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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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des Tags gar milde Troststerne für manche Familie geworden sind,
daß dieser kleine Mund, der nur für leichtsinniges Salongeschwätz ge¬
macht scheint, Worte der Ermunterung geflüstert hat, und diese Fin¬
ger, die mit dem Fächer spielen,, an der Ausstattung des Armen ge¬
näht haben. Aber diese Frauen wirken nicht blos vereinzelt, die In¬
dustrie hat sie die Macht der Association gelehrt. Sie bilden Vereine,
deren Mitglieder die Arbeit unter sich theilend


!I.

Eine dieser Associationen erfreut sich in diesem Augenblick eines
glänzenden Erfolgs. Die "e-ri-alle," die vor ohngefähr einem Jahre
Hier unter den Auspicien des Grafen Mol"! gegründet ward, verspricht
sich durch ganz Europa zu verbreiten. Die "erhell";" füllt die Lücke
aus zwischen der Entbindungsanstalt, wo das arme Kind das Licht
erblickt, und der 8-lI!v "t'-ihne, der Kleinkinderbewahranstalt, die ihm
vom zweiten bis zum vierten Jahre eine Stätte gibt. Aber die crKeliv
hilft vielleicht einem noch dringendem Bedürfniß ab, als die Kleinkin¬
derbewahranstalt, denn sie nimmt sich des Kindes in dem kritischsten
Augenblick seines Daseins an, wo es am wenigsten im Stande ist,
Entbehrungen zu leiden und wo es am meisten seinen Eltern zur Last
fällt; sie schützt und bewacht es für seine Mutter, während diese ar¬
beitet, sie bietet es mitten am Tage ihrer Brust dar und gibt es ihr
nach geendigtem Tagewerk wieder. So wird die Gesellschaft zur
Amme für dieses Kind, welches vielleicht vor Kälte zwischen den eisi¬
gen Wänden einer Dachkammer oder vor Hunger an der versiegten
Brust einer kranken Mutter gestorben wäre. Jetzt kann diese Mutter
an sich selbst denken, sie kann ruhig arbeiten, da sie über daS Loos
ihres Kindes außer Sorgen ist; mit ihrer Gesundheit bessert sich auch
ihre Milch, so wird das Kind am Leben erhalten, und aus einem
kränklichen oder schwächlichen, das eS in diesem oft ohnmächtigen
Kampfe des anfangenden Lebens gegen das Elend geblieben wäre,
wird es stark und gesund werden. Das sind die Resultate dieser An¬
stalt; gewiß, man darf an einer Zeit nicht verzweifeln, die solche
Ideen in's Leben treten sieht.

Paris hat schon acht Krippen"); die Departements haben schon
mehr als hundert; Deutschland, Italien, Belgien und Holland haben



*) Seit einem Monat sind drei neue "Krippen" gegründet worden; bald
wird feder Stadttheil von Paris wenigstens eine besitzen.

des Tags gar milde Troststerne für manche Familie geworden sind,
daß dieser kleine Mund, der nur für leichtsinniges Salongeschwätz ge¬
macht scheint, Worte der Ermunterung geflüstert hat, und diese Fin¬
ger, die mit dem Fächer spielen,, an der Ausstattung des Armen ge¬
näht haben. Aber diese Frauen wirken nicht blos vereinzelt, die In¬
dustrie hat sie die Macht der Association gelehrt. Sie bilden Vereine,
deren Mitglieder die Arbeit unter sich theilend


!I.

Eine dieser Associationen erfreut sich in diesem Augenblick eines
glänzenden Erfolgs. Die „e-ri-alle," die vor ohngefähr einem Jahre
Hier unter den Auspicien des Grafen Mol«! gegründet ward, verspricht
sich durch ganz Europa zu verbreiten. Die „erhell«;" füllt die Lücke
aus zwischen der Entbindungsanstalt, wo das arme Kind das Licht
erblickt, und der 8-lI!v «t'-ihne, der Kleinkinderbewahranstalt, die ihm
vom zweiten bis zum vierten Jahre eine Stätte gibt. Aber die crKeliv
hilft vielleicht einem noch dringendem Bedürfniß ab, als die Kleinkin¬
derbewahranstalt, denn sie nimmt sich des Kindes in dem kritischsten
Augenblick seines Daseins an, wo es am wenigsten im Stande ist,
Entbehrungen zu leiden und wo es am meisten seinen Eltern zur Last
fällt; sie schützt und bewacht es für seine Mutter, während diese ar¬
beitet, sie bietet es mitten am Tage ihrer Brust dar und gibt es ihr
nach geendigtem Tagewerk wieder. So wird die Gesellschaft zur
Amme für dieses Kind, welches vielleicht vor Kälte zwischen den eisi¬
gen Wänden einer Dachkammer oder vor Hunger an der versiegten
Brust einer kranken Mutter gestorben wäre. Jetzt kann diese Mutter
an sich selbst denken, sie kann ruhig arbeiten, da sie über daS Loos
ihres Kindes außer Sorgen ist; mit ihrer Gesundheit bessert sich auch
ihre Milch, so wird das Kind am Leben erhalten, und aus einem
kränklichen oder schwächlichen, das eS in diesem oft ohnmächtigen
Kampfe des anfangenden Lebens gegen das Elend geblieben wäre,
wird es stark und gesund werden. Das sind die Resultate dieser An¬
stalt; gewiß, man darf an einer Zeit nicht verzweifeln, die solche
Ideen in's Leben treten sieht.

Paris hat schon acht Krippen"); die Departements haben schon
mehr als hundert; Deutschland, Italien, Belgien und Holland haben



*) Seit einem Monat sind drei neue „Krippen" gegründet worden; bald
wird feder Stadttheil von Paris wenigstens eine besitzen.
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[0380] des Tags gar milde Troststerne für manche Familie geworden sind, daß dieser kleine Mund, der nur für leichtsinniges Salongeschwätz ge¬ macht scheint, Worte der Ermunterung geflüstert hat, und diese Fin¬ ger, die mit dem Fächer spielen,, an der Ausstattung des Armen ge¬ näht haben. Aber diese Frauen wirken nicht blos vereinzelt, die In¬ dustrie hat sie die Macht der Association gelehrt. Sie bilden Vereine, deren Mitglieder die Arbeit unter sich theilend !I. Eine dieser Associationen erfreut sich in diesem Augenblick eines glänzenden Erfolgs. Die „e-ri-alle," die vor ohngefähr einem Jahre Hier unter den Auspicien des Grafen Mol«! gegründet ward, verspricht sich durch ganz Europa zu verbreiten. Die „erhell«;" füllt die Lücke aus zwischen der Entbindungsanstalt, wo das arme Kind das Licht erblickt, und der 8-lI!v «t'-ihne, der Kleinkinderbewahranstalt, die ihm vom zweiten bis zum vierten Jahre eine Stätte gibt. Aber die crKeliv hilft vielleicht einem noch dringendem Bedürfniß ab, als die Kleinkin¬ derbewahranstalt, denn sie nimmt sich des Kindes in dem kritischsten Augenblick seines Daseins an, wo es am wenigsten im Stande ist, Entbehrungen zu leiden und wo es am meisten seinen Eltern zur Last fällt; sie schützt und bewacht es für seine Mutter, während diese ar¬ beitet, sie bietet es mitten am Tage ihrer Brust dar und gibt es ihr nach geendigtem Tagewerk wieder. So wird die Gesellschaft zur Amme für dieses Kind, welches vielleicht vor Kälte zwischen den eisi¬ gen Wänden einer Dachkammer oder vor Hunger an der versiegten Brust einer kranken Mutter gestorben wäre. Jetzt kann diese Mutter an sich selbst denken, sie kann ruhig arbeiten, da sie über daS Loos ihres Kindes außer Sorgen ist; mit ihrer Gesundheit bessert sich auch ihre Milch, so wird das Kind am Leben erhalten, und aus einem kränklichen oder schwächlichen, das eS in diesem oft ohnmächtigen Kampfe des anfangenden Lebens gegen das Elend geblieben wäre, wird es stark und gesund werden. Das sind die Resultate dieser An¬ stalt; gewiß, man darf an einer Zeit nicht verzweifeln, die solche Ideen in's Leben treten sieht. Paris hat schon acht Krippen"); die Departements haben schon mehr als hundert; Deutschland, Italien, Belgien und Holland haben *) Seit einem Monat sind drei neue „Krippen" gegründet worden; bald wird feder Stadttheil von Paris wenigstens eine besitzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/380>, abgerufen am 28.03.2024.