Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geographie der Verbrechen.
Vom Prof. or. Casper. ,



2. Artikel.

Verhältniß der Verbrechen zur Dichtheit der Bevölkerung. -- Einfluß des
Pauperismus. -- Die geistigen Getränke. -- Die Schankwirthschaften in Preußen.
-- Merkwürdige Einzelfälle- -- Hexenglaube. -- Mord wegen Menschentalgs.
-- Selbstmord bei Kindern. -- Eine Kanone. -- Missethaten in der Rheinpro¬
vinz, in Brandenburg, Sachsen, Westphalen und Schlesien.-- Ein merkwürdiger
Brief.

Wer könnte in der heutigen Zeit an die statistischen Verhältnisse
der Verbrechen denken und darüber schreiben, ohne an die große Frage
vom Pauperismus erinnert zu werden? Ist es gegründet, und
durch Thatsachen zu erweisen, was die menschenfreundlichen Beschützer
der Proletarier so oft behauptet haben, daß vorzugsweise Noth die
Mutter der Verbrechen sei? "steuert der Noth im niedern Volke,
und Ihr werdet die Gefängnisse leeren, und den Criminalgerichtshö-
fen Feiertage verschaffen." Der Praktiker, der diesen blendenden Satz
mit dem Maßstabe seiner Erfahrung mißt, sei er Polizeibeamter,
Strafrichter, Gefängnißarzt oder Geistlicher u. s. w., wird Bedenken
tragen, ihn ohne Weiteres zu genehmigen. Aber anch den Unerfahr¬
nen kann er höchstens doch nur blenden, wenn er dabei nur an Ver¬
brechen gegen Sachen, namentlich an den Diebstahl denkt, denn schon
von vorn herein wird daran gezweifelt werden müssen, ob irgend ein
merkbarer Zusammenhang zwischen Noth oder Wohlstand und solchen
Verbrechen bestehe, die ihrer Natur nach in den Leidenschaften der
Menschen wurzeln, wie, fast ohne Ausnahme, die Verbrechen gegen
Personen. Wir haben schon daran erinnert, daß unter den blutigen


Zur Geographie der Verbrechen.
Vom Prof. or. Casper. ,



2. Artikel.

Verhältniß der Verbrechen zur Dichtheit der Bevölkerung. — Einfluß des
Pauperismus. — Die geistigen Getränke. — Die Schankwirthschaften in Preußen.
— Merkwürdige Einzelfälle- — Hexenglaube. — Mord wegen Menschentalgs.
— Selbstmord bei Kindern. — Eine Kanone. — Missethaten in der Rheinpro¬
vinz, in Brandenburg, Sachsen, Westphalen und Schlesien.— Ein merkwürdiger
Brief.

Wer könnte in der heutigen Zeit an die statistischen Verhältnisse
der Verbrechen denken und darüber schreiben, ohne an die große Frage
vom Pauperismus erinnert zu werden? Ist es gegründet, und
durch Thatsachen zu erweisen, was die menschenfreundlichen Beschützer
der Proletarier so oft behauptet haben, daß vorzugsweise Noth die
Mutter der Verbrechen sei? „steuert der Noth im niedern Volke,
und Ihr werdet die Gefängnisse leeren, und den Criminalgerichtshö-
fen Feiertage verschaffen." Der Praktiker, der diesen blendenden Satz
mit dem Maßstabe seiner Erfahrung mißt, sei er Polizeibeamter,
Strafrichter, Gefängnißarzt oder Geistlicher u. s. w., wird Bedenken
tragen, ihn ohne Weiteres zu genehmigen. Aber anch den Unerfahr¬
nen kann er höchstens doch nur blenden, wenn er dabei nur an Ver¬
brechen gegen Sachen, namentlich an den Diebstahl denkt, denn schon
von vorn herein wird daran gezweifelt werden müssen, ob irgend ein
merkbarer Zusammenhang zwischen Noth oder Wohlstand und solchen
Verbrechen bestehe, die ihrer Natur nach in den Leidenschaften der
Menschen wurzeln, wie, fast ohne Ausnahme, die Verbrechen gegen
Personen. Wir haben schon daran erinnert, daß unter den blutigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182896"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Geographie der Verbrechen.<lb/><note type="byline"> Vom Prof. or. Casper. ,</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2. Artikel.</head><lb/>
            <note type="argument"> Verhältniß der Verbrechen zur Dichtheit der Bevölkerung. &#x2014; Einfluß des<lb/>
Pauperismus. &#x2014; Die geistigen Getränke. &#x2014; Die Schankwirthschaften in Preußen.<lb/>
&#x2014; Merkwürdige Einzelfälle- &#x2014; Hexenglaube. &#x2014; Mord wegen Menschentalgs.<lb/>
&#x2014; Selbstmord bei Kindern. &#x2014; Eine Kanone. &#x2014; Missethaten in der Rheinpro¬<lb/>
vinz, in Brandenburg, Sachsen, Westphalen und Schlesien.&#x2014; Ein merkwürdiger<lb/>
Brief.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1381" next="#ID_1382"> Wer könnte in der heutigen Zeit an die statistischen Verhältnisse<lb/>
der Verbrechen denken und darüber schreiben, ohne an die große Frage<lb/>
vom Pauperismus erinnert zu werden? Ist es gegründet, und<lb/>
durch Thatsachen zu erweisen, was die menschenfreundlichen Beschützer<lb/>
der Proletarier so oft behauptet haben, daß vorzugsweise Noth die<lb/>
Mutter der Verbrechen sei? &#x201E;steuert der Noth im niedern Volke,<lb/>
und Ihr werdet die Gefängnisse leeren, und den Criminalgerichtshö-<lb/>
fen Feiertage verschaffen." Der Praktiker, der diesen blendenden Satz<lb/>
mit dem Maßstabe seiner Erfahrung mißt, sei er Polizeibeamter,<lb/>
Strafrichter, Gefängnißarzt oder Geistlicher u. s. w., wird Bedenken<lb/>
tragen, ihn ohne Weiteres zu genehmigen. Aber anch den Unerfahr¬<lb/>
nen kann er höchstens doch nur blenden, wenn er dabei nur an Ver¬<lb/>
brechen gegen Sachen, namentlich an den Diebstahl denkt, denn schon<lb/>
von vorn herein wird daran gezweifelt werden müssen, ob irgend ein<lb/>
merkbarer Zusammenhang zwischen Noth oder Wohlstand und solchen<lb/>
Verbrechen bestehe, die ihrer Natur nach in den Leidenschaften der<lb/>
Menschen wurzeln, wie, fast ohne Ausnahme, die Verbrechen gegen<lb/>
Personen. Wir haben schon daran erinnert, daß unter den blutigen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] Zur Geographie der Verbrechen. Vom Prof. or. Casper. , 2. Artikel. Verhältniß der Verbrechen zur Dichtheit der Bevölkerung. — Einfluß des Pauperismus. — Die geistigen Getränke. — Die Schankwirthschaften in Preußen. — Merkwürdige Einzelfälle- — Hexenglaube. — Mord wegen Menschentalgs. — Selbstmord bei Kindern. — Eine Kanone. — Missethaten in der Rheinpro¬ vinz, in Brandenburg, Sachsen, Westphalen und Schlesien.— Ein merkwürdiger Brief. Wer könnte in der heutigen Zeit an die statistischen Verhältnisse der Verbrechen denken und darüber schreiben, ohne an die große Frage vom Pauperismus erinnert zu werden? Ist es gegründet, und durch Thatsachen zu erweisen, was die menschenfreundlichen Beschützer der Proletarier so oft behauptet haben, daß vorzugsweise Noth die Mutter der Verbrechen sei? „steuert der Noth im niedern Volke, und Ihr werdet die Gefängnisse leeren, und den Criminalgerichtshö- fen Feiertage verschaffen." Der Praktiker, der diesen blendenden Satz mit dem Maßstabe seiner Erfahrung mißt, sei er Polizeibeamter, Strafrichter, Gefängnißarzt oder Geistlicher u. s. w., wird Bedenken tragen, ihn ohne Weiteres zu genehmigen. Aber anch den Unerfahr¬ nen kann er höchstens doch nur blenden, wenn er dabei nur an Ver¬ brechen gegen Sachen, namentlich an den Diebstahl denkt, denn schon von vorn herein wird daran gezweifelt werden müssen, ob irgend ein merkbarer Zusammenhang zwischen Noth oder Wohlstand und solchen Verbrechen bestehe, die ihrer Natur nach in den Leidenschaften der Menschen wurzeln, wie, fast ohne Ausnahme, die Verbrechen gegen Personen. Wir haben schon daran erinnert, daß unter den blutigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/473>, abgerufen am 18.04.2024.