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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Asyl war ihr !->, morio nur als zweibeiniges Federvieh, I'vio nur als schweiß-
briugeude Jahreszeit und Pantalon als ein nothwendiges Garderobcstück ih¬
res Gatten bekannt -- von der wettern Bedeutung dieser Worte hatte sie
nur eine ganz unvollkommene Idee, und mußte daher den Herren, die sie
aufforderten, mit wehmüthiger Stimme absagen. Als die Quadrille zu Ende
war, winkte sie ihre Schwester herbei und flüsterte ihr die leise Bitte in's
Ohr, der Hofmeister möge doch den schönen Galopp spielen, den er hente
früh zum Besten gegeben. Die Gräfin entsetzte sich wie billig über diesen
Wunsch: "Da Du die Quadrille nicht getanzt hast, so darfst Dn gar nicht
tanzen -- was würden denn die Leute sage", wenn Du auf einmal -- mit
Deiner Korpulenz -- galoppiren wolltest!"

Die Baronin beschied sich mit stiller Trauer, denn tanzen ist ans dem
Lande, wo man so wenige nlaisirs hat, eines der hauptsächlichsten und mau
entsagt keinem schwerer, als diesem.

Der Hofmeister mußte eine Meuuet, dann noch eine iriml^ist: spielen.
Bei dieser letzteren wurde das Mißvergnügen der Baronin auf deu höchsten
Grad gesteigert. Sie saß, sich bequem ausstreckend, auf dem Sopha und war
bereits schläfrig und verdrossen. Mit einem Male hüpfte eine Dame etwas
zu nahe an dasselbe, und ihr Tänzer trat der Baronin mit bewunderns-
werther Schnelligkeit zwei Mal auf deu eugbeschuhteu Fuß. Sie zog ein
jämmerliches Gesicht, daß der Tänzer sein "Pardon Madame!" nur mit
größter Anstrengung, das Lachen zu verbeißen, herausbrachte. Sie erhob
sich daher freilich etwas zappelnd, und machte Miene sich zu entfernen: die
Gräfin, die das Tanzen ebenfalls überdrüßig war, winkte dein Bedienten
ihr voran zu leuchten, und als Betel sie in ihrem Zimmer auskleidete, war
sie im übelsten Humor und stand dabei fortwährend auf einem Beine.


Das Hühnerauge.

Als Betel hinausgegangen war, untersuchte sie ihren getretenen Fuß,
dessen kleine Zehe mit einem bohnengroßen Leichdorn -- Hierlands Hühner¬
auge - - behaftet und breuneudroth angelaufen war. Sie goß Wasser in
das Lavoir, und preßte deu Fuß hinein, umsonst -- es wollte nicht helfen..
Da hörte sie den", daß, nachdem drüben die Musik verstummt war, der Hof¬
meister auf seiue Stube kam, die, wie schon gesagt, an die Ihrige stieß.
Sie hüpfte daher an die Thüre, was in Betracht ihrer Corpulenz, uicht ohne
alles Geräusch möglich war, im Gegentheil alle Meubles in der Stube mit
sammt dem Ofen in eine vibrircnde Bewegung brachte, schob deu Nachtriegel
zurück und klopfte. Der Hofmeister, eben im Begriffe den Nock auszuziehen,^


Asyl war ihr !->, morio nur als zweibeiniges Federvieh, I'vio nur als schweiß-
briugeude Jahreszeit und Pantalon als ein nothwendiges Garderobcstück ih¬
res Gatten bekannt — von der wettern Bedeutung dieser Worte hatte sie
nur eine ganz unvollkommene Idee, und mußte daher den Herren, die sie
aufforderten, mit wehmüthiger Stimme absagen. Als die Quadrille zu Ende
war, winkte sie ihre Schwester herbei und flüsterte ihr die leise Bitte in's
Ohr, der Hofmeister möge doch den schönen Galopp spielen, den er hente
früh zum Besten gegeben. Die Gräfin entsetzte sich wie billig über diesen
Wunsch: „Da Du die Quadrille nicht getanzt hast, so darfst Dn gar nicht
tanzen — was würden denn die Leute sage», wenn Du auf einmal — mit
Deiner Korpulenz — galoppiren wolltest!"

Die Baronin beschied sich mit stiller Trauer, denn tanzen ist ans dem
Lande, wo man so wenige nlaisirs hat, eines der hauptsächlichsten und mau
entsagt keinem schwerer, als diesem.

Der Hofmeister mußte eine Meuuet, dann noch eine iriml^ist: spielen.
Bei dieser letzteren wurde das Mißvergnügen der Baronin auf deu höchsten
Grad gesteigert. Sie saß, sich bequem ausstreckend, auf dem Sopha und war
bereits schläfrig und verdrossen. Mit einem Male hüpfte eine Dame etwas
zu nahe an dasselbe, und ihr Tänzer trat der Baronin mit bewunderns-
werther Schnelligkeit zwei Mal auf deu eugbeschuhteu Fuß. Sie zog ein
jämmerliches Gesicht, daß der Tänzer sein „Pardon Madame!" nur mit
größter Anstrengung, das Lachen zu verbeißen, herausbrachte. Sie erhob
sich daher freilich etwas zappelnd, und machte Miene sich zu entfernen: die
Gräfin, die das Tanzen ebenfalls überdrüßig war, winkte dein Bedienten
ihr voran zu leuchten, und als Betel sie in ihrem Zimmer auskleidete, war
sie im übelsten Humor und stand dabei fortwährend auf einem Beine.


Das Hühnerauge.

Als Betel hinausgegangen war, untersuchte sie ihren getretenen Fuß,
dessen kleine Zehe mit einem bohnengroßen Leichdorn — Hierlands Hühner¬
auge - - behaftet und breuneudroth angelaufen war. Sie goß Wasser in
das Lavoir, und preßte deu Fuß hinein, umsonst — es wollte nicht helfen..
Da hörte sie den», daß, nachdem drüben die Musik verstummt war, der Hof¬
meister auf seiue Stube kam, die, wie schon gesagt, an die Ihrige stieß.
Sie hüpfte daher an die Thüre, was in Betracht ihrer Corpulenz, uicht ohne
alles Geräusch möglich war, im Gegentheil alle Meubles in der Stube mit
sammt dem Ofen in eine vibrircnde Bewegung brachte, schob deu Nachtriegel
zurück und klopfte. Der Hofmeister, eben im Begriffe den Nock auszuziehen,^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/20>, abgerufen am 05.05.2024.