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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Grinnernngen aus meinem Leben.
von E. Rout'se



I.
Wie ich "ach Frankfurt am Main kam.

Von Jugend auf fühlte ich die größte Neigung, ja wenn im" will, eine
innere Bestimmung für eine öffentliche Laufbahn. In monarchischen Staaten ohne
Volksvertretung kauu diese nur in der Diplomatie angestrebt werden. Deshalb
ging ich, durch gründliche Studien genugsam vorbereitet und mit guten Empfeh¬
lungen an den damaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen
von Bernsdorff, und seinen wahrscheinlichen Nachfolger, Herrn Nncillon, versehen,
als ich 25 Jahre alt war nach Berlin. Unmittelbar nach meiner Ankunft daselbst
resignirte Bernsdorff. Dieser Zufall stand indessen der Verwirklichung meiner
Wünsche weniger im Wege, als ich eine Zeit lang besorgt hatte. Meine Probe¬
arbeit "Ueber das Lebensprincip der germanischen Staaten," eine Abhandlung,
in welcher ich nach Hegel'sehen Ansichten den Constitutionalismus aus den ur¬
sprünglichen Rechtsbegriffen der germanischen Nationen entwickelt hatte, empfahl
mich dein neuen Minister sehr vortheilhaft. Er hatte sie selber, zum Theil wenig¬
stens, durchgelesen und sprach über einzelne Punkte sehr wohlwollend zu mir. Da¬
mals war es noch eine Empfehlung für einen angehenden Staatsbeamten, ein
Hegelianer zu sein. Auch Gans, dem ich die Arbeit mitgetheilt hatte, wie einige
andere Freunde fanden sie zu loben. Außerdem hatte ich, um meine Sprachkenntnisse
in vortheilhaftes Licht zu stellen, eine Eingabe in sieben Sprachen verfaßt. Die



D. Red. d. Grenzb,
) Unter den hinterlassenen Papieren dieses durch seine Schicksale, wie durch seine Schrif¬
ten interessanten Mannes, befinden sich auch seine vollständigen Memoiren, welche er kurz voe
seinem Tode (184") vollständig ausarbeitete und zum Drucke vorbereitete. Die Personen, die
im Besitze dieser an Details ungemein reichen Papiere sind, haben uns in den Stand gesetzt,
einige Bruchstücke daraus mitzutheilen, während die vollständige Herausbabe derselben aus
Rücksicht für einige noch lebende Persönlichkeiten erst später stattfinden soll.
Srmzt'vt-N. IV. ""47. 30
Grinnernngen aus meinem Leben.
von E. Rout'se



I.
Wie ich »ach Frankfurt am Main kam.

Von Jugend auf fühlte ich die größte Neigung, ja wenn im» will, eine
innere Bestimmung für eine öffentliche Laufbahn. In monarchischen Staaten ohne
Volksvertretung kauu diese nur in der Diplomatie angestrebt werden. Deshalb
ging ich, durch gründliche Studien genugsam vorbereitet und mit guten Empfeh¬
lungen an den damaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen
von Bernsdorff, und seinen wahrscheinlichen Nachfolger, Herrn Nncillon, versehen,
als ich 25 Jahre alt war nach Berlin. Unmittelbar nach meiner Ankunft daselbst
resignirte Bernsdorff. Dieser Zufall stand indessen der Verwirklichung meiner
Wünsche weniger im Wege, als ich eine Zeit lang besorgt hatte. Meine Probe¬
arbeit „Ueber das Lebensprincip der germanischen Staaten," eine Abhandlung,
in welcher ich nach Hegel'sehen Ansichten den Constitutionalismus aus den ur¬
sprünglichen Rechtsbegriffen der germanischen Nationen entwickelt hatte, empfahl
mich dein neuen Minister sehr vortheilhaft. Er hatte sie selber, zum Theil wenig¬
stens, durchgelesen und sprach über einzelne Punkte sehr wohlwollend zu mir. Da¬
mals war es noch eine Empfehlung für einen angehenden Staatsbeamten, ein
Hegelianer zu sein. Auch Gans, dem ich die Arbeit mitgetheilt hatte, wie einige
andere Freunde fanden sie zu loben. Außerdem hatte ich, um meine Sprachkenntnisse
in vortheilhaftes Licht zu stellen, eine Eingabe in sieben Sprachen verfaßt. Die



D. Red. d. Grenzb,
) Unter den hinterlassenen Papieren dieses durch seine Schicksale, wie durch seine Schrif¬
ten interessanten Mannes, befinden sich auch seine vollständigen Memoiren, welche er kurz voe
seinem Tode (184«) vollständig ausarbeitete und zum Drucke vorbereitete. Die Personen, die
im Besitze dieser an Details ungemein reichen Papiere sind, haben uns in den Stand gesetzt,
einige Bruchstücke daraus mitzutheilen, während die vollständige Herausbabe derselben aus
Rücksicht für einige noch lebende Persönlichkeiten erst später stattfinden soll.
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[0237] Grinnernngen aus meinem Leben. von E. Rout'se I. Wie ich »ach Frankfurt am Main kam. Von Jugend auf fühlte ich die größte Neigung, ja wenn im» will, eine innere Bestimmung für eine öffentliche Laufbahn. In monarchischen Staaten ohne Volksvertretung kauu diese nur in der Diplomatie angestrebt werden. Deshalb ging ich, durch gründliche Studien genugsam vorbereitet und mit guten Empfeh¬ lungen an den damaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen von Bernsdorff, und seinen wahrscheinlichen Nachfolger, Herrn Nncillon, versehen, als ich 25 Jahre alt war nach Berlin. Unmittelbar nach meiner Ankunft daselbst resignirte Bernsdorff. Dieser Zufall stand indessen der Verwirklichung meiner Wünsche weniger im Wege, als ich eine Zeit lang besorgt hatte. Meine Probe¬ arbeit „Ueber das Lebensprincip der germanischen Staaten," eine Abhandlung, in welcher ich nach Hegel'sehen Ansichten den Constitutionalismus aus den ur¬ sprünglichen Rechtsbegriffen der germanischen Nationen entwickelt hatte, empfahl mich dein neuen Minister sehr vortheilhaft. Er hatte sie selber, zum Theil wenig¬ stens, durchgelesen und sprach über einzelne Punkte sehr wohlwollend zu mir. Da¬ mals war es noch eine Empfehlung für einen angehenden Staatsbeamten, ein Hegelianer zu sein. Auch Gans, dem ich die Arbeit mitgetheilt hatte, wie einige andere Freunde fanden sie zu loben. Außerdem hatte ich, um meine Sprachkenntnisse in vortheilhaftes Licht zu stellen, eine Eingabe in sieben Sprachen verfaßt. Die D. Red. d. Grenzb, ) Unter den hinterlassenen Papieren dieses durch seine Schicksale, wie durch seine Schrif¬ ten interessanten Mannes, befinden sich auch seine vollständigen Memoiren, welche er kurz voe seinem Tode (184«) vollständig ausarbeitete und zum Drucke vorbereitete. Die Personen, die im Besitze dieser an Details ungemein reichen Papiere sind, haben uns in den Stand gesetzt, einige Bruchstücke daraus mitzutheilen, während die vollständige Herausbabe derselben aus Rücksicht für einige noch lebende Persönlichkeiten erst später stattfinden soll. Srmzt'vt-N. IV. »»47. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/237>, abgerufen am 05.05.2024.