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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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ist erst die Basis, auf der ein Orchester, aus lauter ausgezeichneten Künstlern
bestehend, ein fein nüancirtes und ausgearbeitetes Gebäude errichtet. Eine
Symphonie von Ricks Gabe gefiel ungemein.

Zum Geburtstage der Königin steht uns eine neue Oper von Karl
Eckert: Wilhelm von Oranien, bevor. Unterdessen müssen die Musketiere
der Königin herhalten. Man hofft, diese unangenehme Speise den Ber¬
linern zuletzt doch noch mundrecht zu machen. Mit Austern und Caviar
hat man zwar schon manchen Gaumen bekehrt, aber mit den Musketieren?
Diese Waffe Macht kein Glück bei uns, weshalb Mad. Birch-Pfeiffer
ihre Anna von Oesterreich auch nicht "die drei Musketiere" taufte. Die
königl. Sängerin Fräul. Mary leidet seit geraumer Zeit an einer bedenk¬
A. Z, lichen Indisposition ihrer Stimmorgane. "


III.
Aus Prag,
i.
Judenverfolgung in einem Univcrsitcitsszale.

Gestatten Sie, daß in Ihrem hochgeachteten Blatte eine kleine An¬
gelegenheit zur Sprache komme, die, obgleich in dem engen Kreise eines
unserer Universirätssäle spielend, dennoch nicht ganz ohne höhere Wichtig¬
keit ist. -- -- -- -- Die drückende und abnorme Lage der hiesigen
zum großen Theil noch ins Ghetto gebannten Juden ist fast sprüchwört¬
lich geworden und die Regierung hat in letzterer Zeit von selbst den Be¬
weis gegeben, daß sie die mittelalterlichen Ausnahmsgesetze, welche die hie¬
sige zahlreiche jüdische Bevölkerung (1<t,0W Seelen) erdrückt, zu mildern
sucht; sie hat die enorme und fast unerschwingliche Judensteuer von selbst
nach Ablauf der nächsten sieben Jahre für aufgehoben erklärt, sie hat die
Zulassung israelitischer Privatdocenten an der hiesigen Universität (wenn
auch vor der Hand nur für hebräische Literatur) möglich gemacht und
überhaupt mannigfache Aelchen gegeben, daß es ihr an gutem Willen zur
Einführung einer zeitgemaßcrn LegiSlation in Bezug auf die hier mehr
wie in allen deutschen Staaten gedrückten israelitischen Unterthanen
nicht fehlt. Wenn in dieser Beziehung die Schritte unserer Gesetzgeber
allerdings noch immer nicht jenen der übrigen Regierungen Deuschlands
(von Frankreich und England zu schweigen) gleich kommen, so liegt das
vielleicht in jenem Princip der Behutsamkeit, die einen bekannten Haupt¬
zug der österreichischen Regierung bildet. Offenbar rechnet sie auf die
Unterstützung der Intelligenz und der Gebildeten, die wie allenthalben in
Deutschland, so auch in Oesterreich, die Absurdität und die unpolitischen
Folgen der mittelalterlichen Judengcsetze einsieht. Um so trauriger ist es,
wenn gerade von dieser Seite Dinge geschehen, die Alles in die alte
Nacht zurück zu stoßen drohen, wenn die Universität, die ihrem Berufe
nach eine Hüterin und Vorbereiten" des Lichts und der Humanität sein
soll, zum Schauplatz mittelalterlicher Judenscenen wird. Beeilen wir uns


ist erst die Basis, auf der ein Orchester, aus lauter ausgezeichneten Künstlern
bestehend, ein fein nüancirtes und ausgearbeitetes Gebäude errichtet. Eine
Symphonie von Ricks Gabe gefiel ungemein.

Zum Geburtstage der Königin steht uns eine neue Oper von Karl
Eckert: Wilhelm von Oranien, bevor. Unterdessen müssen die Musketiere
der Königin herhalten. Man hofft, diese unangenehme Speise den Ber¬
linern zuletzt doch noch mundrecht zu machen. Mit Austern und Caviar
hat man zwar schon manchen Gaumen bekehrt, aber mit den Musketieren?
Diese Waffe Macht kein Glück bei uns, weshalb Mad. Birch-Pfeiffer
ihre Anna von Oesterreich auch nicht „die drei Musketiere" taufte. Die
königl. Sängerin Fräul. Mary leidet seit geraumer Zeit an einer bedenk¬
A. Z, lichen Indisposition ihrer Stimmorgane. "


III.
Aus Prag,
i.
Judenverfolgung in einem Univcrsitcitsszale.

Gestatten Sie, daß in Ihrem hochgeachteten Blatte eine kleine An¬
gelegenheit zur Sprache komme, die, obgleich in dem engen Kreise eines
unserer Universirätssäle spielend, dennoch nicht ganz ohne höhere Wichtig¬
keit ist. — — — — Die drückende und abnorme Lage der hiesigen
zum großen Theil noch ins Ghetto gebannten Juden ist fast sprüchwört¬
lich geworden und die Regierung hat in letzterer Zeit von selbst den Be¬
weis gegeben, daß sie die mittelalterlichen Ausnahmsgesetze, welche die hie¬
sige zahlreiche jüdische Bevölkerung (1<t,0W Seelen) erdrückt, zu mildern
sucht; sie hat die enorme und fast unerschwingliche Judensteuer von selbst
nach Ablauf der nächsten sieben Jahre für aufgehoben erklärt, sie hat die
Zulassung israelitischer Privatdocenten an der hiesigen Universität (wenn
auch vor der Hand nur für hebräische Literatur) möglich gemacht und
überhaupt mannigfache Aelchen gegeben, daß es ihr an gutem Willen zur
Einführung einer zeitgemaßcrn LegiSlation in Bezug auf die hier mehr
wie in allen deutschen Staaten gedrückten israelitischen Unterthanen
nicht fehlt. Wenn in dieser Beziehung die Schritte unserer Gesetzgeber
allerdings noch immer nicht jenen der übrigen Regierungen Deuschlands
(von Frankreich und England zu schweigen) gleich kommen, so liegt das
vielleicht in jenem Princip der Behutsamkeit, die einen bekannten Haupt¬
zug der österreichischen Regierung bildet. Offenbar rechnet sie auf die
Unterstützung der Intelligenz und der Gebildeten, die wie allenthalben in
Deutschland, so auch in Oesterreich, die Absurdität und die unpolitischen
Folgen der mittelalterlichen Judengcsetze einsieht. Um so trauriger ist es,
wenn gerade von dieser Seite Dinge geschehen, die Alles in die alte
Nacht zurück zu stoßen drohen, wenn die Universität, die ihrem Berufe
nach eine Hüterin und Vorbereiten« des Lichts und der Humanität sein
soll, zum Schauplatz mittelalterlicher Judenscenen wird. Beeilen wir uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/266>, abgerufen am 03.05.2024.