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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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in dem bisher rein aristocratischen Principe des böhmischen Ständcwcsens mit begrün¬
det, von der Regierung wohl minder beanstandet worden wäre.

Man wird nämlich, wie bekannt, stimmfähig in unserer Ständeversammlung durch
Geburt und Besitz. Vom Bürgerstande sind die eingebornen, ansässigen Bürger der
königlich privilegirten Städte befähigt, landtäfliche Güter mit obrigkeitlichem Rechte zu
besitzen und ihren Kinder" frei zu vererben.

Liegt es demnach nicht ganz nahe, diesen besitzfähigen, b ur g erlich en Guts-
besitzern den Eintritt in die S da ut cversammlung zu gewähren? Auf
solche Weise würden die Bürgerrcpräscntation allmälig zu einer wirklichen werden, welche
das Interesse des Gutsbesitzers, wie des städtischen Bürgers in sich vereint, und dennoch
das so unliebsame Wahlwcscn vor der Hand umgehet, und die Herren Bürgermeister
und Räthe ganz unbeirrt sitzen läßt.

Solch ein Antrag würde als Act der Gerechtigkeit wie der Klugheit mächtigen
Anklang gefunden, und insbesondere eine stets eifersüchtige Opposition gegen die bevor¬
zugten Herrenstande beschwichtiget haben.

Doch der Bürger stehet noch viel zu tief in der Ansicht der Herren vom Adel,
man dachte seiner kaum, nud meinte, alles allein mit der Regierung abzumachen und dann
wohl auch alles Eroberte für sich zu behalte". Darum stehet man jetzt allein in den
Tagen selbst geschaffener Bedrängnis;, und wird Mühe haben das verlorene Terrain
wieder zu gewinnen, Eingeschüchterte zu ermuthigc", sich zu kräftigen zu neuen parla¬
mentarischen Kämpfen nach einem geänderten, festen Plane.

Wir betrachten das bisher an uns Vorübergegangene als die erste Phase des stän¬
dischen Belebnngsversnches, als des Drama's ersten Act -- die Exposition ist vorüber,
der Knoten ist geschürzt, die Hindernisse sind gethürmt, die nnnntcrrichtete Elaquc
pfeift munter und meint, das Stück sei gefallen und werde nicht weiter spielen; doch
ist dem nicht so, der Vorhang wird Anno !848 in die Höhe gehen, neue Personen
werden auftreten, und das Drama wird fortspielen noch durch viele Acte, und hoffentlich
befriedigend schließen.

Man darf aber nicht schlafen wollen im Schatten der Eiche, die man erst Pflanzt,
und muß sorglich pflegen das Bäumchen. Dies mögen die Herren Stände zum
Wahlspruch wählen ^.^ ^. .


IN.
Ein Beitrag zur Geschichte der Jesuiten.

Bei der allgemeinen Auferstehung von den Todten, welche die Posaune der belli<
gen Allianz nach Besiegung des Dämons der Revolution hervorrief, schlich auch die
unheimliche Schattengestalt Loyola's aus alten Klosterruinen in das Dämmerlicht des
legitimen Europa. Es waren nicht ganz mehr die alten Helden der Reaction, die ge¬
gen das Licht der neuen Welt einen zwar abscheulichen aber immer heroischen Titancn-
kampf erhoben; aber hinter den abgetragenen Kapntzen lauerte doch noch immer der
alte böse Geist, die katholische Sophistik, und die heuchlerische Opposition gegen den
Glauben, der im Bewußtsein der Menschen bereits gesiegt hatte. Sie nisteten sich
an den liederlichen Höfen ein, die alle Sünden durch fortgesetzte Betstunden wieder
gut machen wollten, sie gingen wieder an ihr altes gutes Werk, den Mechanismus der
Erziehung, den nach casnistischen Voraussetzungen modificirten Beichtstuhl. Die alten


in dem bisher rein aristocratischen Principe des böhmischen Ständcwcsens mit begrün¬
det, von der Regierung wohl minder beanstandet worden wäre.

Man wird nämlich, wie bekannt, stimmfähig in unserer Ständeversammlung durch
Geburt und Besitz. Vom Bürgerstande sind die eingebornen, ansässigen Bürger der
königlich privilegirten Städte befähigt, landtäfliche Güter mit obrigkeitlichem Rechte zu
besitzen und ihren Kinder» frei zu vererben.

Liegt es demnach nicht ganz nahe, diesen besitzfähigen, b ur g erlich en Guts-
besitzern den Eintritt in die S da ut cversammlung zu gewähren? Auf
solche Weise würden die Bürgerrcpräscntation allmälig zu einer wirklichen werden, welche
das Interesse des Gutsbesitzers, wie des städtischen Bürgers in sich vereint, und dennoch
das so unliebsame Wahlwcscn vor der Hand umgehet, und die Herren Bürgermeister
und Räthe ganz unbeirrt sitzen läßt.

Solch ein Antrag würde als Act der Gerechtigkeit wie der Klugheit mächtigen
Anklang gefunden, und insbesondere eine stets eifersüchtige Opposition gegen die bevor¬
zugten Herrenstande beschwichtiget haben.

Doch der Bürger stehet noch viel zu tief in der Ansicht der Herren vom Adel,
man dachte seiner kaum, nud meinte, alles allein mit der Regierung abzumachen und dann
wohl auch alles Eroberte für sich zu behalte». Darum stehet man jetzt allein in den
Tagen selbst geschaffener Bedrängnis;, und wird Mühe haben das verlorene Terrain
wieder zu gewinnen, Eingeschüchterte zu ermuthigc», sich zu kräftigen zu neuen parla¬
mentarischen Kämpfen nach einem geänderten, festen Plane.

Wir betrachten das bisher an uns Vorübergegangene als die erste Phase des stän¬
dischen Belebnngsversnches, als des Drama's ersten Act — die Exposition ist vorüber,
der Knoten ist geschürzt, die Hindernisse sind gethürmt, die nnnntcrrichtete Elaquc
pfeift munter und meint, das Stück sei gefallen und werde nicht weiter spielen; doch
ist dem nicht so, der Vorhang wird Anno !848 in die Höhe gehen, neue Personen
werden auftreten, und das Drama wird fortspielen noch durch viele Acte, und hoffentlich
befriedigend schließen.

Man darf aber nicht schlafen wollen im Schatten der Eiche, die man erst Pflanzt,
und muß sorglich pflegen das Bäumchen. Dies mögen die Herren Stände zum
Wahlspruch wählen ^.^ ^. .


IN.
Ein Beitrag zur Geschichte der Jesuiten.

Bei der allgemeinen Auferstehung von den Todten, welche die Posaune der belli<
gen Allianz nach Besiegung des Dämons der Revolution hervorrief, schlich auch die
unheimliche Schattengestalt Loyola's aus alten Klosterruinen in das Dämmerlicht des
legitimen Europa. Es waren nicht ganz mehr die alten Helden der Reaction, die ge¬
gen das Licht der neuen Welt einen zwar abscheulichen aber immer heroischen Titancn-
kampf erhoben; aber hinter den abgetragenen Kapntzen lauerte doch noch immer der
alte böse Geist, die katholische Sophistik, und die heuchlerische Opposition gegen den
Glauben, der im Bewußtsein der Menschen bereits gesiegt hatte. Sie nisteten sich
an den liederlichen Höfen ein, die alle Sünden durch fortgesetzte Betstunden wieder
gut machen wollten, sie gingen wieder an ihr altes gutes Werk, den Mechanismus der
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[0358] in dem bisher rein aristocratischen Principe des böhmischen Ständcwcsens mit begrün¬ det, von der Regierung wohl minder beanstandet worden wäre. Man wird nämlich, wie bekannt, stimmfähig in unserer Ständeversammlung durch Geburt und Besitz. Vom Bürgerstande sind die eingebornen, ansässigen Bürger der königlich privilegirten Städte befähigt, landtäfliche Güter mit obrigkeitlichem Rechte zu besitzen und ihren Kinder» frei zu vererben. Liegt es demnach nicht ganz nahe, diesen besitzfähigen, b ur g erlich en Guts- besitzern den Eintritt in die S da ut cversammlung zu gewähren? Auf solche Weise würden die Bürgerrcpräscntation allmälig zu einer wirklichen werden, welche das Interesse des Gutsbesitzers, wie des städtischen Bürgers in sich vereint, und dennoch das so unliebsame Wahlwcscn vor der Hand umgehet, und die Herren Bürgermeister und Räthe ganz unbeirrt sitzen läßt. Solch ein Antrag würde als Act der Gerechtigkeit wie der Klugheit mächtigen Anklang gefunden, und insbesondere eine stets eifersüchtige Opposition gegen die bevor¬ zugten Herrenstande beschwichtiget haben. Doch der Bürger stehet noch viel zu tief in der Ansicht der Herren vom Adel, man dachte seiner kaum, nud meinte, alles allein mit der Regierung abzumachen und dann wohl auch alles Eroberte für sich zu behalte». Darum stehet man jetzt allein in den Tagen selbst geschaffener Bedrängnis;, und wird Mühe haben das verlorene Terrain wieder zu gewinnen, Eingeschüchterte zu ermuthigc», sich zu kräftigen zu neuen parla¬ mentarischen Kämpfen nach einem geänderten, festen Plane. Wir betrachten das bisher an uns Vorübergegangene als die erste Phase des stän¬ dischen Belebnngsversnches, als des Drama's ersten Act — die Exposition ist vorüber, der Knoten ist geschürzt, die Hindernisse sind gethürmt, die nnnntcrrichtete Elaquc pfeift munter und meint, das Stück sei gefallen und werde nicht weiter spielen; doch ist dem nicht so, der Vorhang wird Anno !848 in die Höhe gehen, neue Personen werden auftreten, und das Drama wird fortspielen noch durch viele Acte, und hoffentlich befriedigend schließen. Man darf aber nicht schlafen wollen im Schatten der Eiche, die man erst Pflanzt, und muß sorglich pflegen das Bäumchen. Dies mögen die Herren Stände zum Wahlspruch wählen ^.^ ^. . IN. Ein Beitrag zur Geschichte der Jesuiten. Bei der allgemeinen Auferstehung von den Todten, welche die Posaune der belli< gen Allianz nach Besiegung des Dämons der Revolution hervorrief, schlich auch die unheimliche Schattengestalt Loyola's aus alten Klosterruinen in das Dämmerlicht des legitimen Europa. Es waren nicht ganz mehr die alten Helden der Reaction, die ge¬ gen das Licht der neuen Welt einen zwar abscheulichen aber immer heroischen Titancn- kampf erhoben; aber hinter den abgetragenen Kapntzen lauerte doch noch immer der alte böse Geist, die katholische Sophistik, und die heuchlerische Opposition gegen den Glauben, der im Bewußtsein der Menschen bereits gesiegt hatte. Sie nisteten sich an den liederlichen Höfen ein, die alle Sünden durch fortgesetzte Betstunden wieder gut machen wollten, sie gingen wieder an ihr altes gutes Werk, den Mechanismus der Erziehung, den nach casnistischen Voraussetzungen modificirten Beichtstuhl. Die alten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/358>, abgerufen am 05.05.2024.