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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Aus P e se h.

Schriftsteller-Loose. -- Eine slavische Buchhandlung auf Actien. -- Schindlers
bergmännische Briefe. Herr von Corvin.

Ich habe unlängst des armen Petöfy Erwähnung gethan, der
im Vertrauen auf sein poetisches Talent seinen militärischen Stand
aufgab, und sich der Literatur widmete, der aber bald die bittere Erfah¬
rung machte, daß sich die ganze Gönnerschaft der Magnaten blos auf
ein paar Spalten Aeitungslob zu beschränken pflegt und eine that¬
kräftige Freundschaft von unsern literarischen Magnaten umsonst er¬
wartet wird, so daß er zuletzt wieder als gemeiner Soldat unter die
Fahne treten mußte, um nicht zu verhungern. Vielleicht wirft man
mir ein, das sei Poetenloos, und unsere praktische, mit bestimmten
Interessen vollauf beschäftigte Zeit habe weder Lust noch Zeit, um sich
um harmlose Sänger zu bekümmern, allein es zeigt sich, daß auch
jene Schriftsteller, die ihre Thätigkeit der politischen Debatte und den
praktischen Zeitfragen zuwenden, nicht jelten, zumal, wenn sie nicht
von Geburt aus begütert sind, oder von der Bewegung emporgeho¬
ben werden, kein beneidenswerthes Loos haben. So ist z. B. erst
jüngst Herr Kovalsocz", ein tüchtiger Publicist und früher Redakteur
der ^in?.vti l,!jsi^, gestorben. Er war ein Mann von 4t Jahren,
voll Kenntnisse und politischer Erfahrung, stand lange Zeit an der
Spitze eines einflußreichen Blattes und verkümmerte dennoch in Elend
und Armuth, und sein ganzes Leichengesolge bestand in vier Men¬
schen, mitleidige Seelen, die ihre Achtung nicht von den äußern Ver¬
hältnissen des Verstorbenen abhängig machten, wie seine übrigen Zunft¬
genossen. -- Die Wahrnehmung, daß manche Richtung in der Lite¬
ratur blos darum nicht so vertreten wird, wie sie mochte und könnte.
Weil sie keinen Literaturkaufmann findet, der bereit ist, sein Geld zu
der Sache Herzuleihen, hat schon lange manches feurige Herz mit bit-
rerem Unmuth erfüllt, bis endlich inAgram eine Unternehmung hervortrat,
die der Noth ein Ende machen will. Die illyrische Partei, welche
überhaupt eine außerordentliche Thätigkeit entfaltet, seit ihnen der Sieg
im Kampfe des politischen Leben gelächelt hat, geht damit um, in
Agram eine Buchhandlung auf Actien zu begründen, deren. Aufgabe
es sein soll, dem slavischen Streben kräftig unter die Arme zu grei¬
fen und den jungen, aufsprossenden Talenten hilfreich entgegenzukommen.
Es nimmt mich Wunder, daß dieses Auskunftsmittel nicht schon öfter, und
zumal in Deutschland, versucht worden ist, wo es zwar selten an einem
Buchhändler fehlen mag, der bereit ist, sich mit einer gewissen Ten¬
denz zu identificiren, doch mögen die Geldmittel desselben bei dem be¬
sten Willen eine entschiedenere Entfaltung und consequente Durchfüh¬
rung der repräsentirten Richtung manchmal nickt gestatten, und da


Grenzboten, ISiv. II. A
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Schriftsteller-Loose. — Eine slavische Buchhandlung auf Actien. — Schindlers
bergmännische Briefe. Herr von Corvin.

Ich habe unlängst des armen Petöfy Erwähnung gethan, der
im Vertrauen auf sein poetisches Talent seinen militärischen Stand
aufgab, und sich der Literatur widmete, der aber bald die bittere Erfah¬
rung machte, daß sich die ganze Gönnerschaft der Magnaten blos auf
ein paar Spalten Aeitungslob zu beschränken pflegt und eine that¬
kräftige Freundschaft von unsern literarischen Magnaten umsonst er¬
wartet wird, so daß er zuletzt wieder als gemeiner Soldat unter die
Fahne treten mußte, um nicht zu verhungern. Vielleicht wirft man
mir ein, das sei Poetenloos, und unsere praktische, mit bestimmten
Interessen vollauf beschäftigte Zeit habe weder Lust noch Zeit, um sich
um harmlose Sänger zu bekümmern, allein es zeigt sich, daß auch
jene Schriftsteller, die ihre Thätigkeit der politischen Debatte und den
praktischen Zeitfragen zuwenden, nicht jelten, zumal, wenn sie nicht
von Geburt aus begütert sind, oder von der Bewegung emporgeho¬
ben werden, kein beneidenswerthes Loos haben. So ist z. B. erst
jüngst Herr Kovalsocz», ein tüchtiger Publicist und früher Redakteur
der ^in?.vti l,!jsi^, gestorben. Er war ein Mann von 4t Jahren,
voll Kenntnisse und politischer Erfahrung, stand lange Zeit an der
Spitze eines einflußreichen Blattes und verkümmerte dennoch in Elend
und Armuth, und sein ganzes Leichengesolge bestand in vier Men¬
schen, mitleidige Seelen, die ihre Achtung nicht von den äußern Ver¬
hältnissen des Verstorbenen abhängig machten, wie seine übrigen Zunft¬
genossen. — Die Wahrnehmung, daß manche Richtung in der Lite¬
ratur blos darum nicht so vertreten wird, wie sie mochte und könnte.
Weil sie keinen Literaturkaufmann findet, der bereit ist, sein Geld zu
der Sache Herzuleihen, hat schon lange manches feurige Herz mit bit-
rerem Unmuth erfüllt, bis endlich inAgram eine Unternehmung hervortrat,
die der Noth ein Ende machen will. Die illyrische Partei, welche
überhaupt eine außerordentliche Thätigkeit entfaltet, seit ihnen der Sieg
im Kampfe des politischen Leben gelächelt hat, geht damit um, in
Agram eine Buchhandlung auf Actien zu begründen, deren. Aufgabe
es sein soll, dem slavischen Streben kräftig unter die Arme zu grei¬
fen und den jungen, aufsprossenden Talenten hilfreich entgegenzukommen.
Es nimmt mich Wunder, daß dieses Auskunftsmittel nicht schon öfter, und
zumal in Deutschland, versucht worden ist, wo es zwar selten an einem
Buchhändler fehlen mag, der bereit ist, sich mit einer gewissen Ten¬
denz zu identificiren, doch mögen die Geldmittel desselben bei dem be¬
sten Willen eine entschiedenere Entfaltung und consequente Durchfüh¬
rung der repräsentirten Richtung manchmal nickt gestatten, und da


Grenzboten, ISiv. II. A
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/37>, abgerufen am 25.04.2024.