phäaken
jeden Tag zu vergnügen und zwar ohne zu große Beschwerde des Beu¬
tels. Was mir an den Frankfurtern ganz besonders gefällt, ist ihre
Sprache. Da wird, wie im Handel, kein Vortheil verschmäht, jede ent¬
behrliche Vor- und Nachsylbe, jeder unnütze Buchstabe fallt aus und ich
erkenne jetzt vollkommen, warum Bettina, wie der Frankfurter überhaupt,
nicht von ihrer garstigen, aber bequemen Sprache lassen will.

Von den nächsten Umgebungen Frankfurts will ich Sie nicht unter¬
halten, sie ist weniger für die Beschreibung als für den Gebrauch, für
diesen aber vortrefflich. Nehmen Sie hinzu, wie nahe der Taunus mit


Spruch nähmen. Auf jeden Fall können wir uns daher von K. v!el ver¬
sprechen, er möge unserer Hoffnung, oder der Furcht der Gegner ent¬
^ sprechen.


II.
Aus Frankfurt am Main.

Die Stadt und die Bewohner. — Umgebungen. — Städtisches Musnim. —
Lessing. — I),'. Rüppell. — Fische. —

Sie wünschen, ungeachtet meines so kurzen hiesigen Aufenthaltes,
etwas aus und über Frankfurt zu hören und werden sich's also selbst
beizumessen haben, wenn die Ki« in stucliis verfütteren Herren Literaren
Ihren Korrespondenten der Ignoranz beschuldigen. Gleichwohl sollte es
mir ein Leichtes sein, Ihnen mit Hilfe der Quellen, d. h. der Hanauer
Zeitung, der „Gemeinnützigen Chronik", der deutfchberühmten Didas-
kalia. und des Conversationsblatres von Allem Rechenschaft zu geben,
was sich hier seit vier Wochen oder wie lange Sie wünschten, zugetragen
hat. Ich würde dies auch thun, wenn nicht daS Stuttgarter Morgen¬
blatt bereits solche Monatsberichte in Beschlag genommen hätte. Ich
würde zugleich die jedesmal hier erschienenen und mir von dankbaren
Buchhändlern eingehändigten Schriften loben, und fo würden weder Sie,
noch die Verleger mit mir unzufrieden sein.

So hätte ich schon ein kleines Stück meiner Korrespondenz zurück¬
gelegt, ohne etwas über Frankfurt gesagt zu haben, und nur aus Furcht
vor Ihnen lenke ich ein. Nachdem ich in den ersten Tagen die engen
Gassen mit den überbauten Häusern aus der alten, die breiten, hellen
Straßen mit den freundlichen Häufern aus der neuen Zeit, den Taunus¬
bahnhof mit dem in seiner Nähe entstandenen und entstehenden neuen
Stadtviertel betrachtet hatte, machte ich es hier wie in allen größern
Städten. Ich besuchte zuerst die öffentlichen Versammlungsörter.' die
Versammlungen der Lichtfreunde, die Gasthöfe, Kirchen, das Theater,
um ein Bild von den Menschen und ihren Sitten zu bekommen. Was
das Benehmen der Frankfurter betrifft, so wird hier erstaunlich viel auf
äußern Anstand gehalten. Sie können die größte Menschenmenge auf
dem Forsthause, auf der Mainlust, auf den Kirchweihen der benachbarten
Dörfer sehen, ohne lautes Lärmen und Ausgelassenheit wahrzunehmen.
Dabei ist der Frankfurter lebenslustig und weiß sich gleich den Phäaken
jeden Tag zu vergnügen und zwar ohne zu große Beschwerde des Beu¬
tels. Was mir an den Frankfurtern ganz besonders gefällt, ist ihre
Sprache. Da wird, wie im Handel, kein Vortheil verschmäht, jede ent¬
behrliche Vor- und Nachsylbe, jeder unnütze Buchstabe fallt aus und ich
erkenne jetzt vollkommen, warum Bettina, wie der Frankfurter überhaupt,
nicht von ihrer garstigen, aber bequemen Sprache lassen will.

Von den nächsten Umgebungen Frankfurts will ich Sie nicht unter¬
halten, sie ist weniger für die Beschreibung als für den Gebrauch, für
diesen aber vortrefflich. Nehmen Sie hinzu, wie nahe der Taunus mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183465"/>
              <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> Spruch nähmen. Auf jeden Fall können wir uns daher von K. v!el ver¬<lb/>
sprechen, er möge unserer Hoffnung, oder der Furcht der Gegner ent¬<lb/><note type="byline"> ^</note> sprechen. </p><lb/>
            </div>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II.<lb/>
Aus Frankfurt am Main.</head><lb/>
            <note type="argument"> Die Stadt und die Bewohner. &#x2014; Umgebungen. &#x2014; Städtisches Musnim. &#x2014;<lb/>
Lessing. &#x2014; I),'. Rüppell. &#x2014; Fische. &#x2014;</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1304"> Sie wünschen, ungeachtet meines so kurzen hiesigen Aufenthaltes,<lb/>
etwas aus und über Frankfurt zu hören und werden sich's also selbst<lb/>
beizumessen haben, wenn die Ki« in stucliis verfütteren Herren Literaren<lb/>
Ihren Korrespondenten der Ignoranz beschuldigen. Gleichwohl sollte es<lb/>
mir ein Leichtes sein, Ihnen mit Hilfe der Quellen, d. h. der Hanauer<lb/>
Zeitung, der &#x201E;Gemeinnützigen Chronik", der deutfchberühmten Didas-<lb/>
kalia. und des Conversationsblatres von Allem Rechenschaft zu geben,<lb/>
was sich hier seit vier Wochen oder wie lange Sie wünschten, zugetragen<lb/>
hat. Ich würde dies auch thun, wenn nicht daS Stuttgarter Morgen¬<lb/>
blatt bereits solche Monatsberichte in Beschlag genommen hätte. Ich<lb/>
würde zugleich die jedesmal hier erschienenen und mir von dankbaren<lb/>
Buchhändlern eingehändigten Schriften loben, und fo würden weder Sie,<lb/>
noch die Verleger mit mir unzufrieden sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1305"> So hätte ich schon ein kleines Stück meiner Korrespondenz zurück¬<lb/>
gelegt, ohne etwas über Frankfurt gesagt zu haben, und nur aus Furcht<lb/>
vor Ihnen lenke ich ein. Nachdem ich in den ersten Tagen die engen<lb/>
Gassen mit den überbauten Häusern aus der alten, die breiten, hellen<lb/>
Straßen mit den freundlichen Häufern aus der neuen Zeit, den Taunus¬<lb/>
bahnhof mit dem in seiner Nähe entstandenen und entstehenden neuen<lb/>
Stadtviertel betrachtet hatte, machte ich es hier wie in allen größern<lb/>
Städten. Ich besuchte zuerst die öffentlichen Versammlungsörter.' die<lb/>
Versammlungen der Lichtfreunde, die Gasthöfe, Kirchen, das Theater,<lb/>
um ein Bild von den Menschen und ihren Sitten zu bekommen. Was<lb/>
das Benehmen der Frankfurter betrifft, so wird hier erstaunlich viel auf<lb/>
äußern Anstand gehalten. Sie können die größte Menschenmenge auf<lb/>
dem Forsthause, auf der Mainlust, auf den Kirchweihen der benachbarten<lb/>
Dörfer sehen, ohne lautes Lärmen und Ausgelassenheit wahrzunehmen.<lb/>
Dabei ist der Frankfurter lebenslustig und weiß sich gleich den Phäaken<lb/>
jeden Tag zu vergnügen und zwar ohne zu große Beschwerde des Beu¬<lb/>
tels. Was mir an den Frankfurtern ganz besonders gefällt, ist ihre<lb/>
Sprache. Da wird, wie im Handel, kein Vortheil verschmäht, jede ent¬<lb/>
behrliche Vor- und Nachsylbe, jeder unnütze Buchstabe fallt aus und ich<lb/>
erkenne jetzt vollkommen, warum Bettina, wie der Frankfurter überhaupt,<lb/>
nicht von ihrer garstigen, aber bequemen Sprache lassen will.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1306" next="#ID_1307"> Von den nächsten Umgebungen Frankfurts will ich Sie nicht unter¬<lb/>
halten, sie ist weniger für die Beschreibung als für den Gebrauch, für<lb/>
diesen aber vortrefflich.  Nehmen Sie hinzu, wie nahe der Taunus mit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0444] Spruch nähmen. Auf jeden Fall können wir uns daher von K. v!el ver¬ sprechen, er möge unserer Hoffnung, oder der Furcht der Gegner ent¬ ^ sprechen. II. Aus Frankfurt am Main. Die Stadt und die Bewohner. — Umgebungen. — Städtisches Musnim. — Lessing. — I),'. Rüppell. — Fische. — Sie wünschen, ungeachtet meines so kurzen hiesigen Aufenthaltes, etwas aus und über Frankfurt zu hören und werden sich's also selbst beizumessen haben, wenn die Ki« in stucliis verfütteren Herren Literaren Ihren Korrespondenten der Ignoranz beschuldigen. Gleichwohl sollte es mir ein Leichtes sein, Ihnen mit Hilfe der Quellen, d. h. der Hanauer Zeitung, der „Gemeinnützigen Chronik", der deutfchberühmten Didas- kalia. und des Conversationsblatres von Allem Rechenschaft zu geben, was sich hier seit vier Wochen oder wie lange Sie wünschten, zugetragen hat. Ich würde dies auch thun, wenn nicht daS Stuttgarter Morgen¬ blatt bereits solche Monatsberichte in Beschlag genommen hätte. Ich würde zugleich die jedesmal hier erschienenen und mir von dankbaren Buchhändlern eingehändigten Schriften loben, und fo würden weder Sie, noch die Verleger mit mir unzufrieden sein. So hätte ich schon ein kleines Stück meiner Korrespondenz zurück¬ gelegt, ohne etwas über Frankfurt gesagt zu haben, und nur aus Furcht vor Ihnen lenke ich ein. Nachdem ich in den ersten Tagen die engen Gassen mit den überbauten Häusern aus der alten, die breiten, hellen Straßen mit den freundlichen Häufern aus der neuen Zeit, den Taunus¬ bahnhof mit dem in seiner Nähe entstandenen und entstehenden neuen Stadtviertel betrachtet hatte, machte ich es hier wie in allen größern Städten. Ich besuchte zuerst die öffentlichen Versammlungsörter.' die Versammlungen der Lichtfreunde, die Gasthöfe, Kirchen, das Theater, um ein Bild von den Menschen und ihren Sitten zu bekommen. Was das Benehmen der Frankfurter betrifft, so wird hier erstaunlich viel auf äußern Anstand gehalten. Sie können die größte Menschenmenge auf dem Forsthause, auf der Mainlust, auf den Kirchweihen der benachbarten Dörfer sehen, ohne lautes Lärmen und Ausgelassenheit wahrzunehmen. Dabei ist der Frankfurter lebenslustig und weiß sich gleich den Phäaken jeden Tag zu vergnügen und zwar ohne zu große Beschwerde des Beu¬ tels. Was mir an den Frankfurtern ganz besonders gefällt, ist ihre Sprache. Da wird, wie im Handel, kein Vortheil verschmäht, jede ent¬ behrliche Vor- und Nachsylbe, jeder unnütze Buchstabe fallt aus und ich erkenne jetzt vollkommen, warum Bettina, wie der Frankfurter überhaupt, nicht von ihrer garstigen, aber bequemen Sprache lassen will. Von den nächsten Umgebungen Frankfurts will ich Sie nicht unter¬ halten, sie ist weniger für die Beschreibung als für den Gebrauch, für diesen aber vortrefflich. Nehmen Sie hinzu, wie nahe der Taunus mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/444
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/444>, abgerufen am 04.05.2024.