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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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von den Franzosen befreite, erhalten hat, derselbe ">. Becker ist, dessen
"Rathgeber bei und nach dem Beischlaf" und ähnliche Schriften vielleicht
nicht mindere Verbreitung unter den lieben deutschen Landsleuten gefun¬
den haben, als jenes Franzosenbefrciungs-Büllcrin vom 19. October. Hr.
Ol. Becker lebt jetzt behaglich von den Früchten seines publizistischen und
medicinischen Fleißes als reicher Rentier in der Stadt, vor welcher
Napoleon seinen großen Sturz erlitten.


N.
Aus Wien.
I.

Stagnation. -- Der Prinz von Preußen. -- Der Erzherzog Palatin. -- Zur
Charakteristik dieses Staatsmannes.

Seit sehr lange war für uns keine fo thatenleere, ereignißfaule Zeit,
wie es die letzten Wochen gewesen, die Langeweile, die Unlust, die Nich¬
tigkeit alles Geschehens schien so recht in der Luft zu liegen, es war ein
Uebergang vom Sommer zum Herbst, eine Abspannung, wie zwischen
einer Fieberkcankheit und dem endlichen normalen Zustand. Seit einigen
Tagen aber beginnt es wieder bei uns etwas lebendiger zu werden, die
Zugvögel vom Lande und von den Reisen kehren zurück, die großen Ma-
növres und die Anwesenheit der fremden fürstlichen Gäste an unserm Hofe
haben in mancher Hinsicht die früheren Ruhewochen einbringen wollen. Die
Anwesenheit des Prinzen von Preußen, des Großfürsten Michael, gab
zu verschiedenen Hoffesten Veranlassung, welche aber vielleicht noch häu¬
figer gewesen waren, wenn nicht die Krankheit der Großfürstin Maria
einen so äußerst drohenden Charakter angenommen hätte. Als einen
charakteristischen Zug erwähne ich, daß der Prinz von Preußen sich wäh¬
rend seines ganzen hiesigen Aufenthaltes täglich sämmtliche hiesige Blätter
zuschicken ließ, eine Aufmerksamkeit, welche der lieben Wiener Journalistik
noch von keinem fremden, hier durchreisenden Prinzen erwiesen wurde.
Der Prinz, der als Jnspicient Preußens für unsern Bundescontingent
hier war, soll sich über die österreichischen Truppen außerordentlich aner¬
kennend ausgesprochen haben -- immerhin für uns sehr schmeichelhaft,
aber mit welchen Ausgaben wird alljährlich ein solches höchstes Wohlge¬
fallen bezahlt! Und am Ende macht unser Jnspicient nicht dieselben
Redensarten bei Preußen, und all' den andern größern und kleinern
Städchen!

Seit einigen Tagen wendet sich die Aufmerksamkeit von hier zum
großen Theil nach Ungarn, denn hier scheinen sich in der nächsten Zeit
mehrere für die Monarchie äußerst wichtige Dinge vorzubereiten. Wäh¬
rend man im ganzen Lande Vorbereitungen zum 50jährigen Lubiläums-
feste des Palatins machte -- der Jubilaumstag war eigentlich schon im
März dieses Jahres gewesen, das Fest aber auf den Wunsch des greisen


von den Franzosen befreite, erhalten hat, derselbe »>. Becker ist, dessen
„Rathgeber bei und nach dem Beischlaf" und ähnliche Schriften vielleicht
nicht mindere Verbreitung unter den lieben deutschen Landsleuten gefun¬
den haben, als jenes Franzosenbefrciungs-Büllcrin vom 19. October. Hr.
Ol. Becker lebt jetzt behaglich von den Früchten seines publizistischen und
medicinischen Fleißes als reicher Rentier in der Stadt, vor welcher
Napoleon seinen großen Sturz erlitten.


N.
Aus Wien.
I.

Stagnation. — Der Prinz von Preußen. — Der Erzherzog Palatin. — Zur
Charakteristik dieses Staatsmannes.

Seit sehr lange war für uns keine fo thatenleere, ereignißfaule Zeit,
wie es die letzten Wochen gewesen, die Langeweile, die Unlust, die Nich¬
tigkeit alles Geschehens schien so recht in der Luft zu liegen, es war ein
Uebergang vom Sommer zum Herbst, eine Abspannung, wie zwischen
einer Fieberkcankheit und dem endlichen normalen Zustand. Seit einigen
Tagen aber beginnt es wieder bei uns etwas lebendiger zu werden, die
Zugvögel vom Lande und von den Reisen kehren zurück, die großen Ma-
növres und die Anwesenheit der fremden fürstlichen Gäste an unserm Hofe
haben in mancher Hinsicht die früheren Ruhewochen einbringen wollen. Die
Anwesenheit des Prinzen von Preußen, des Großfürsten Michael, gab
zu verschiedenen Hoffesten Veranlassung, welche aber vielleicht noch häu¬
figer gewesen waren, wenn nicht die Krankheit der Großfürstin Maria
einen so äußerst drohenden Charakter angenommen hätte. Als einen
charakteristischen Zug erwähne ich, daß der Prinz von Preußen sich wäh¬
rend seines ganzen hiesigen Aufenthaltes täglich sämmtliche hiesige Blätter
zuschicken ließ, eine Aufmerksamkeit, welche der lieben Wiener Journalistik
noch von keinem fremden, hier durchreisenden Prinzen erwiesen wurde.
Der Prinz, der als Jnspicient Preußens für unsern Bundescontingent
hier war, soll sich über die österreichischen Truppen außerordentlich aner¬
kennend ausgesprochen haben — immerhin für uns sehr schmeichelhaft,
aber mit welchen Ausgaben wird alljährlich ein solches höchstes Wohlge¬
fallen bezahlt! Und am Ende macht unser Jnspicient nicht dieselben
Redensarten bei Preußen, und all' den andern größern und kleinern
Städchen!

Seit einigen Tagen wendet sich die Aufmerksamkeit von hier zum
großen Theil nach Ungarn, denn hier scheinen sich in der nächsten Zeit
mehrere für die Monarchie äußerst wichtige Dinge vorzubereiten. Wäh¬
rend man im ganzen Lande Vorbereitungen zum 50jährigen Lubiläums-
feste des Palatins machte — der Jubilaumstag war eigentlich schon im
März dieses Jahres gewesen, das Fest aber auf den Wunsch des greisen


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[0119] von den Franzosen befreite, erhalten hat, derselbe »>. Becker ist, dessen „Rathgeber bei und nach dem Beischlaf" und ähnliche Schriften vielleicht nicht mindere Verbreitung unter den lieben deutschen Landsleuten gefun¬ den haben, als jenes Franzosenbefrciungs-Büllcrin vom 19. October. Hr. Ol. Becker lebt jetzt behaglich von den Früchten seines publizistischen und medicinischen Fleißes als reicher Rentier in der Stadt, vor welcher Napoleon seinen großen Sturz erlitten. N. Aus Wien. I. Stagnation. — Der Prinz von Preußen. — Der Erzherzog Palatin. — Zur Charakteristik dieses Staatsmannes. Seit sehr lange war für uns keine fo thatenleere, ereignißfaule Zeit, wie es die letzten Wochen gewesen, die Langeweile, die Unlust, die Nich¬ tigkeit alles Geschehens schien so recht in der Luft zu liegen, es war ein Uebergang vom Sommer zum Herbst, eine Abspannung, wie zwischen einer Fieberkcankheit und dem endlichen normalen Zustand. Seit einigen Tagen aber beginnt es wieder bei uns etwas lebendiger zu werden, die Zugvögel vom Lande und von den Reisen kehren zurück, die großen Ma- növres und die Anwesenheit der fremden fürstlichen Gäste an unserm Hofe haben in mancher Hinsicht die früheren Ruhewochen einbringen wollen. Die Anwesenheit des Prinzen von Preußen, des Großfürsten Michael, gab zu verschiedenen Hoffesten Veranlassung, welche aber vielleicht noch häu¬ figer gewesen waren, wenn nicht die Krankheit der Großfürstin Maria einen so äußerst drohenden Charakter angenommen hätte. Als einen charakteristischen Zug erwähne ich, daß der Prinz von Preußen sich wäh¬ rend seines ganzen hiesigen Aufenthaltes täglich sämmtliche hiesige Blätter zuschicken ließ, eine Aufmerksamkeit, welche der lieben Wiener Journalistik noch von keinem fremden, hier durchreisenden Prinzen erwiesen wurde. Der Prinz, der als Jnspicient Preußens für unsern Bundescontingent hier war, soll sich über die österreichischen Truppen außerordentlich aner¬ kennend ausgesprochen haben — immerhin für uns sehr schmeichelhaft, aber mit welchen Ausgaben wird alljährlich ein solches höchstes Wohlge¬ fallen bezahlt! Und am Ende macht unser Jnspicient nicht dieselben Redensarten bei Preußen, und all' den andern größern und kleinern Städchen! Seit einigen Tagen wendet sich die Aufmerksamkeit von hier zum großen Theil nach Ungarn, denn hier scheinen sich in der nächsten Zeit mehrere für die Monarchie äußerst wichtige Dinge vorzubereiten. Wäh¬ rend man im ganzen Lande Vorbereitungen zum 50jährigen Lubiläums- feste des Palatins machte — der Jubilaumstag war eigentlich schon im März dieses Jahres gewesen, das Fest aber auf den Wunsch des greisen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/119>, abgerufen am 03.05.2024.