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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Oesterreich und die Wendung in Preußen.

Die jüngsten Ereignisse in Berlin sind von großem und unberechenba¬
rem Einfluß auf die innern wie auf die äußern Verhältnisse des Kaiserstaatö.
Nach Innen -...... weil die Bezüge zu nahe sind, weil Hunderte von Pa¬
rallelen sich darbieten, weil laufende von Gedanken dadurch angeregt werde",
weil diesmal nicht vom "fernen England" und "revolutionairen Frankreich"
das Beispiel ausgeht. Nach Außen -- weil Oesterreich durch das Pa¬
tent vom ü. Februar, Deutschland gegenüber, in eine noch weit isolirtere
Stellung gebracht wurde als es bisher einnahm. Mag auch eine For¬
derung des constitutionellen Prinzips in Preußen nicht in der Absicht des
Gesetzgebers gelegen haben; die Adreßdebatten haben bewiesen, daß, wenn
Preußens Regierung sich auch nicht in eine constitutionelle umwandelte,
sie doch jedenfalls eine parlamentarische geworden ist; und die wohlwollende
Antwort des Königs auf die Adresse, das königliche Zugeständniß, daß
die neuen Institutionen noch der Erweiterung fähig sind, nud das bestimmte
Versprechen, daß der Allgemeine Landtag zum mindesten schon in den näch-
sten vier Jahren wieder versammelt werde, beweist, daß die parlamentarische
Form von nun an in Preußen festsitzt. Wenn nnn bisher das absolute
Prinzip, das Oesterreich repräsentirt, in Deutschland einen zweiten Träger
und eine dominirende Stütze an Preußen hatte, so ist dies seit dem ü. Febr.
und noch deutlicher seit dem N. April ganz anders geworden, Oesterreich ist mit
seinem Prinzipe in Deutschland jetzt isolirt, und dringender als je wird bald
die Frage sich erheben : ist Oesterreich deutsch? Aber Oesterreich muß deutsch
sein und ist deutsch! Seine Dynastie ist es, seine Traditionen sind es, seine
Bildung ist es, der Schwerpunkt seiner Haus- und Staatsmacht ist es, und
im Interesse ihrer Befestigung, im Interesse der Ordnung und Sicherheit
muß es deutsch bleiben. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob das Aus¬
greifen Oesterreichs nach Galizien und nach Italien eine Folge des Ehrgeizes


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Oesterreich und die Wendung in Preußen.

Die jüngsten Ereignisse in Berlin sind von großem und unberechenba¬
rem Einfluß auf die innern wie auf die äußern Verhältnisse des Kaiserstaatö.
Nach Innen -...... weil die Bezüge zu nahe sind, weil Hunderte von Pa¬
rallelen sich darbieten, weil laufende von Gedanken dadurch angeregt werde»,
weil diesmal nicht vom „fernen England" und „revolutionairen Frankreich"
das Beispiel ausgeht. Nach Außen — weil Oesterreich durch das Pa¬
tent vom ü. Februar, Deutschland gegenüber, in eine noch weit isolirtere
Stellung gebracht wurde als es bisher einnahm. Mag auch eine For¬
derung des constitutionellen Prinzips in Preußen nicht in der Absicht des
Gesetzgebers gelegen haben; die Adreßdebatten haben bewiesen, daß, wenn
Preußens Regierung sich auch nicht in eine constitutionelle umwandelte,
sie doch jedenfalls eine parlamentarische geworden ist; und die wohlwollende
Antwort des Königs auf die Adresse, das königliche Zugeständniß, daß
die neuen Institutionen noch der Erweiterung fähig sind, nud das bestimmte
Versprechen, daß der Allgemeine Landtag zum mindesten schon in den näch-
sten vier Jahren wieder versammelt werde, beweist, daß die parlamentarische
Form von nun an in Preußen festsitzt. Wenn nnn bisher das absolute
Prinzip, das Oesterreich repräsentirt, in Deutschland einen zweiten Träger
und eine dominirende Stütze an Preußen hatte, so ist dies seit dem ü. Febr.
und noch deutlicher seit dem N. April ganz anders geworden, Oesterreich ist mit
seinem Prinzipe in Deutschland jetzt isolirt, und dringender als je wird bald
die Frage sich erheben : ist Oesterreich deutsch? Aber Oesterreich muß deutsch
sein und ist deutsch! Seine Dynastie ist es, seine Traditionen sind es, seine
Bildung ist es, der Schwerpunkt seiner Haus- und Staatsmacht ist es, und
im Interesse ihrer Befestigung, im Interesse der Ordnung und Sicherheit
muß es deutsch bleiben. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob das Aus¬
greifen Oesterreichs nach Galizien und nach Italien eine Folge des Ehrgeizes


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[0173] Oesterreich und die Wendung in Preußen. Die jüngsten Ereignisse in Berlin sind von großem und unberechenba¬ rem Einfluß auf die innern wie auf die äußern Verhältnisse des Kaiserstaatö. Nach Innen -...... weil die Bezüge zu nahe sind, weil Hunderte von Pa¬ rallelen sich darbieten, weil laufende von Gedanken dadurch angeregt werde», weil diesmal nicht vom „fernen England" und „revolutionairen Frankreich" das Beispiel ausgeht. Nach Außen — weil Oesterreich durch das Pa¬ tent vom ü. Februar, Deutschland gegenüber, in eine noch weit isolirtere Stellung gebracht wurde als es bisher einnahm. Mag auch eine For¬ derung des constitutionellen Prinzips in Preußen nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben; die Adreßdebatten haben bewiesen, daß, wenn Preußens Regierung sich auch nicht in eine constitutionelle umwandelte, sie doch jedenfalls eine parlamentarische geworden ist; und die wohlwollende Antwort des Königs auf die Adresse, das königliche Zugeständniß, daß die neuen Institutionen noch der Erweiterung fähig sind, nud das bestimmte Versprechen, daß der Allgemeine Landtag zum mindesten schon in den näch- sten vier Jahren wieder versammelt werde, beweist, daß die parlamentarische Form von nun an in Preußen festsitzt. Wenn nnn bisher das absolute Prinzip, das Oesterreich repräsentirt, in Deutschland einen zweiten Träger und eine dominirende Stütze an Preußen hatte, so ist dies seit dem ü. Febr. und noch deutlicher seit dem N. April ganz anders geworden, Oesterreich ist mit seinem Prinzipe in Deutschland jetzt isolirt, und dringender als je wird bald die Frage sich erheben : ist Oesterreich deutsch? Aber Oesterreich muß deutsch sein und ist deutsch! Seine Dynastie ist es, seine Traditionen sind es, seine Bildung ist es, der Schwerpunkt seiner Haus- und Staatsmacht ist es, und im Interesse ihrer Befestigung, im Interesse der Ordnung und Sicherheit muß es deutsch bleiben. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob das Aus¬ greifen Oesterreichs nach Galizien und nach Italien eine Folge des Ehrgeizes GrwMm. >>. »47. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/173>, abgerufen am 05.05.2024.