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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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den in der Residenz zu ironisiren, leuchtet ein und schließt die Absicht,
die Ehrfurcht gegen den Landesherrn zu verletzen, zu entschieden aus, um
an eine Majestätsbeleidigung nur im entferntesten zu denken. Ob der
erwähnte Toast Sr. Majestät dem König hat gelten sollen, oder einer
andern erhabenen Person, läßt die Stelle zweifelhaft, erscheint aber auch
gleichgültig, daß aber, wie ^u"Zox !>, ein" meint, die Absicht des Ange¬
schuldigten dahin gegangen sei, über den Toast selbst zu spotten und daß
an sich schon eine Verletzung der Ehrfurcht gegen den Landesherrn darin
liege, die Aufbringung eines Toastes auf den Landesherr" als ein Mittel,
Jemand lächerlich zu machen, zu benutzen, diese Ansichten lassen sich höch¬
stens vom Standpunkte der Polizei, diesem leider! nothwendigen Insti¬
tute der Inhumanität, welches überall von vornherein jede Handlung und
Aeußerung der Staatsbürger mit schwarzen Augen betrachten muß, nicht
aber vom Standpunkte des Richters, der umgekehrt mit humanen Sinne
von vorn herein die Unschuld präsumiren und dem Angeklagten die Schuld
nachweisen muß, vertheidigen.

Nicht der Toast auf den Landesherrn überhaupt ist in der Schrift
lächerlich gemacht, sondern das Aufbringen desselben bei der beschriebenen
Gelegenheit, bei einem Sludentengelage; diese durchaus unpassende Hand¬
lungsweise ist benutzt, Jemanden zu persistiren und dieser Tendenz kann
unmöglich die boshafte Absicht untergeschoben werden, die Ehrfurcht gegen
den Landesherrn zu verletzen.

Jeden wahren Patrioten muß die Erfahrung, daß unsere Richter-
collegien in einer oft noch so harmlosen Aeußerung oder Handlung Ma-
jestatsbeleidigungen, Landesvcrrätherei u. s. w. entdecken, mit tiefer Be¬
trübniß erfüllen, als ein Zeichen des krankhaften Zustandes unserer Zeit,
welcher den Thron unseres angestammten Herrscherhauses mit dickem Ne¬
bel umlagert hat und die Erhabenheit der Majestät nicht deutlich erken¬
nen läßt. Das Iste Erkenntniß erscheint mir eine Geburt dieser Krank¬
heit zu sein; der 2te Rechtsspruch wird, das hoffe ich mit dem Ange¬
klagten, von einem mit gesunder Kraft begabten Richter gefallt werden
und

auf völlige Freisprechung des Angeschuldigten,
worauf ich antrage, lauten.


Martins II.
VIII
Notizen.

Literarische Erscheinungen. -- Europäische und amerikanische Erfindungen.
-- Deutsche Bescheidenheit. - Alte und neue Krebse. - Ein Franzose über
Leipzig..

Die Maisonne ist literarischen Neuigkeiten nicht günstig. In dem
Poeten gährt's wie in der jungen Natur, der Schriftsteller hat Sonn¬
tagsfeier und der lange Kerker, die dumpfe Stube wird verlassen, um in
Wald und Feld herum zu jagen. Ueber die sonnenbeglänzten Berge


den in der Residenz zu ironisiren, leuchtet ein und schließt die Absicht,
die Ehrfurcht gegen den Landesherrn zu verletzen, zu entschieden aus, um
an eine Majestätsbeleidigung nur im entferntesten zu denken. Ob der
erwähnte Toast Sr. Majestät dem König hat gelten sollen, oder einer
andern erhabenen Person, läßt die Stelle zweifelhaft, erscheint aber auch
gleichgültig, daß aber, wie ^u«Zox !>, ein» meint, die Absicht des Ange¬
schuldigten dahin gegangen sei, über den Toast selbst zu spotten und daß
an sich schon eine Verletzung der Ehrfurcht gegen den Landesherrn darin
liege, die Aufbringung eines Toastes auf den Landesherr» als ein Mittel,
Jemand lächerlich zu machen, zu benutzen, diese Ansichten lassen sich höch¬
stens vom Standpunkte der Polizei, diesem leider! nothwendigen Insti¬
tute der Inhumanität, welches überall von vornherein jede Handlung und
Aeußerung der Staatsbürger mit schwarzen Augen betrachten muß, nicht
aber vom Standpunkte des Richters, der umgekehrt mit humanen Sinne
von vorn herein die Unschuld präsumiren und dem Angeklagten die Schuld
nachweisen muß, vertheidigen.

Nicht der Toast auf den Landesherrn überhaupt ist in der Schrift
lächerlich gemacht, sondern das Aufbringen desselben bei der beschriebenen
Gelegenheit, bei einem Sludentengelage; diese durchaus unpassende Hand¬
lungsweise ist benutzt, Jemanden zu persistiren und dieser Tendenz kann
unmöglich die boshafte Absicht untergeschoben werden, die Ehrfurcht gegen
den Landesherrn zu verletzen.

Jeden wahren Patrioten muß die Erfahrung, daß unsere Richter-
collegien in einer oft noch so harmlosen Aeußerung oder Handlung Ma-
jestatsbeleidigungen, Landesvcrrätherei u. s. w. entdecken, mit tiefer Be¬
trübniß erfüllen, als ein Zeichen des krankhaften Zustandes unserer Zeit,
welcher den Thron unseres angestammten Herrscherhauses mit dickem Ne¬
bel umlagert hat und die Erhabenheit der Majestät nicht deutlich erken¬
nen läßt. Das Iste Erkenntniß erscheint mir eine Geburt dieser Krank¬
heit zu sein; der 2te Rechtsspruch wird, das hoffe ich mit dem Ange¬
klagten, von einem mit gesunder Kraft begabten Richter gefallt werden
und

auf völlige Freisprechung des Angeschuldigten,
worauf ich antrage, lauten.


Martins II.
VIII
Notizen.

Literarische Erscheinungen. — Europäische und amerikanische Erfindungen.
— Deutsche Bescheidenheit. - Alte und neue Krebse. - Ein Franzose über
Leipzig..

Die Maisonne ist literarischen Neuigkeiten nicht günstig. In dem
Poeten gährt's wie in der jungen Natur, der Schriftsteller hat Sonn¬
tagsfeier und der lange Kerker, die dumpfe Stube wird verlassen, um in
Wald und Feld herum zu jagen. Ueber die sonnenbeglänzten Berge


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[0373] den in der Residenz zu ironisiren, leuchtet ein und schließt die Absicht, die Ehrfurcht gegen den Landesherrn zu verletzen, zu entschieden aus, um an eine Majestätsbeleidigung nur im entferntesten zu denken. Ob der erwähnte Toast Sr. Majestät dem König hat gelten sollen, oder einer andern erhabenen Person, läßt die Stelle zweifelhaft, erscheint aber auch gleichgültig, daß aber, wie ^u«Zox !>, ein» meint, die Absicht des Ange¬ schuldigten dahin gegangen sei, über den Toast selbst zu spotten und daß an sich schon eine Verletzung der Ehrfurcht gegen den Landesherrn darin liege, die Aufbringung eines Toastes auf den Landesherr» als ein Mittel, Jemand lächerlich zu machen, zu benutzen, diese Ansichten lassen sich höch¬ stens vom Standpunkte der Polizei, diesem leider! nothwendigen Insti¬ tute der Inhumanität, welches überall von vornherein jede Handlung und Aeußerung der Staatsbürger mit schwarzen Augen betrachten muß, nicht aber vom Standpunkte des Richters, der umgekehrt mit humanen Sinne von vorn herein die Unschuld präsumiren und dem Angeklagten die Schuld nachweisen muß, vertheidigen. Nicht der Toast auf den Landesherrn überhaupt ist in der Schrift lächerlich gemacht, sondern das Aufbringen desselben bei der beschriebenen Gelegenheit, bei einem Sludentengelage; diese durchaus unpassende Hand¬ lungsweise ist benutzt, Jemanden zu persistiren und dieser Tendenz kann unmöglich die boshafte Absicht untergeschoben werden, die Ehrfurcht gegen den Landesherrn zu verletzen. Jeden wahren Patrioten muß die Erfahrung, daß unsere Richter- collegien in einer oft noch so harmlosen Aeußerung oder Handlung Ma- jestatsbeleidigungen, Landesvcrrätherei u. s. w. entdecken, mit tiefer Be¬ trübniß erfüllen, als ein Zeichen des krankhaften Zustandes unserer Zeit, welcher den Thron unseres angestammten Herrscherhauses mit dickem Ne¬ bel umlagert hat und die Erhabenheit der Majestät nicht deutlich erken¬ nen läßt. Das Iste Erkenntniß erscheint mir eine Geburt dieser Krank¬ heit zu sein; der 2te Rechtsspruch wird, das hoffe ich mit dem Ange¬ klagten, von einem mit gesunder Kraft begabten Richter gefallt werden und auf völlige Freisprechung des Angeschuldigten, worauf ich antrage, lauten. Martins II. VIII Notizen. Literarische Erscheinungen. — Europäische und amerikanische Erfindungen. — Deutsche Bescheidenheit. - Alte und neue Krebse. - Ein Franzose über Leipzig.. Die Maisonne ist literarischen Neuigkeiten nicht günstig. In dem Poeten gährt's wie in der jungen Natur, der Schriftsteller hat Sonn¬ tagsfeier und der lange Kerker, die dumpfe Stube wird verlassen, um in Wald und Feld herum zu jagen. Ueber die sonnenbeglänzten Berge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/373>, abgerufen am 28.03.2024.