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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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schickteste und umsichtigste ist, kann nicht alle Verhältnisse, um so mehr,
wenn sie in's Privatleben hinüber spielen, kennen, er muß sich also auf
die Ehrenhaftigkeit seines Korrespondenten verlassen, er darf nicht einmal
daran zweifeln, ohne sich in seinen eigenen Augen an Credit zu schaden,
und in welche schiefe Stellung wird also oft ein Blatt durch einen sol¬
chen (Korrespondenten versetzt.

Darin ist wohl auch die ausländische deutsche Presse mit der öster¬
reichischen einverstanden, daß hinsichtlich des Eorrespondcnzwcsens etwas
geschehen müsse; nun haben merkwürdigerweise die Oesterreicher in dieser
Hinsicht die Initiative ergriffen; aber sollte nicht die freiere deutsche Presse
diese Idee aufgreifen, sollte es, wie es in mancher Hinsicht schon zu ei¬
ner Vereinigung gekommen ist, nicht auch in diesem Falle zu einer sol¬
chen kommen können, wo die Ehre und Würde der Journalistik auf dem
Spiele steht? Jetzt, wo die deutsche Schriftstellerversammlung in Wei¬
mar zusammentritt, wäre es gewiß am passendsten und von hohem In¬
teresse, wenn dieselbe Frage, die im vorigen Jahre bereits angeregt, aber
nicht gelöst wurde, einer neuen, gründlicheren Discussion unterworfen
C. C. C. würde").


III.
Die feindlichen Brüder ans Liebe.

So müßte eigentlich die merkwürdige Vorstellung des Michael Beer'-
schen "Struensee" heißen, zu welchem Meyerbeer die Musik componirt



Die Red.
^) Eben daß die vorjährige Schriftstellcrversammlung kein Mittel fand, be¬
weist, wie schwer hier der Ausweg ist. Nicht an dem guten und ehrlichen Willen
der Redactionen liegt es, sondern an der Heimlichkeit unserer Zustände. Wer ist
gut unterrichtet in Deutschland'? Welche Redaction kann das beurtheilen? Sie
kann blos schließe", dieser Mann ist vermöge seiner Stellung, seiner Verbindun¬
gen, seiner Kenntnisse, besser im Stande Einsicht in diese oder jene Sache zu ha¬
ben, als mancher Andere. Als absolut wahr und unumstößlich gibt selten eine
Redaction ihre Nachrichten aus, der edelste und trefflichste Schriftsteller kann,
muß oft sich irren. So weit ist das Publicum bereits herangebildet, um das ein¬
zusehen, und die meisten Nachrichten werden daher erst geglaubt, wenn sie sich
mehrfach bestätigen. Die Presse hat keineswegs den absoluten Glauben, den man
ihr zutraut. Die Empfindlichkeit, welche die Regierungen und einzelne Privat¬
personen gegen eine unrichtige oder übereilte Korrespondenz zeigen, ist daher eine
krankhafte und ungerechte. Wir möchten fragen, ob denn die theuer bezahlte, ge¬
heime Polizei, die kostbaren Gesandtschaftsberichte nicht auch oft genug Falsches
und Uebereiltcs melden. Bon der Presse gilt wenigstens der Erfahrungssatz, daß
sie selbst die Wunden wieder heilt, die sie geschlagen. Kann man das der geHel¬
men Polizei gleichfalls nachrühmen?"action

schickteste und umsichtigste ist, kann nicht alle Verhältnisse, um so mehr,
wenn sie in's Privatleben hinüber spielen, kennen, er muß sich also auf
die Ehrenhaftigkeit seines Korrespondenten verlassen, er darf nicht einmal
daran zweifeln, ohne sich in seinen eigenen Augen an Credit zu schaden,
und in welche schiefe Stellung wird also oft ein Blatt durch einen sol¬
chen (Korrespondenten versetzt.

Darin ist wohl auch die ausländische deutsche Presse mit der öster¬
reichischen einverstanden, daß hinsichtlich des Eorrespondcnzwcsens etwas
geschehen müsse; nun haben merkwürdigerweise die Oesterreicher in dieser
Hinsicht die Initiative ergriffen; aber sollte nicht die freiere deutsche Presse
diese Idee aufgreifen, sollte es, wie es in mancher Hinsicht schon zu ei¬
ner Vereinigung gekommen ist, nicht auch in diesem Falle zu einer sol¬
chen kommen können, wo die Ehre und Würde der Journalistik auf dem
Spiele steht? Jetzt, wo die deutsche Schriftstellerversammlung in Wei¬
mar zusammentritt, wäre es gewiß am passendsten und von hohem In¬
teresse, wenn dieselbe Frage, die im vorigen Jahre bereits angeregt, aber
nicht gelöst wurde, einer neuen, gründlicheren Discussion unterworfen
C. C. C. würde").


III.
Die feindlichen Brüder ans Liebe.

So müßte eigentlich die merkwürdige Vorstellung des Michael Beer'-
schen „Struensee" heißen, zu welchem Meyerbeer die Musik componirt



Die Red.
^) Eben daß die vorjährige Schriftstellcrversammlung kein Mittel fand, be¬
weist, wie schwer hier der Ausweg ist. Nicht an dem guten und ehrlichen Willen
der Redactionen liegt es, sondern an der Heimlichkeit unserer Zustände. Wer ist
gut unterrichtet in Deutschland'? Welche Redaction kann das beurtheilen? Sie
kann blos schließe», dieser Mann ist vermöge seiner Stellung, seiner Verbindun¬
gen, seiner Kenntnisse, besser im Stande Einsicht in diese oder jene Sache zu ha¬
ben, als mancher Andere. Als absolut wahr und unumstößlich gibt selten eine
Redaction ihre Nachrichten aus, der edelste und trefflichste Schriftsteller kann,
muß oft sich irren. So weit ist das Publicum bereits herangebildet, um das ein¬
zusehen, und die meisten Nachrichten werden daher erst geglaubt, wenn sie sich
mehrfach bestätigen. Die Presse hat keineswegs den absoluten Glauben, den man
ihr zutraut. Die Empfindlichkeit, welche die Regierungen und einzelne Privat¬
personen gegen eine unrichtige oder übereilte Korrespondenz zeigen, ist daher eine
krankhafte und ungerechte. Wir möchten fragen, ob denn die theuer bezahlte, ge¬
heime Polizei, die kostbaren Gesandtschaftsberichte nicht auch oft genug Falsches
und Uebereiltcs melden. Bon der Presse gilt wenigstens der Erfahrungssatz, daß
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men Polizei gleichfalls nachrühmen?"action
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[0512] schickteste und umsichtigste ist, kann nicht alle Verhältnisse, um so mehr, wenn sie in's Privatleben hinüber spielen, kennen, er muß sich also auf die Ehrenhaftigkeit seines Korrespondenten verlassen, er darf nicht einmal daran zweifeln, ohne sich in seinen eigenen Augen an Credit zu schaden, und in welche schiefe Stellung wird also oft ein Blatt durch einen sol¬ chen (Korrespondenten versetzt. Darin ist wohl auch die ausländische deutsche Presse mit der öster¬ reichischen einverstanden, daß hinsichtlich des Eorrespondcnzwcsens etwas geschehen müsse; nun haben merkwürdigerweise die Oesterreicher in dieser Hinsicht die Initiative ergriffen; aber sollte nicht die freiere deutsche Presse diese Idee aufgreifen, sollte es, wie es in mancher Hinsicht schon zu ei¬ ner Vereinigung gekommen ist, nicht auch in diesem Falle zu einer sol¬ chen kommen können, wo die Ehre und Würde der Journalistik auf dem Spiele steht? Jetzt, wo die deutsche Schriftstellerversammlung in Wei¬ mar zusammentritt, wäre es gewiß am passendsten und von hohem In¬ teresse, wenn dieselbe Frage, die im vorigen Jahre bereits angeregt, aber nicht gelöst wurde, einer neuen, gründlicheren Discussion unterworfen C. C. C. würde"). III. Die feindlichen Brüder ans Liebe. So müßte eigentlich die merkwürdige Vorstellung des Michael Beer'- schen „Struensee" heißen, zu welchem Meyerbeer die Musik componirt Die Red. ^) Eben daß die vorjährige Schriftstellcrversammlung kein Mittel fand, be¬ weist, wie schwer hier der Ausweg ist. Nicht an dem guten und ehrlichen Willen der Redactionen liegt es, sondern an der Heimlichkeit unserer Zustände. Wer ist gut unterrichtet in Deutschland'? Welche Redaction kann das beurtheilen? Sie kann blos schließe», dieser Mann ist vermöge seiner Stellung, seiner Verbindun¬ gen, seiner Kenntnisse, besser im Stande Einsicht in diese oder jene Sache zu ha¬ ben, als mancher Andere. Als absolut wahr und unumstößlich gibt selten eine Redaction ihre Nachrichten aus, der edelste und trefflichste Schriftsteller kann, muß oft sich irren. So weit ist das Publicum bereits herangebildet, um das ein¬ zusehen, und die meisten Nachrichten werden daher erst geglaubt, wenn sie sich mehrfach bestätigen. Die Presse hat keineswegs den absoluten Glauben, den man ihr zutraut. Die Empfindlichkeit, welche die Regierungen und einzelne Privat¬ personen gegen eine unrichtige oder übereilte Korrespondenz zeigen, ist daher eine krankhafte und ungerechte. Wir möchten fragen, ob denn die theuer bezahlte, ge¬ heime Polizei, die kostbaren Gesandtschaftsberichte nicht auch oft genug Falsches und Uebereiltcs melden. Bon der Presse gilt wenigstens der Erfahrungssatz, daß sie selbst die Wunden wieder heilt, die sie geschlagen. Kann man das der geHel¬ men Polizei gleichfalls nachrühmen?"action

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/512>, abgerufen am 04.05.2024.