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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Und das alles mitten im äußersten Geld-Derangemenr. Wo ka¬
men die Mittel zu allen den hohen Parthien her? Ich weiß es durch¬
aus nicht mehr zu erklären.

August, September. Verdrießlichkeiten mit der Censur, die mich
nöthigt, viele Stellen in meiner Schrift gegen Hauterive zu streichen
oder abzuändern. Zugleich (soviel sich aus der trockenen und bouton-
nirlen Erzählung ersehen läßt) täglich die fatalsten Geldgeschäfte! Ein
halbes, zwar artiges, doch ernstes Leben mit der Frau! -- Und dabei
jeden Abend in Spielparthien, bald in den diplomatischen Häusern,
bald gar auf dem Casino versenkt!

Humboldt kommt um diese Zeit von seiner großen Reise nach
Paris, Spanien ze. zurück. Am 13. September habe ich mit ihm zwi¬
schen Mitternacht lind drei Uhr ein großes Gespräch "wuctuult 6s
er"8-uro5! l^s nlus "-init^e" itllitnvs vt l"!S telittiuiis los >"In8 intime"
et" in-i, vio," -- (Aber worin es eigentlich bestand, wird nicht gesagt).

Brinckmann war damals auch in Berlin.

24. October. Abreise Lord Carysfort's von Berlin. Geftänd--
riß, daß ich selbst diese Personen, über den unendlichen Disstpatio-
nen der letzter" Zeit, ziemlich vernachlässigt hatte.

Denselben Abend verlor ich bei O'Farn in der Macedoine --
74 Louisd'or!

Den 23. November. Des Morgens mache ich bei einem Advo¬
katen ein Arrangement, wobei ich 70 Louisd'or erhalte. -- (Versetzte
ein Manuscript, welches ich erst zwanzig Jahre nachher wieder ein-
lösete.) -- Abends werden diese 70 Lonisd'or bei O'Farn verspielt.

Anfang des Umganges mit der Levin (Varnhagen).

14. November. Mitten unter allen diesen Rasereien entschließe
ich mich, mit meinem Bruder Heinrich nach Weimar zu reisen, und
bleibe dort 14 Tage. Eine Total-Revolution (so wähnte ich!) trug
sich in meinem Innern zu. Aber meine Liebschaft für Fräulein Jm--
hoff -- wozu konnte, wozu sollte sie führen?


1802.

Effect der Vorsätze voll Weimar. -- Am 23. December verlor ich
alles, was ich hatte, im Hasardspiel, so daß ich den ganzen folgenden
Tag herumlaufen mußte, nur einige Thaler zu Weihnachtsgeschenken
aufzutreiben.

Am 1. Januar soupire und spiele ich bei einem gewissen (Gehei¬
men Rath) Buisson, gehe um 1 Uhr nach Hause, vergesse aber den


Und das alles mitten im äußersten Geld-Derangemenr. Wo ka¬
men die Mittel zu allen den hohen Parthien her? Ich weiß es durch¬
aus nicht mehr zu erklären.

August, September. Verdrießlichkeiten mit der Censur, die mich
nöthigt, viele Stellen in meiner Schrift gegen Hauterive zu streichen
oder abzuändern. Zugleich (soviel sich aus der trockenen und bouton-
nirlen Erzählung ersehen läßt) täglich die fatalsten Geldgeschäfte! Ein
halbes, zwar artiges, doch ernstes Leben mit der Frau! — Und dabei
jeden Abend in Spielparthien, bald in den diplomatischen Häusern,
bald gar auf dem Casino versenkt!

Humboldt kommt um diese Zeit von seiner großen Reise nach
Paris, Spanien ze. zurück. Am 13. September habe ich mit ihm zwi¬
schen Mitternacht lind drei Uhr ein großes Gespräch „wuctuult 6s
er«8-uro5! l^s nlus «-init^e» itllitnvs vt l«!S telittiuiis los >»In8 intime«
et« in-i, vio," — (Aber worin es eigentlich bestand, wird nicht gesagt).

Brinckmann war damals auch in Berlin.

24. October. Abreise Lord Carysfort's von Berlin. Geftänd--
riß, daß ich selbst diese Personen, über den unendlichen Disstpatio-
nen der letzter» Zeit, ziemlich vernachlässigt hatte.

Denselben Abend verlor ich bei O'Farn in der Macedoine —
74 Louisd'or!

Den 23. November. Des Morgens mache ich bei einem Advo¬
katen ein Arrangement, wobei ich 70 Louisd'or erhalte. — (Versetzte
ein Manuscript, welches ich erst zwanzig Jahre nachher wieder ein-
lösete.) — Abends werden diese 70 Lonisd'or bei O'Farn verspielt.

Anfang des Umganges mit der Levin (Varnhagen).

14. November. Mitten unter allen diesen Rasereien entschließe
ich mich, mit meinem Bruder Heinrich nach Weimar zu reisen, und
bleibe dort 14 Tage. Eine Total-Revolution (so wähnte ich!) trug
sich in meinem Innern zu. Aber meine Liebschaft für Fräulein Jm--
hoff — wozu konnte, wozu sollte sie führen?


1802.

Effect der Vorsätze voll Weimar. — Am 23. December verlor ich
alles, was ich hatte, im Hasardspiel, so daß ich den ganzen folgenden
Tag herumlaufen mußte, nur einige Thaler zu Weihnachtsgeschenken
aufzutreiben.

Am 1. Januar soupire und spiele ich bei einem gewissen (Gehei¬
men Rath) Buisson, gehe um 1 Uhr nach Hause, vergesse aber den


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[0102] Und das alles mitten im äußersten Geld-Derangemenr. Wo ka¬ men die Mittel zu allen den hohen Parthien her? Ich weiß es durch¬ aus nicht mehr zu erklären. August, September. Verdrießlichkeiten mit der Censur, die mich nöthigt, viele Stellen in meiner Schrift gegen Hauterive zu streichen oder abzuändern. Zugleich (soviel sich aus der trockenen und bouton- nirlen Erzählung ersehen läßt) täglich die fatalsten Geldgeschäfte! Ein halbes, zwar artiges, doch ernstes Leben mit der Frau! — Und dabei jeden Abend in Spielparthien, bald in den diplomatischen Häusern, bald gar auf dem Casino versenkt! Humboldt kommt um diese Zeit von seiner großen Reise nach Paris, Spanien ze. zurück. Am 13. September habe ich mit ihm zwi¬ schen Mitternacht lind drei Uhr ein großes Gespräch „wuctuult 6s er«8-uro5! l^s nlus «-init^e» itllitnvs vt l«!S telittiuiis los >»In8 intime« et« in-i, vio," — (Aber worin es eigentlich bestand, wird nicht gesagt). Brinckmann war damals auch in Berlin. 24. October. Abreise Lord Carysfort's von Berlin. Geftänd-- riß, daß ich selbst diese Personen, über den unendlichen Disstpatio- nen der letzter» Zeit, ziemlich vernachlässigt hatte. Denselben Abend verlor ich bei O'Farn in der Macedoine — 74 Louisd'or! Den 23. November. Des Morgens mache ich bei einem Advo¬ katen ein Arrangement, wobei ich 70 Louisd'or erhalte. — (Versetzte ein Manuscript, welches ich erst zwanzig Jahre nachher wieder ein- lösete.) — Abends werden diese 70 Lonisd'or bei O'Farn verspielt. Anfang des Umganges mit der Levin (Varnhagen). 14. November. Mitten unter allen diesen Rasereien entschließe ich mich, mit meinem Bruder Heinrich nach Weimar zu reisen, und bleibe dort 14 Tage. Eine Total-Revolution (so wähnte ich!) trug sich in meinem Innern zu. Aber meine Liebschaft für Fräulein Jm-- hoff — wozu konnte, wozu sollte sie führen? 1802. Effect der Vorsätze voll Weimar. — Am 23. December verlor ich alles, was ich hatte, im Hasardspiel, so daß ich den ganzen folgenden Tag herumlaufen mußte, nur einige Thaler zu Weihnachtsgeschenken aufzutreiben. Am 1. Januar soupire und spiele ich bei einem gewissen (Gehei¬ men Rath) Buisson, gehe um 1 Uhr nach Hause, vergesse aber den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/102>, abgerufen am 03.05.2024.