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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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gers oder eine Abfiirdung von zweitausend Gulden. Jaromir soll zum Mi¬
litär, wird daher uur bis zum achtzehnten Jahr studiren."

"Und zum neuen Jahre gibt mein Manu noch ein Extradoueeur --"

Die Gräfin zwinkerte wieder: "In acht Tagen reist meine Schwester
ab, überlegen Sie sich die Sache bis morgen und sagen Sie dann dem Doktor
Mohr, ob Sie sie annehmen oder nicht. Im Falle Sie hinausgehen wollen,
so können Sie wiederkommen, und sich mit dem Knaben bekannt machen >--
.lilromir, v<?ne/>" -- "Sie sprechen ja französisch?"

"Ich habe ein gutes Zeugniß," gräflichen Gnaden. --

Die Gräfin lächelte geringschätzig -- und als Jaromir zu ihr kam,
küßte sie ihn auf die Stirne und erhob sich dann auf das Piano zugehend,
das sie öffnete. "Spielen Sie vielleicht auch?"

Der Kandidat stellte seinen Hut auf den Stuhl, und da es fast keinen
böhmischen Studenten gibt, der nicht musikalisch wäre, spielte er mit sicherer
und geläufiger Hand einen furiosen Galopp, daß die Baronin, die trotz ih¬
rer Korpulenz immer noch mittanzte, wenn sich auf dem Laude die Gelegen¬
heit ergab, uuter dem Tische mit zu taktiren anfing und der kleine Jaromir
aufjauchzte und umhersprang.

Die Gräfin verzog jedoch keine Miene, sondern blätterte anscheinend
gleichgültig unter den daliegende" Mustkalien herum, und als der Kandidat
mit einem tüchtigen Schlage aufhörte, schüttelte sie sogar unzufrieden das Haupt.

Die Baronin war mit den musikalischen Fähigkeiten des jungen Mannes
vollkommen zufrieden, aber die Gräfin legte ihm erst uoch das "Lob der
Thränen" hin, was er allerdings mit weniger Bravour als den Galopp
spielte. "Für deu Airsang wird es gehen", flüsterte sie ihrer Schwester zu,
und beide Damen winkten ihm, daß er entlassen sei. Als er die dritte Ver¬
beugung gemacht hatte, und schon zum zweitenmal mit der verkehrten Hand
nach der Thürklinke faßte, rief die Gräfin: "4, iiroxos, wie heißen Sie
denn?"

"Theodor Nest-isny, aufzuwarten," antwortete der Jüngling und ent¬
wich mit erleuchtender Seele aus dem Salon.


Loii^v <In08kuto.

Die Abreise der Baronin war um vierzehn. Tage verschoben und Theo"
dor, der arme Student, als Hofmeister aufgenommen worden. Die Gräfin
hatte ihm eine kleine Hinterstube, in welcher der Jäger ihres Schwagers zu
schlafen Pflegte, wenn dieser auf einige Tage nach Prag kam, angewiesen
und diese stieß unmittelbar an das Zimmer der Baronin. Theodor hatte


gers oder eine Abfiirdung von zweitausend Gulden. Jaromir soll zum Mi¬
litär, wird daher uur bis zum achtzehnten Jahr studiren."

„Und zum neuen Jahre gibt mein Manu noch ein Extradoueeur —"

Die Gräfin zwinkerte wieder: „In acht Tagen reist meine Schwester
ab, überlegen Sie sich die Sache bis morgen und sagen Sie dann dem Doktor
Mohr, ob Sie sie annehmen oder nicht. Im Falle Sie hinausgehen wollen,
so können Sie wiederkommen, und sich mit dem Knaben bekannt machen >—
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„Ich habe ein gutes Zeugniß," gräflichen Gnaden. —

Die Gräfin lächelte geringschätzig — und als Jaromir zu ihr kam,
küßte sie ihn auf die Stirne und erhob sich dann auf das Piano zugehend,
das sie öffnete. „Spielen Sie vielleicht auch?"

Der Kandidat stellte seinen Hut auf den Stuhl, und da es fast keinen
böhmischen Studenten gibt, der nicht musikalisch wäre, spielte er mit sicherer
und geläufiger Hand einen furiosen Galopp, daß die Baronin, die trotz ih¬
rer Korpulenz immer noch mittanzte, wenn sich auf dem Laude die Gelegen¬
heit ergab, uuter dem Tische mit zu taktiren anfing und der kleine Jaromir
aufjauchzte und umhersprang.

Die Gräfin verzog jedoch keine Miene, sondern blätterte anscheinend
gleichgültig unter den daliegende» Mustkalien herum, und als der Kandidat
mit einem tüchtigen Schlage aufhörte, schüttelte sie sogar unzufrieden das Haupt.

Die Baronin war mit den musikalischen Fähigkeiten des jungen Mannes
vollkommen zufrieden, aber die Gräfin legte ihm erst uoch das „Lob der
Thränen" hin, was er allerdings mit weniger Bravour als den Galopp
spielte. „Für deu Airsang wird es gehen", flüsterte sie ihrer Schwester zu,
und beide Damen winkten ihm, daß er entlassen sei. Als er die dritte Ver¬
beugung gemacht hatte, und schon zum zweitenmal mit der verkehrten Hand
nach der Thürklinke faßte, rief die Gräfin: „4, iiroxos, wie heißen Sie
denn?"

„Theodor Nest-isny, aufzuwarten," antwortete der Jüngling und ent¬
wich mit erleuchtender Seele aus dem Salon.


Loii^v <In08kuto.

Die Abreise der Baronin war um vierzehn. Tage verschoben und Theo»
dor, der arme Student, als Hofmeister aufgenommen worden. Die Gräfin
hatte ihm eine kleine Hinterstube, in welcher der Jäger ihres Schwagers zu
schlafen Pflegte, wenn dieser auf einige Tage nach Prag kam, angewiesen
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[0018] gers oder eine Abfiirdung von zweitausend Gulden. Jaromir soll zum Mi¬ litär, wird daher uur bis zum achtzehnten Jahr studiren." „Und zum neuen Jahre gibt mein Manu noch ein Extradoueeur —" Die Gräfin zwinkerte wieder: „In acht Tagen reist meine Schwester ab, überlegen Sie sich die Sache bis morgen und sagen Sie dann dem Doktor Mohr, ob Sie sie annehmen oder nicht. Im Falle Sie hinausgehen wollen, so können Sie wiederkommen, und sich mit dem Knaben bekannt machen >— .lilromir, v<?ne/>" — „Sie sprechen ja französisch?" „Ich habe ein gutes Zeugniß," gräflichen Gnaden. — Die Gräfin lächelte geringschätzig — und als Jaromir zu ihr kam, küßte sie ihn auf die Stirne und erhob sich dann auf das Piano zugehend, das sie öffnete. „Spielen Sie vielleicht auch?" Der Kandidat stellte seinen Hut auf den Stuhl, und da es fast keinen böhmischen Studenten gibt, der nicht musikalisch wäre, spielte er mit sicherer und geläufiger Hand einen furiosen Galopp, daß die Baronin, die trotz ih¬ rer Korpulenz immer noch mittanzte, wenn sich auf dem Laude die Gelegen¬ heit ergab, uuter dem Tische mit zu taktiren anfing und der kleine Jaromir aufjauchzte und umhersprang. Die Gräfin verzog jedoch keine Miene, sondern blätterte anscheinend gleichgültig unter den daliegende» Mustkalien herum, und als der Kandidat mit einem tüchtigen Schlage aufhörte, schüttelte sie sogar unzufrieden das Haupt. Die Baronin war mit den musikalischen Fähigkeiten des jungen Mannes vollkommen zufrieden, aber die Gräfin legte ihm erst uoch das „Lob der Thränen" hin, was er allerdings mit weniger Bravour als den Galopp spielte. „Für deu Airsang wird es gehen", flüsterte sie ihrer Schwester zu, und beide Damen winkten ihm, daß er entlassen sei. Als er die dritte Ver¬ beugung gemacht hatte, und schon zum zweitenmal mit der verkehrten Hand nach der Thürklinke faßte, rief die Gräfin: „4, iiroxos, wie heißen Sie denn?" „Theodor Nest-isny, aufzuwarten," antwortete der Jüngling und ent¬ wich mit erleuchtender Seele aus dem Salon. Loii^v <In08kuto. Die Abreise der Baronin war um vierzehn. Tage verschoben und Theo» dor, der arme Student, als Hofmeister aufgenommen worden. Die Gräfin hatte ihm eine kleine Hinterstube, in welcher der Jäger ihres Schwagers zu schlafen Pflegte, wenn dieser auf einige Tage nach Prag kam, angewiesen und diese stieß unmittelbar an das Zimmer der Baronin. Theodor hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/18>, abgerufen am 05.05.2024.