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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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fehlst, die jetzt an diesem Theater getrieben wird, muß man gegen den
Tadel durch Herbeirufung der Polizeihofstelle sich waffnen. Es wird bald
an diesem Theater dahin kommen, daß ein neues Stück nicht eher zu¬
gelassen wird, als wenn der Autor nachweist, daß es bereits im vorigen
Jahrhundert geschrieben wurde. Man spricht von der Aufführung eines
neuen Stückes von Laube, das an Schiller's Geburtstag in die Scene
gehen soll, indem Schiller die Hauptperson desselben sein soll. Man
spricht -- d. h. ich glaube kein Wort d'ran; ich weiß nicht, wie alt
Laube ist, aber er ist jedenfalls viel zu jung, um Gnade vor den Augen
unserer Bühnenlcitung zu finden, und dann ist ja sein Stück im Jahre
1846 geschrieben) solche Stücke können unmöglich zugelassen Werden.

Bei einem hiesigen jungen Beamten, Namens Nähte, wurde die¬
ser Tage Hausuntersuchung wegen einer in Leipzig erschienenen Brochüre,
"Wiener Kanzleizustande" gemacht; es hat jedoch kein Ergebniß gehabt.
Es ist derselbe, dessen Correspondenzen in den "Jahreszeiten" soviel Scandal
hier machten. Eine c:u>so cvledro -- wenn es beim heimlichen Gerichtsver¬
fahren überhaupt eine c-uso colvtirv geben kann -- ist endlich zur Entschei¬
dung gekommen. Es ist dies der Proceß des wegenjseiner Brutalität längst
in Verruf gestandenen Feldmarschall-Lieutenants Graf T..., der des ge¬
meinen Betrugs überwiesen, aller seiner Würden entsetzt und zum Gefäng¬
niß verurtheilt wurde, ein Urtheil, dessen Milderung die vornehmen Ver¬
wandten von dem Kaiser erwünschten, der es aber entschieden verweigerte,
obschon der Graf in frühern Jahren sein Kammerherr war. Der Ver-
urtheilte ist der nahe Verwandte eines berühmten ungarischen Magnaten
,
Rainer. der mit einem wichtigen Gesandtschaftsposten betraut ist.


VI.
Notizen.

Uriel La Costa. -- Neue Oper. -- Beiträge für Romandichter. -- Louis Philipp's
Lebensdauer. -- Wolfgang Menzel.

-- Man schreibt aus Dresden: Karl Gutzkow, der mit seiner Familie
nach Berlin übersiedelt, machte hier einen kurzen Besuch von einigen
Tagen. Sein neuestes Drama: Uriel La Costa (5 Acte und in Versen),
kommt zuerst an der hiesigen Bühne zur Aufführung. Eine Notiz im
Nürnberger Correspondenten, welche die Nachricht gab, das Stück sei von
der Intendanz zurückgewiesen, ist durchaus unwahr und beruht wohl zu¬
nächst darauf, daß dieses Drama, welches religiöse Fragen --- wenn auch
nur im Kreise des JudentKums -- zur Grundlage hat, auf Schwierigkeiten
stieß, die aber durch Emil Devrient's Vermittlung beseitigt wurden. Der
La Costa wird wohl noch im November zur Darstellung kommen, ebenso
wie Heinrich Laube's "Karlsschüler," (fünf Acte und in Prosa.) Der
Winter scheint überhaupt für unsere Bühne lebhaft sich gestalten zu
wollen, denn auch auf dem Gebiete der Oper erwarten wir ein interessantes
deutsches Product: die Oper Conradin von Ferdinand Hiller, für welche
der Lyriker und Maler Reinik den Text geschrieben hat. Sowohl der Componist
als der Dichter des Libretto leben hier in Dresden, und die Erwartung


fehlst, die jetzt an diesem Theater getrieben wird, muß man gegen den
Tadel durch Herbeirufung der Polizeihofstelle sich waffnen. Es wird bald
an diesem Theater dahin kommen, daß ein neues Stück nicht eher zu¬
gelassen wird, als wenn der Autor nachweist, daß es bereits im vorigen
Jahrhundert geschrieben wurde. Man spricht von der Aufführung eines
neuen Stückes von Laube, das an Schiller's Geburtstag in die Scene
gehen soll, indem Schiller die Hauptperson desselben sein soll. Man
spricht — d. h. ich glaube kein Wort d'ran; ich weiß nicht, wie alt
Laube ist, aber er ist jedenfalls viel zu jung, um Gnade vor den Augen
unserer Bühnenlcitung zu finden, und dann ist ja sein Stück im Jahre
1846 geschrieben) solche Stücke können unmöglich zugelassen Werden.

Bei einem hiesigen jungen Beamten, Namens Nähte, wurde die¬
ser Tage Hausuntersuchung wegen einer in Leipzig erschienenen Brochüre,
„Wiener Kanzleizustande" gemacht; es hat jedoch kein Ergebniß gehabt.
Es ist derselbe, dessen Correspondenzen in den „Jahreszeiten" soviel Scandal
hier machten. Eine c:u>so cvledro — wenn es beim heimlichen Gerichtsver¬
fahren überhaupt eine c-uso colvtirv geben kann — ist endlich zur Entschei¬
dung gekommen. Es ist dies der Proceß des wegenjseiner Brutalität längst
in Verruf gestandenen Feldmarschall-Lieutenants Graf T..., der des ge¬
meinen Betrugs überwiesen, aller seiner Würden entsetzt und zum Gefäng¬
niß verurtheilt wurde, ein Urtheil, dessen Milderung die vornehmen Ver¬
wandten von dem Kaiser erwünschten, der es aber entschieden verweigerte,
obschon der Graf in frühern Jahren sein Kammerherr war. Der Ver-
urtheilte ist der nahe Verwandte eines berühmten ungarischen Magnaten
,
Rainer. der mit einem wichtigen Gesandtschaftsposten betraut ist.


VI.
Notizen.

Uriel La Costa. — Neue Oper. — Beiträge für Romandichter. — Louis Philipp's
Lebensdauer. — Wolfgang Menzel.

— Man schreibt aus Dresden: Karl Gutzkow, der mit seiner Familie
nach Berlin übersiedelt, machte hier einen kurzen Besuch von einigen
Tagen. Sein neuestes Drama: Uriel La Costa (5 Acte und in Versen),
kommt zuerst an der hiesigen Bühne zur Aufführung. Eine Notiz im
Nürnberger Correspondenten, welche die Nachricht gab, das Stück sei von
der Intendanz zurückgewiesen, ist durchaus unwahr und beruht wohl zu¬
nächst darauf, daß dieses Drama, welches religiöse Fragen -— wenn auch
nur im Kreise des JudentKums — zur Grundlage hat, auf Schwierigkeiten
stieß, die aber durch Emil Devrient's Vermittlung beseitigt wurden. Der
La Costa wird wohl noch im November zur Darstellung kommen, ebenso
wie Heinrich Laube's „Karlsschüler," (fünf Acte und in Prosa.) Der
Winter scheint überhaupt für unsere Bühne lebhaft sich gestalten zu
wollen, denn auch auf dem Gebiete der Oper erwarten wir ein interessantes
deutsches Product: die Oper Conradin von Ferdinand Hiller, für welche
der Lyriker und Maler Reinik den Text geschrieben hat. Sowohl der Componist
als der Dichter des Libretto leben hier in Dresden, und die Erwartung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/87>, abgerufen am 03.05.2024.