Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
III.
Aus Dresden.

Minister von Könneritz. -- Düsseldorf-r und Münchner. -- Köchly und Bloch-
mann. -- Gutzkow. -- Dramatische Borlesungen. -- Museum.

In unserm Staats- und Kunstorganismus haben sich in letzter Zeit
mehrfache Personalveranderungen gedrängt. Daß der Justizminister Herr
von Könneritz sein Portefeuille niedergelegt hat, ist theils zu bedauern,
insofern als er mit entschiedenem ministeriellen Talente eine allseitige
Kenntniß der Rechtswissenschaft und gegenwärtigen Rechtsgestaltung ver¬
band, theils aber ist dieser Schritt erfreulich, insofern er eine unum"
wundere Anerkennung des konstitutionellen Princips enthält. Herr von
Könneritz vermochte nicht, seine Ansicht über Oeffentlichkeit und Münd¬
lichkeit der Strafrechtspflege den Kammern gegenüber aufrecht zu erhal¬
ten, und er verließ einen Posten, auf welchem er etwas mit seiner in¬
nern Ueberzeugung Unvereinbares in Vollzug zu setzen genöthigt worden
wäre.

Da Ihnen schon von anderwärts über Schmorr von Earolsfeld be¬
richtet worden, so kann ich nur auf Anlaß feines hiesigen Empfanges die
Bemerkung nicht unterdrücken, daß es doch ein ganz eignes Ding um
den Kunstenthustasmus ist. Noch ist es kein Jahrzehnt, daß in der Düs¬
seldorfer Schule eine Mefstaserscheinung erblickt ward, daß man die Mei¬
ster, wie einen Schadow, Bendemann, Lessing, über die Sterne überhob,
nichts sehen wollte, als Düsseldorfer Bilder. Und ebenso eifrig ist man
jetzt bemüht, diese Schule auf Kosten der Münchener herabzusetzen, ihr
alles das als Fehler vorzuwerfen, was man früher als schön und un¬
vergleichlich erkannte! Das ist die fliegende Hitze eines Strohfeueren¬
thusiasmus, der sich am Ende doch selbst nicht dessen klar bewußt ist,
was er will.

öl. Köchly, dessen Name auch bereits in den Grenzboten auf Anlaß
der Philologenversammlung in Jena genannt wurde, hat hier, wo er als Lehrer
an der Kreuzschule angestellt ist, einen Verein zur Gymnasialreform in das Le¬
ben gerufen, und bezweckt eine Gelehrtenschule zu begründen, in welcher
die Vorbildung zur Universität nicht auf dem bisherigen Wege, durch
gelehrte Wälder eines tiefounklen Formencultus geführt, sondern wo den
für das Wirken im Leben berufenen Jünglingen das Ziel ihrer Bahnen
in dem freien Sonnenlichte der Gegenwart gezeigt werden soll. Und ob
es wohl Zeit ist, daß die Scholastik dem Flügelschlage der Zeit weicht!
Wir haben übrigens in Dresden bereits eine Gelehrtenschule, in welcher
die Emancipation von der starren Fürstenschulentheorie schon vorlängst
ins Leben getreten, als zweckmäßig und heilsam erkannt worden ist --
nämlich die Erziehungsanstalt des Geheimen Schulrath Dr. Blochmann,
vereint mit dem Vitzthumschen Geschlechtsgymnasium, deren Ruf aber lei¬
der! wohl im Auslande verbreiteter ist, als im Inlande. In diesem
Institute werden dem Studium der Geschichte, der Mathematik, der Li¬
teratur, der neuern Sprachen, nicht nur dem Namen, sondern auch der


Grrnzbotcn. IV. 1S4V.
III.
Aus Dresden.

Minister von Könneritz. — Düsseldorf-r und Münchner. — Köchly und Bloch-
mann. — Gutzkow. — Dramatische Borlesungen. — Museum.

In unserm Staats- und Kunstorganismus haben sich in letzter Zeit
mehrfache Personalveranderungen gedrängt. Daß der Justizminister Herr
von Könneritz sein Portefeuille niedergelegt hat, ist theils zu bedauern,
insofern als er mit entschiedenem ministeriellen Talente eine allseitige
Kenntniß der Rechtswissenschaft und gegenwärtigen Rechtsgestaltung ver¬
band, theils aber ist dieser Schritt erfreulich, insofern er eine unum»
wundere Anerkennung des konstitutionellen Princips enthält. Herr von
Könneritz vermochte nicht, seine Ansicht über Oeffentlichkeit und Münd¬
lichkeit der Strafrechtspflege den Kammern gegenüber aufrecht zu erhal¬
ten, und er verließ einen Posten, auf welchem er etwas mit seiner in¬
nern Ueberzeugung Unvereinbares in Vollzug zu setzen genöthigt worden
wäre.

Da Ihnen schon von anderwärts über Schmorr von Earolsfeld be¬
richtet worden, so kann ich nur auf Anlaß feines hiesigen Empfanges die
Bemerkung nicht unterdrücken, daß es doch ein ganz eignes Ding um
den Kunstenthustasmus ist. Noch ist es kein Jahrzehnt, daß in der Düs¬
seldorfer Schule eine Mefstaserscheinung erblickt ward, daß man die Mei¬
ster, wie einen Schadow, Bendemann, Lessing, über die Sterne überhob,
nichts sehen wollte, als Düsseldorfer Bilder. Und ebenso eifrig ist man
jetzt bemüht, diese Schule auf Kosten der Münchener herabzusetzen, ihr
alles das als Fehler vorzuwerfen, was man früher als schön und un¬
vergleichlich erkannte! Das ist die fliegende Hitze eines Strohfeueren¬
thusiasmus, der sich am Ende doch selbst nicht dessen klar bewußt ist,
was er will.

öl. Köchly, dessen Name auch bereits in den Grenzboten auf Anlaß
der Philologenversammlung in Jena genannt wurde, hat hier, wo er als Lehrer
an der Kreuzschule angestellt ist, einen Verein zur Gymnasialreform in das Le¬
ben gerufen, und bezweckt eine Gelehrtenschule zu begründen, in welcher
die Vorbildung zur Universität nicht auf dem bisherigen Wege, durch
gelehrte Wälder eines tiefounklen Formencultus geführt, sondern wo den
für das Wirken im Leben berufenen Jünglingen das Ziel ihrer Bahnen
in dem freien Sonnenlichte der Gegenwart gezeigt werden soll. Und ob
es wohl Zeit ist, daß die Scholastik dem Flügelschlage der Zeit weicht!
Wir haben übrigens in Dresden bereits eine Gelehrtenschule, in welcher
die Emancipation von der starren Fürstenschulentheorie schon vorlängst
ins Leben getreten, als zweckmäßig und heilsam erkannt worden ist —
nämlich die Erziehungsanstalt des Geheimen Schulrath Dr. Blochmann,
vereint mit dem Vitzthumschen Geschlechtsgymnasium, deren Ruf aber lei¬
der! wohl im Auslande verbreiteter ist, als im Inlande. In diesem
Institute werden dem Studium der Geschichte, der Mathematik, der Li¬
teratur, der neuern Sprachen, nicht nur dem Namen, sondern auch der


Grrnzbotcn. IV. 1S4V.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183803"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.<lb/>
Aus Dresden.</head><lb/>
            <note type="argument"> Minister von Könneritz. &#x2014; Düsseldorf-r und Münchner. &#x2014; Köchly und Bloch-<lb/>
mann. &#x2014; Gutzkow. &#x2014; Dramatische Borlesungen. &#x2014; Museum.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_609"> In unserm Staats- und Kunstorganismus haben sich in letzter Zeit<lb/>
mehrfache Personalveranderungen gedrängt. Daß der Justizminister Herr<lb/>
von Könneritz sein Portefeuille niedergelegt hat, ist theils zu bedauern,<lb/>
insofern als er mit entschiedenem ministeriellen Talente eine allseitige<lb/>
Kenntniß der Rechtswissenschaft und gegenwärtigen Rechtsgestaltung ver¬<lb/>
band, theils aber ist dieser Schritt erfreulich, insofern er eine unum»<lb/>
wundere Anerkennung des konstitutionellen Princips enthält. Herr von<lb/>
Könneritz vermochte nicht, seine Ansicht über Oeffentlichkeit und Münd¬<lb/>
lichkeit der Strafrechtspflege den Kammern gegenüber aufrecht zu erhal¬<lb/>
ten, und er verließ einen Posten, auf welchem er etwas mit seiner in¬<lb/>
nern Ueberzeugung Unvereinbares in Vollzug zu setzen genöthigt worden<lb/>
wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_610"> Da Ihnen schon von anderwärts über Schmorr von Earolsfeld be¬<lb/>
richtet worden, so kann ich nur auf Anlaß feines hiesigen Empfanges die<lb/>
Bemerkung nicht unterdrücken, daß es doch ein ganz eignes Ding um<lb/>
den Kunstenthustasmus ist. Noch ist es kein Jahrzehnt, daß in der Düs¬<lb/>
seldorfer Schule eine Mefstaserscheinung erblickt ward, daß man die Mei¬<lb/>
ster, wie einen Schadow, Bendemann, Lessing, über die Sterne überhob,<lb/>
nichts sehen wollte, als Düsseldorfer Bilder. Und ebenso eifrig ist man<lb/>
jetzt bemüht, diese Schule auf Kosten der Münchener herabzusetzen, ihr<lb/>
alles das als Fehler vorzuwerfen, was man früher als schön und un¬<lb/>
vergleichlich erkannte! Das ist die fliegende Hitze eines Strohfeueren¬<lb/>
thusiasmus, der sich am Ende doch selbst nicht dessen klar bewußt ist,<lb/>
was er will.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_611" next="#ID_612"> öl. Köchly, dessen Name auch bereits in den Grenzboten auf Anlaß<lb/>
der Philologenversammlung in Jena genannt wurde, hat hier, wo er als Lehrer<lb/>
an der Kreuzschule angestellt ist, einen Verein zur Gymnasialreform in das Le¬<lb/>
ben gerufen, und bezweckt eine Gelehrtenschule zu begründen, in welcher<lb/>
die Vorbildung zur Universität nicht auf dem bisherigen Wege, durch<lb/>
gelehrte Wälder eines tiefounklen Formencultus geführt, sondern wo den<lb/>
für das Wirken im Leben berufenen Jünglingen das Ziel ihrer Bahnen<lb/>
in dem freien Sonnenlichte der Gegenwart gezeigt werden soll. Und ob<lb/>
es wohl Zeit ist, daß die Scholastik dem Flügelschlage der Zeit weicht!<lb/>
Wir haben übrigens in Dresden bereits eine Gelehrtenschule, in welcher<lb/>
die Emancipation von der starren Fürstenschulentheorie schon vorlängst<lb/>
ins Leben getreten, als zweckmäßig und heilsam erkannt worden ist &#x2014;<lb/>
nämlich die Erziehungsanstalt des Geheimen Schulrath Dr. Blochmann,<lb/>
vereint mit dem Vitzthumschen Geschlechtsgymnasium, deren Ruf aber lei¬<lb/>
der! wohl im Auslande verbreiteter ist, als im Inlande. In diesem<lb/>
Institute werden dem Studium der Geschichte, der Mathematik, der Li¬<lb/>
teratur, der neuern Sprachen, nicht nur dem Namen, sondern auch der</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grrnzbotcn. IV. 1S4V.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] III. Aus Dresden. Minister von Könneritz. — Düsseldorf-r und Münchner. — Köchly und Bloch- mann. — Gutzkow. — Dramatische Borlesungen. — Museum. In unserm Staats- und Kunstorganismus haben sich in letzter Zeit mehrfache Personalveranderungen gedrängt. Daß der Justizminister Herr von Könneritz sein Portefeuille niedergelegt hat, ist theils zu bedauern, insofern als er mit entschiedenem ministeriellen Talente eine allseitige Kenntniß der Rechtswissenschaft und gegenwärtigen Rechtsgestaltung ver¬ band, theils aber ist dieser Schritt erfreulich, insofern er eine unum» wundere Anerkennung des konstitutionellen Princips enthält. Herr von Könneritz vermochte nicht, seine Ansicht über Oeffentlichkeit und Münd¬ lichkeit der Strafrechtspflege den Kammern gegenüber aufrecht zu erhal¬ ten, und er verließ einen Posten, auf welchem er etwas mit seiner in¬ nern Ueberzeugung Unvereinbares in Vollzug zu setzen genöthigt worden wäre. Da Ihnen schon von anderwärts über Schmorr von Earolsfeld be¬ richtet worden, so kann ich nur auf Anlaß feines hiesigen Empfanges die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es doch ein ganz eignes Ding um den Kunstenthustasmus ist. Noch ist es kein Jahrzehnt, daß in der Düs¬ seldorfer Schule eine Mefstaserscheinung erblickt ward, daß man die Mei¬ ster, wie einen Schadow, Bendemann, Lessing, über die Sterne überhob, nichts sehen wollte, als Düsseldorfer Bilder. Und ebenso eifrig ist man jetzt bemüht, diese Schule auf Kosten der Münchener herabzusetzen, ihr alles das als Fehler vorzuwerfen, was man früher als schön und un¬ vergleichlich erkannte! Das ist die fliegende Hitze eines Strohfeueren¬ thusiasmus, der sich am Ende doch selbst nicht dessen klar bewußt ist, was er will. öl. Köchly, dessen Name auch bereits in den Grenzboten auf Anlaß der Philologenversammlung in Jena genannt wurde, hat hier, wo er als Lehrer an der Kreuzschule angestellt ist, einen Verein zur Gymnasialreform in das Le¬ ben gerufen, und bezweckt eine Gelehrtenschule zu begründen, in welcher die Vorbildung zur Universität nicht auf dem bisherigen Wege, durch gelehrte Wälder eines tiefounklen Formencultus geführt, sondern wo den für das Wirken im Leben berufenen Jünglingen das Ziel ihrer Bahnen in dem freien Sonnenlichte der Gegenwart gezeigt werden soll. Und ob es wohl Zeit ist, daß die Scholastik dem Flügelschlage der Zeit weicht! Wir haben übrigens in Dresden bereits eine Gelehrtenschule, in welcher die Emancipation von der starren Fürstenschulentheorie schon vorlängst ins Leben getreten, als zweckmäßig und heilsam erkannt worden ist — nämlich die Erziehungsanstalt des Geheimen Schulrath Dr. Blochmann, vereint mit dem Vitzthumschen Geschlechtsgymnasium, deren Ruf aber lei¬ der! wohl im Auslande verbreiteter ist, als im Inlande. In diesem Institute werden dem Studium der Geschichte, der Mathematik, der Li¬ teratur, der neuern Sprachen, nicht nur dem Namen, sondern auch der Grrnzbotcn. IV. 1S4V.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/221>, abgerufen am 03.05.2024.