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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Schulen zu bringen und die vom Staate aus vertrauender Sorgfalt unter
die Leitung der Seelsorger gestellte Jugend, ihren Unterricht und moralische
Bildung einem System zu überantworten, welches ausschließend nur für' den
Ultramontanismus erfunden ward. Hat die Regierung noch einen Einfluß
auf die! Volksbildung zu üben, wenn dieses angeht? Gelten die vom Kaiser
sanctionirten Schulverordnuugeu, da man ihnen so auffallend entgegenhan¬
delt!? Aber Dank dem Muthe wackerer Gemeiudemauner, das eigenmächtige,
gleißende Geheimniß ist entschleiert, und das Gubernium verfügte mit stren¬
gem Nachdruck die Entfernung der Schulbrüder aus eiuer Gemeinde, wo sich
drei derselben in den Schul-, Meßner - und Organistendienst durch die
Gunst des Pfarrers und mit Connivenz des Konsistoriums eingedrängt hat¬
ten. Bald werden die unberufenen Gäste die übrigen Schulen verlassen
müssen, in deren Besitz sie auf Schleichwegen und ohne Ncgierungsgenehmi-
guug gelangten. Doch wird damit der Volksunterricht besser, die Eigen¬
macht der vielen jesuitisch gestimmten Seelsorger und geistlichen Schullenker
gehoben sein? Dies zu glauben wäre eine grobe Selbsttäuschung. So lange
die Jesuiten im Lande weilen, Bischöfe und Consistorien beherrschen und
einen Theil unserer Jugend in ihren Anstalten haben, ist an das Gedeihen
eines vernünftigen, den Verhältnissen der Zeit und der Natur der Sache
angemessenen Schulunterrichtes nicht zu denken. Ihr werdet die Schulbrüder
entfernen, wie man in Frankreich die Jesuiten aufhob -- der Name wird
verschwinden, das Institut wird bleiben und wachsen.


2. Die Advokaten.

Zu wiederholten Malen ist in den Grenzboten, von Wien aus über den
Verfall des dortigen Advvkatenwesens die Rede gewesen und als eine Haupt¬
seite der Mißbestäude ist der Zunftzwang bezeichnet worden. Auch bei
uns in Tirol- ahmt man den Musterschnitt der Hauptstadt nach, wie dort im
Großen, gedeiht hier die Wirthschaft im Kleinen. Decimiren sich auch hier zu
Lände die Tausende von Gewinn, womit man dort die Jahresrechnung schließt,
gilt doch gleicher Weise die vertretene Sache nur als Mittel, nicht als Zweck,
die Advokatur selbst nur als Erwerbsquelle, nicht als ernster wissenschaftli¬
cher, geschweige gar als Humanitätsbernf. Der Rechtsanwalt ist bei'uns'
blos zur Wahrung der Privatrechte angewiesen, ans diese allein beziehen
sich die Fragen seiner Prüfung , diese zu verfechten , wird er bestatte, dazn-
ausschließend befähigt'; in Sachen der administrativen Behörden' sieht man
seinen Einfluß mit Mißfallen , von der Vertretung des Bauernstandes bei


Schulen zu bringen und die vom Staate aus vertrauender Sorgfalt unter
die Leitung der Seelsorger gestellte Jugend, ihren Unterricht und moralische
Bildung einem System zu überantworten, welches ausschließend nur für' den
Ultramontanismus erfunden ward. Hat die Regierung noch einen Einfluß
auf die! Volksbildung zu üben, wenn dieses angeht? Gelten die vom Kaiser
sanctionirten Schulverordnuugeu, da man ihnen so auffallend entgegenhan¬
delt!? Aber Dank dem Muthe wackerer Gemeiudemauner, das eigenmächtige,
gleißende Geheimniß ist entschleiert, und das Gubernium verfügte mit stren¬
gem Nachdruck die Entfernung der Schulbrüder aus eiuer Gemeinde, wo sich
drei derselben in den Schul-, Meßner - und Organistendienst durch die
Gunst des Pfarrers und mit Connivenz des Konsistoriums eingedrängt hat¬
ten. Bald werden die unberufenen Gäste die übrigen Schulen verlassen
müssen, in deren Besitz sie auf Schleichwegen und ohne Ncgierungsgenehmi-
guug gelangten. Doch wird damit der Volksunterricht besser, die Eigen¬
macht der vielen jesuitisch gestimmten Seelsorger und geistlichen Schullenker
gehoben sein? Dies zu glauben wäre eine grobe Selbsttäuschung. So lange
die Jesuiten im Lande weilen, Bischöfe und Consistorien beherrschen und
einen Theil unserer Jugend in ihren Anstalten haben, ist an das Gedeihen
eines vernünftigen, den Verhältnissen der Zeit und der Natur der Sache
angemessenen Schulunterrichtes nicht zu denken. Ihr werdet die Schulbrüder
entfernen, wie man in Frankreich die Jesuiten aufhob — der Name wird
verschwinden, das Institut wird bleiben und wachsen.


2. Die Advokaten.

Zu wiederholten Malen ist in den Grenzboten, von Wien aus über den
Verfall des dortigen Advvkatenwesens die Rede gewesen und als eine Haupt¬
seite der Mißbestäude ist der Zunftzwang bezeichnet worden. Auch bei
uns in Tirol- ahmt man den Musterschnitt der Hauptstadt nach, wie dort im
Großen, gedeiht hier die Wirthschaft im Kleinen. Decimiren sich auch hier zu
Lände die Tausende von Gewinn, womit man dort die Jahresrechnung schließt,
gilt doch gleicher Weise die vertretene Sache nur als Mittel, nicht als Zweck,
die Advokatur selbst nur als Erwerbsquelle, nicht als ernster wissenschaftli¬
cher, geschweige gar als Humanitätsbernf. Der Rechtsanwalt ist bei'uns'
blos zur Wahrung der Privatrechte angewiesen, ans diese allein beziehen
sich die Fragen seiner Prüfung , diese zu verfechten , wird er bestatte, dazn-
ausschließend befähigt'; in Sachen der administrativen Behörden' sieht man
seinen Einfluß mit Mißfallen , von der Vertretung des Bauernstandes bei


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[0394] Schulen zu bringen und die vom Staate aus vertrauender Sorgfalt unter die Leitung der Seelsorger gestellte Jugend, ihren Unterricht und moralische Bildung einem System zu überantworten, welches ausschließend nur für' den Ultramontanismus erfunden ward. Hat die Regierung noch einen Einfluß auf die! Volksbildung zu üben, wenn dieses angeht? Gelten die vom Kaiser sanctionirten Schulverordnuugeu, da man ihnen so auffallend entgegenhan¬ delt!? Aber Dank dem Muthe wackerer Gemeiudemauner, das eigenmächtige, gleißende Geheimniß ist entschleiert, und das Gubernium verfügte mit stren¬ gem Nachdruck die Entfernung der Schulbrüder aus eiuer Gemeinde, wo sich drei derselben in den Schul-, Meßner - und Organistendienst durch die Gunst des Pfarrers und mit Connivenz des Konsistoriums eingedrängt hat¬ ten. Bald werden die unberufenen Gäste die übrigen Schulen verlassen müssen, in deren Besitz sie auf Schleichwegen und ohne Ncgierungsgenehmi- guug gelangten. Doch wird damit der Volksunterricht besser, die Eigen¬ macht der vielen jesuitisch gestimmten Seelsorger und geistlichen Schullenker gehoben sein? Dies zu glauben wäre eine grobe Selbsttäuschung. So lange die Jesuiten im Lande weilen, Bischöfe und Consistorien beherrschen und einen Theil unserer Jugend in ihren Anstalten haben, ist an das Gedeihen eines vernünftigen, den Verhältnissen der Zeit und der Natur der Sache angemessenen Schulunterrichtes nicht zu denken. Ihr werdet die Schulbrüder entfernen, wie man in Frankreich die Jesuiten aufhob — der Name wird verschwinden, das Institut wird bleiben und wachsen. 2. Die Advokaten. Zu wiederholten Malen ist in den Grenzboten, von Wien aus über den Verfall des dortigen Advvkatenwesens die Rede gewesen und als eine Haupt¬ seite der Mißbestäude ist der Zunftzwang bezeichnet worden. Auch bei uns in Tirol- ahmt man den Musterschnitt der Hauptstadt nach, wie dort im Großen, gedeiht hier die Wirthschaft im Kleinen. Decimiren sich auch hier zu Lände die Tausende von Gewinn, womit man dort die Jahresrechnung schließt, gilt doch gleicher Weise die vertretene Sache nur als Mittel, nicht als Zweck, die Advokatur selbst nur als Erwerbsquelle, nicht als ernster wissenschaftli¬ cher, geschweige gar als Humanitätsbernf. Der Rechtsanwalt ist bei'uns' blos zur Wahrung der Privatrechte angewiesen, ans diese allein beziehen sich die Fragen seiner Prüfung , diese zu verfechten , wird er bestatte, dazn- ausschließend befähigt'; in Sachen der administrativen Behörden' sieht man seinen Einfluß mit Mißfallen , von der Vertretung des Bauernstandes bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/394>, abgerufen am 05.05.2024.