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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Aus Prag.
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Das Memoire der Landstände. -- Der clericale Referent. - Eine Deputation zum
Begräbnis! des Erzherzogs Karl.

Den !!, Mai hat die schon im Monate.März erwartete Eröffnung der land¬
ständischen Versammlung stattgefunden, und sehr stürmisch war die Debatte des
ersten Tages, so daß sich manches piquante Creigniß auch in den noch bevor-
stehenden vielen Sitzungen erwarten laßt.

Das Conn"!, welches die Aufgabe zu losen hatte, die heute noch zu Recht
bestehende" Prärogative der Stände genau zu ermitteln, und die eigentliche Be¬
deutung jenes Regierungsvorbehalts, die Landesordnung beliebig zu mehren oder
zu mindern, festzustellen, hatte seine Arbeit vollendet, und die ihm gewordene
Aufgabe mit Talent und Klugheit gelöset; daß jenem Vorbehalt die von der
Negierung den Ständen angesonncuc Deutung nicht zugestanden, sondern nach¬
gewiesen ward, dasselbe beziehe sich blos auf denjenigen Theil der Landesordnung,
welcher die Civil- und VerwaltungsgesMcl'lag für Böhmen enthält, und wei--
chem durch die spätere Gesetzgebung ohnehin schon dcrogirct worden, während die
ständischen Vorrechte und Privilegien in einem besondern, sogar späteren Majc-
stätsbricfc, ohne jenen Vorbehalt bestätigt worden waren, war natürlich, und licgi
wohl auch in strenger urkundlicher Consequenz.'

Das Memoire des Comites, welches wohl der Oeffentlicheeit anheimfallen
dürfte, wurde dem Herrn Laudtagsdirectvr überreicht, welcher dasselbe dem Lan-
dcsausschusse, und insbesondere einem cleriealcn Beisitzer desselben als Referenten
zur Begutachtung überwies, worin eine bedeutende Fraction der Herrn Stände
Verletzung der Form zu erkennen glaubte, weil jenes Comite vou der ständischen
Versammlung unmittelbar gewählt und beauftragt, nur mit dieser Versammlung
im Ganzen in Beziehungen stehet, der Ausschuß demnach sich jeder Beurtheilung
jenes Comite's zu enthalten hatte, da es ihm an der Competenz hinzu fehle,
indem dasselbe nur als ständische Delegation für laufende Geschäfte, keineswegs
aber für ein spezielles andern Kräften übertragenes Geschäft, bestellt sei.

Der etwas kräftige Ton jenes Memoires und insbesondere die Berufung auf
den Krönungseid des Königs, von welchem eine Kv8pro"dio nnnitilli" nicht
vorausgesetzt werden dürfe, veranlaßte jenen cleriealcn Referenten natürlich zu
vielen Bedenken, sofort also zu solchen Mvdificationsvorschlägen, welche die beab¬
sichtigte Demonstration eigentlich zu Nichte machen mußten.

Obwohl die wirkliche Majorität des Ausschusses diese Modifieationsanträge
nicht gut geheißen, wurden dieselben dennoch als Beschluß des Ausschusses be¬
handelt und der Versammlung vorgelegt, und eben durch dieses Manöver der
Zweck ganz verfehlt, indem die Versammlung sich durch diese heat'sichligte Bevor-
mundung beleidigt fühlte, daher in gereizter Stimmung votirt wurde.

Alle vorher schon unternommene Bemühung eines Mitgliedes jenes illorum


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Aus Prag.
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Das Memoire der Landstände. — Der clericale Referent. - Eine Deputation zum
Begräbnis! des Erzherzogs Karl.

Den !!, Mai hat die schon im Monate.März erwartete Eröffnung der land¬
ständischen Versammlung stattgefunden, und sehr stürmisch war die Debatte des
ersten Tages, so daß sich manches piquante Creigniß auch in den noch bevor-
stehenden vielen Sitzungen erwarten laßt.

Das Conn»!, welches die Aufgabe zu losen hatte, die heute noch zu Recht
bestehende» Prärogative der Stände genau zu ermitteln, und die eigentliche Be¬
deutung jenes Regierungsvorbehalts, die Landesordnung beliebig zu mehren oder
zu mindern, festzustellen, hatte seine Arbeit vollendet, und die ihm gewordene
Aufgabe mit Talent und Klugheit gelöset; daß jenem Vorbehalt die von der
Negierung den Ständen angesonncuc Deutung nicht zugestanden, sondern nach¬
gewiesen ward, dasselbe beziehe sich blos auf denjenigen Theil der Landesordnung,
welcher die Civil- und VerwaltungsgesMcl'lag für Böhmen enthält, und wei--
chem durch die spätere Gesetzgebung ohnehin schon dcrogirct worden, während die
ständischen Vorrechte und Privilegien in einem besondern, sogar späteren Majc-
stätsbricfc, ohne jenen Vorbehalt bestätigt worden waren, war natürlich, und licgi
wohl auch in strenger urkundlicher Consequenz.'

Das Memoire des Comites, welches wohl der Oeffentlicheeit anheimfallen
dürfte, wurde dem Herrn Laudtagsdirectvr überreicht, welcher dasselbe dem Lan-
dcsausschusse, und insbesondere einem cleriealcn Beisitzer desselben als Referenten
zur Begutachtung überwies, worin eine bedeutende Fraction der Herrn Stände
Verletzung der Form zu erkennen glaubte, weil jenes Comite vou der ständischen
Versammlung unmittelbar gewählt und beauftragt, nur mit dieser Versammlung
im Ganzen in Beziehungen stehet, der Ausschuß demnach sich jeder Beurtheilung
jenes Comite's zu enthalten hatte, da es ihm an der Competenz hinzu fehle,
indem dasselbe nur als ständische Delegation für laufende Geschäfte, keineswegs
aber für ein spezielles andern Kräften übertragenes Geschäft, bestellt sei.

Der etwas kräftige Ton jenes Memoires und insbesondere die Berufung auf
den Krönungseid des Königs, von welchem eine Kv8pro»dio nnnitilli» nicht
vorausgesetzt werden dürfe, veranlaßte jenen cleriealcn Referenten natürlich zu
vielen Bedenken, sofort also zu solchen Mvdificationsvorschlägen, welche die beab¬
sichtigte Demonstration eigentlich zu Nichte machen mußten.

Obwohl die wirkliche Majorität des Ausschusses diese Modifieationsanträge
nicht gut geheißen, wurden dieselben dennoch als Beschluß des Ausschusses be¬
handelt und der Versammlung vorgelegt, und eben durch dieses Manöver der
Zweck ganz verfehlt, indem die Versammlung sich durch diese heat'sichligte Bevor-
mundung beleidigt fühlte, daher in gereizter Stimmung votirt wurde.

Alle vorher schon unternommene Bemühung eines Mitgliedes jenes illorum


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[0275] lV Aus Prag. !. Das Memoire der Landstände. — Der clericale Referent. - Eine Deputation zum Begräbnis! des Erzherzogs Karl. Den !!, Mai hat die schon im Monate.März erwartete Eröffnung der land¬ ständischen Versammlung stattgefunden, und sehr stürmisch war die Debatte des ersten Tages, so daß sich manches piquante Creigniß auch in den noch bevor- stehenden vielen Sitzungen erwarten laßt. Das Conn»!, welches die Aufgabe zu losen hatte, die heute noch zu Recht bestehende» Prärogative der Stände genau zu ermitteln, und die eigentliche Be¬ deutung jenes Regierungsvorbehalts, die Landesordnung beliebig zu mehren oder zu mindern, festzustellen, hatte seine Arbeit vollendet, und die ihm gewordene Aufgabe mit Talent und Klugheit gelöset; daß jenem Vorbehalt die von der Negierung den Ständen angesonncuc Deutung nicht zugestanden, sondern nach¬ gewiesen ward, dasselbe beziehe sich blos auf denjenigen Theil der Landesordnung, welcher die Civil- und VerwaltungsgesMcl'lag für Böhmen enthält, und wei-- chem durch die spätere Gesetzgebung ohnehin schon dcrogirct worden, während die ständischen Vorrechte und Privilegien in einem besondern, sogar späteren Majc- stätsbricfc, ohne jenen Vorbehalt bestätigt worden waren, war natürlich, und licgi wohl auch in strenger urkundlicher Consequenz.' Das Memoire des Comites, welches wohl der Oeffentlicheeit anheimfallen dürfte, wurde dem Herrn Laudtagsdirectvr überreicht, welcher dasselbe dem Lan- dcsausschusse, und insbesondere einem cleriealcn Beisitzer desselben als Referenten zur Begutachtung überwies, worin eine bedeutende Fraction der Herrn Stände Verletzung der Form zu erkennen glaubte, weil jenes Comite vou der ständischen Versammlung unmittelbar gewählt und beauftragt, nur mit dieser Versammlung im Ganzen in Beziehungen stehet, der Ausschuß demnach sich jeder Beurtheilung jenes Comite's zu enthalten hatte, da es ihm an der Competenz hinzu fehle, indem dasselbe nur als ständische Delegation für laufende Geschäfte, keineswegs aber für ein spezielles andern Kräften übertragenes Geschäft, bestellt sei. Der etwas kräftige Ton jenes Memoires und insbesondere die Berufung auf den Krönungseid des Königs, von welchem eine Kv8pro»dio nnnitilli» nicht vorausgesetzt werden dürfe, veranlaßte jenen cleriealcn Referenten natürlich zu vielen Bedenken, sofort also zu solchen Mvdificationsvorschlägen, welche die beab¬ sichtigte Demonstration eigentlich zu Nichte machen mußten. Obwohl die wirkliche Majorität des Ausschusses diese Modifieationsanträge nicht gut geheißen, wurden dieselben dennoch als Beschluß des Ausschusses be¬ handelt und der Versammlung vorgelegt, und eben durch dieses Manöver der Zweck ganz verfehlt, indem die Versammlung sich durch diese heat'sichligte Bevor- mundung beleidigt fühlte, daher in gereizter Stimmung votirt wurde. Alle vorher schon unternommene Bemühung eines Mitgliedes jenes illorum 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/275>, abgerufen am 05.05.2024.