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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Ueber einige Bilder der diesjährigen Berliner
Kunstausstellung.
Bon
A. von Sternberg.



Das Portrait der Sängerin Fräulein Lind von Herrn Professor
Magnus gemalt. Als Portrait sowohl, wie als Bild sehr bemerkens¬
wert!). Die junge Dame sitzt auf einem mit braunrothem Seidenstoffe
überzogenen Ruhebette, sie ist in ein weißes schwerseidneö Gewand ge¬
kleidet, und hat nachlässig einen bläulich-grünen Shawl übergeworfen,
der sich über das Knie herüberdrappirt und trefflich mit den Farben
des Hintergrundes und der Umgebung harmonirt. Die Haltung des
Oberkörpers ist etwas nach vorn gebeugt, graziös und unbefangen,
die Hände sind ebenfalls sehr gefällig und ohne die, bei solchen Gele¬
genheiten üblichen, Rotenrollen und dergleichen Kunstattribute in An¬
wendung zu bringen, auf's Knie gestützt, der Kopf zur Linken gewen¬
det, fast ganz tace, mit ziemlich starkem Augenaufschlag, wodurch dem
Relief des Auges ein schöner Lichteffect zugewendet wird. Das Bild
gibt sich ungemein anmuthig und voll Leben. Es thut auch wohl,
daß der Atlas des Kleides sehr passend gemalt ist, wodurch die Fleisch¬
töne eine weiche Färbung erhalten. Anden Oberarmen, wo das Ge¬
wand ansitzt, ist ein starker Mennigton, der fast zu nackt dasteht, und
in der Entfernung angesehen sein will, wo er Wirkung macht. Was
den Ausdruck betrifft, so ist die junge Künstlerin, die der Liebling des
Berliner Publicums wurde, mit der sanften und heitern Miene der Ju¬
gend dargestellt, vom Künstler mit großer Wärme und Theilnahme auf¬
gefaßt. Diese Wärme hat dem Pinsel Mäßigung geboten und gefälli¬
ges Ausweichen, wo in der Natur eine eigensinnige Farbe oft an el-


Ueber einige Bilder der diesjährigen Berliner
Kunstausstellung.
Bon
A. von Sternberg.



Das Portrait der Sängerin Fräulein Lind von Herrn Professor
Magnus gemalt. Als Portrait sowohl, wie als Bild sehr bemerkens¬
wert!). Die junge Dame sitzt auf einem mit braunrothem Seidenstoffe
überzogenen Ruhebette, sie ist in ein weißes schwerseidneö Gewand ge¬
kleidet, und hat nachlässig einen bläulich-grünen Shawl übergeworfen,
der sich über das Knie herüberdrappirt und trefflich mit den Farben
des Hintergrundes und der Umgebung harmonirt. Die Haltung des
Oberkörpers ist etwas nach vorn gebeugt, graziös und unbefangen,
die Hände sind ebenfalls sehr gefällig und ohne die, bei solchen Gele¬
genheiten üblichen, Rotenrollen und dergleichen Kunstattribute in An¬
wendung zu bringen, auf's Knie gestützt, der Kopf zur Linken gewen¬
det, fast ganz tace, mit ziemlich starkem Augenaufschlag, wodurch dem
Relief des Auges ein schöner Lichteffect zugewendet wird. Das Bild
gibt sich ungemein anmuthig und voll Leben. Es thut auch wohl,
daß der Atlas des Kleides sehr passend gemalt ist, wodurch die Fleisch¬
töne eine weiche Färbung erhalten. Anden Oberarmen, wo das Ge¬
wand ansitzt, ist ein starker Mennigton, der fast zu nackt dasteht, und
in der Entfernung angesehen sein will, wo er Wirkung macht. Was
den Ausdruck betrifft, so ist die junge Künstlerin, die der Liebling des
Berliner Publicums wurde, mit der sanften und heitern Miene der Ju¬
gend dargestellt, vom Künstler mit großer Wärme und Theilnahme auf¬
gefaßt. Diese Wärme hat dem Pinsel Mäßigung geboten und gefälli¬
ges Ausweichen, wo in der Natur eine eigensinnige Farbe oft an el-


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[0503] Ueber einige Bilder der diesjährigen Berliner Kunstausstellung. Bon A. von Sternberg. Das Portrait der Sängerin Fräulein Lind von Herrn Professor Magnus gemalt. Als Portrait sowohl, wie als Bild sehr bemerkens¬ wert!). Die junge Dame sitzt auf einem mit braunrothem Seidenstoffe überzogenen Ruhebette, sie ist in ein weißes schwerseidneö Gewand ge¬ kleidet, und hat nachlässig einen bläulich-grünen Shawl übergeworfen, der sich über das Knie herüberdrappirt und trefflich mit den Farben des Hintergrundes und der Umgebung harmonirt. Die Haltung des Oberkörpers ist etwas nach vorn gebeugt, graziös und unbefangen, die Hände sind ebenfalls sehr gefällig und ohne die, bei solchen Gele¬ genheiten üblichen, Rotenrollen und dergleichen Kunstattribute in An¬ wendung zu bringen, auf's Knie gestützt, der Kopf zur Linken gewen¬ det, fast ganz tace, mit ziemlich starkem Augenaufschlag, wodurch dem Relief des Auges ein schöner Lichteffect zugewendet wird. Das Bild gibt sich ungemein anmuthig und voll Leben. Es thut auch wohl, daß der Atlas des Kleides sehr passend gemalt ist, wodurch die Fleisch¬ töne eine weiche Färbung erhalten. Anden Oberarmen, wo das Ge¬ wand ansitzt, ist ein starker Mennigton, der fast zu nackt dasteht, und in der Entfernung angesehen sein will, wo er Wirkung macht. Was den Ausdruck betrifft, so ist die junge Künstlerin, die der Liebling des Berliner Publicums wurde, mit der sanften und heitern Miene der Ju¬ gend dargestellt, vom Künstler mit großer Wärme und Theilnahme auf¬ gefaßt. Diese Wärme hat dem Pinsel Mäßigung geboten und gefälli¬ ges Ausweichen, wo in der Natur eine eigensinnige Farbe oft an el-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/503>, abgerufen am 04.05.2024.