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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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gen, daß die ganze Welt von Bewunderung ergriffen wurde und Rom
ihn heilig sprach. Heutzutage spricht man kaum von Denen, die sein
Werk vervollständigen. Was ehemals eine erhabene Aufopferung
war, ist jetzt kaum mehr als eine Pflicht; der Heilige des 17. Jahr¬
hunderts würde im 19. nur el" rechtschaffener Mann sein.


III.

Die Gründung einer Werkstätte ist übrigens ein kitzliches Ding,
das eine sorgfältige Prüfung erfordert, namentlich wegen der indu-
striellen Concurrenz, die sich ihr entgegen stellt und dies gibt mir Ge¬
legenheit, auf einen Punkt zu kommen, der noch nicht genug die öf¬
fentliche Aufmerksamkeit beschäftigt hat: es ist dies die Arbeit der Ge¬
fangenen in den Strafhäusern und die Mißbräuche, die damit verbun¬
den sind. Schon haben sich in Frankreich in den Distrikten der Zucht¬
häuser zahlreiche Klagen erhoben wegen der Concurrenz, in welche
die Arbeit der Gefangenen mit der Privatindustrie tritt. So hat neu¬
lich die Handelskammer von Troyes eine Beschwerde an das Gene¬
ralconseil der Manufakturen gegen das Arbeitshaus von Clairvaur
gerichtet, welches 2,253 Gefangene enthält, deren Arbeiten eine Ueber¬
füllung des Marktes und daher Herabsetzung der Preise herbeiführt,
welche den freien Arbeitern den größten Eintrag thut.

Es ist klar, daß man bei dieser falschen Anwendung des Arbeits¬
gesetzes von einer trefflichen Voraussetzung ausgegangen ist, um
zu einem schädlichen Resultat zu gelangen ; es ist nichts als billig,
müssige Kräfte der Gefangenen nutzbar zu machen zur Verminderung
der Kosten, die sie dem Staat verursachen; daß die Arbeit im Allge¬
meinen dem Körper heilsam ist und besonders der Moralität förder¬
lich, ist bekannt.

Auf diese Principien gestützt läßt der Staat die Gefangenen ein
Handwerk lernen und erhebt von dem Ertrage ihrer Arbeit seine Un¬
terhaltungskosten nebst einem Ersparnis?, das er dem Gefangenen beim
Ablauf seiner Strafzeit zustellt.

So weit ist Alles gut, aber nun kommt der Fehler des Sy¬
stems: die Gefängniß-Verwaltung, die schon genug zu thun hat, ohne
sich mit Industrie zu beschäftigen und die sich schlecht darauf versteht,
Lehrlinge zu bilden, verkauft die Ausbeute des Gefängnisses einem
Privat-Unternehmer. Dieser sucht natürlich von den Arbeiten so viel
Nutzen als möglich zu ziehen. In seinen Angen wird der Verbrecher
ein Werkzeug der Production, das man, wenn es geschickt ist, ein-


gen, daß die ganze Welt von Bewunderung ergriffen wurde und Rom
ihn heilig sprach. Heutzutage spricht man kaum von Denen, die sein
Werk vervollständigen. Was ehemals eine erhabene Aufopferung
war, ist jetzt kaum mehr als eine Pflicht; der Heilige des 17. Jahr¬
hunderts würde im 19. nur el» rechtschaffener Mann sein.


III.

Die Gründung einer Werkstätte ist übrigens ein kitzliches Ding,
das eine sorgfältige Prüfung erfordert, namentlich wegen der indu-
striellen Concurrenz, die sich ihr entgegen stellt und dies gibt mir Ge¬
legenheit, auf einen Punkt zu kommen, der noch nicht genug die öf¬
fentliche Aufmerksamkeit beschäftigt hat: es ist dies die Arbeit der Ge¬
fangenen in den Strafhäusern und die Mißbräuche, die damit verbun¬
den sind. Schon haben sich in Frankreich in den Distrikten der Zucht¬
häuser zahlreiche Klagen erhoben wegen der Concurrenz, in welche
die Arbeit der Gefangenen mit der Privatindustrie tritt. So hat neu¬
lich die Handelskammer von Troyes eine Beschwerde an das Gene¬
ralconseil der Manufakturen gegen das Arbeitshaus von Clairvaur
gerichtet, welches 2,253 Gefangene enthält, deren Arbeiten eine Ueber¬
füllung des Marktes und daher Herabsetzung der Preise herbeiführt,
welche den freien Arbeitern den größten Eintrag thut.

Es ist klar, daß man bei dieser falschen Anwendung des Arbeits¬
gesetzes von einer trefflichen Voraussetzung ausgegangen ist, um
zu einem schädlichen Resultat zu gelangen ; es ist nichts als billig,
müssige Kräfte der Gefangenen nutzbar zu machen zur Verminderung
der Kosten, die sie dem Staat verursachen; daß die Arbeit im Allge¬
meinen dem Körper heilsam ist und besonders der Moralität förder¬
lich, ist bekannt.

Auf diese Principien gestützt läßt der Staat die Gefangenen ein
Handwerk lernen und erhebt von dem Ertrage ihrer Arbeit seine Un¬
terhaltungskosten nebst einem Ersparnis?, das er dem Gefangenen beim
Ablauf seiner Strafzeit zustellt.

So weit ist Alles gut, aber nun kommt der Fehler des Sy¬
stems: die Gefängniß-Verwaltung, die schon genug zu thun hat, ohne
sich mit Industrie zu beschäftigen und die sich schlecht darauf versteht,
Lehrlinge zu bilden, verkauft die Ausbeute des Gefängnisses einem
Privat-Unternehmer. Dieser sucht natürlich von den Arbeiten so viel
Nutzen als möglich zu ziehen. In seinen Angen wird der Verbrecher
ein Werkzeug der Production, das man, wenn es geschickt ist, ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/382>, abgerufen am 18.04.2024.